Trainingsverpflichtung des RVR 1937
1. Wer
sich zum strengen Training verpflichtet, stellt sich dem
Verein freiwillig zur Verfügung, um in offenen Rennen
die Farben des Vereins in den Wettkämpfen der Ruderzeit
zu vertreten und seine Flagge zu sportlichen Erfolgen zu
führen. Nur auf die Bewältigung dieser Aufgabe ist das
Training eingestellt; jeder, der sich verpflichtet, setzt
sich für dieses Ziel voll und ganz ein.
2. Jeder Trainierende hat sich vor Beginn des strengen
Trainings einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
Die Trainingsleitung ordnet Ort und Zeit der Untersuchung
an. Bei der Untersuchung ist ein vom Vereinsführer
ernanntes Mitglied zugegen. Die Entscheidungen und
Anordnungen des Arztes sind für den Ruderer und die
Trainingsleitung verbindlich. Die ärztliche Überwachung
erfolgt, soweit erforderlich, während des ganzen
Trainings.
3. Über die Annahme eines für tauglich erklärten
Ruderers zum strengen Training und über die Entlassung
aus dem Training entscheidet ausschließlich die
Trainingsleitung. Kein Ruderer ist berechtigt, ohne
Genehmigung der Trainingsleitung das Training aufzugeben.
Die Trainingsleitung kann Ruderer, die keine Aussicht
haben, an offenen Regatten teilzunehmen, jeder Zeit aus
dem Training entlassen. Sie kann auch bestimmen, dass
Ruderer, welche zunächst nicht für die Teilnahme an
offenen Regatten in Aussicht genommen sind, als
Ersatzleute im Training bleiben. Nur bei Vorliegen
wichtiger Gründe kann der Ruderer seine vorzeitige
Entlassung aus dem Training beantragen. Die
Trainingsleitung kann die Entscheidung über ein solches
Gesuch dem Vereinsführer vorbehalten.
4. Die Liste der zum strengen Training verpflichteten
Ruderer ist im Bootshaus anzuschlagen und laufend auf dem
Stand zu erhalten. In gleicher Weise sind Entlassungen
aus dem Training bekannt zu machen.
5. Jeder Ruderer muss täglich, einschließlich der Sonn-
und Feiertage, pünktlich zu der von dem verantwortlichen
Ausbilder festgesetzten Zeit zu den Übungsfahrten sich
im Bootshaus einfinden, dortselbst sofort umkleiden, Boot
und Ruder für die Fahrt klarmachen. In Fällen
dringender Verhinderung am pünktlichen Erscheinen ist
der Ruderer in jedem Falle verpflichtet, rechtzeitig
durch Fernsprecher oder in sonstiger zuverlässiger Weise
unter Angabe des Grundes noch dem Bootshaus Nachricht zu
geben. Nur wirklich gewichtige Gründe können
ausnahmsweise als Entschuldigung für Verspätungen oder
völliges Fernbleiben von den Übungen gelten.
6. Jeder Ruderer schuldet allen Anordnungen und Befehlen
der Trainingsleitung und seines verantwortlichen
Ausbilders, die sich auf das Training beziehen,
unbedingten und widerspruchslosen Gehorsam. Glaubt der
Ruderer sich durch eine solche Anordnung beschwert, so
hat er gleichwohl der Anordnung nachzukommen, unbeschadet
des Rechts, seine Angelegenheit sodann dem Vereinsführer
vorzutragen.
7. Die Einteilung der Trainierenden in Mannschaften,
Klassen und Boote, die Anordnung der Plätze im Boot
erfolgt ausschließlich durch den verantwortlichen
Ausbilder. Maßgebend hierfür ist ausschließlich die
Wahrung des Vereinsinteresses auf Grund des rein
sachlichen und nach seiner besten Überzeugung bestimmten
Urteils des Ausbilders.
Kein Ruderer hat demgemäß einen Anspruch darauf, einer
bestimmten Mannschaft anzugehören, eine Bootsgattung
oder Rennklasse zu wählen.
8. Während des Trainings ist dem Ruderer die Ausübung
anderer Sportarten sowie die Beteiligung an Wettkämpfen
anderer Art verboten, insbesondere ist auch das Schwimmen
untersagt. Die Trainingsleitung oder der verantwortliche
Ausbilder ordnet an, weiche körperlichen Übungen, und
in welchem Umfang, neben dem Rudern zu betreiben sind, z.B.
Dauerlauf, Freiübungen und ähnliche.
9. Während des Trainings dürfen die Trainierenden nur
die von dem Ausbilder angesetzten Übungsfahrten
ausfahren. Andere Ruderfahrten sind verboten, soweit sie
nicht ausdrücklich von ihm ausnahmsweise erlaubt werden.
10. Zu jeder Trainingsfahrt haben die Ruderer in
vorschriftsmäßigem, sauberem Rennanzug zu erscheinen.
Das Herumstehen auf dem Bootssteg, vor dem Bootshaus oder
in dem Bootsschuppen ist zu vermeiden. Bei kühler
Witterung sind bis zum Beginn und nach Beendigung der
Fahrt Wolljacken oder Mantel anzulegen. Das Zu-Wasser-
und Aus-dem-Wasser-Bringen der Boote erfolgt durch die
Mannschaft, jeder Mann an seinem vorgeschriebenen Platz,
auf Kommando des Steuermannes bzw. des Schlagmannes.
Solange gerudert wird, wird im Boot nicht gesprochen.
Solange der Ausbilder die Fahrt begleitet, gibt er allein
der Mannschaft bzw. dem Steuermann die Befehle. In
Abwesenheit des Ausbilders hört die Mannschaft nur auf
das Kommando des Steuermannes, im steuermannslosen Boot
auf den Schlagmann bzw. den steuernden Ruderer.
Nach Beendigung jeder Fahrt verbringt die Mannschaft
Boote und Ruder in die Halle, woselbst Boote und Ruder
sogleich zu reinigen, abzutrocknen und auf die bestimmten
Plätze zu bringen sind.
11. Jeder Trainierende verpflichtet sich, während des
Trainings eine strenge gesundheitsgemäße Lebensweise
einzuhalten.
Während der Trainingszeit verzichtet der Ruderer
freiwillig auf die Teilnahme an Vergnügungen und
Festlichkeiten; in besonderen Fällen kann die
Trainingsleitung auf Nachsuchen des Ruderers die
Erlaubnis ausnahmsweise erteilen.
Der Besuch von rauchigen, schlecht gelüfteten Räumen
ist zu vermeiden; nach dem Abendessen sollen Theater,
Kino, Kaffees usw. nicht mehr besucht werden.
Tanzlokale, Bars und ähnliche Betriebe sind verboten.
12. Während des Trainings ist der Genus von
alkoholreichen Getränken (Schnäpse, Kognaks usw.)
sowie das Rauchen strengstens untersagt. In
geschlechtlicher Beziehung ist Enthaltsamkeit geboten.
13. Der Trainierende muss ausreichende, mindestens achtstündige
Nachtruhe und gesunden Schlaf genießen: er soll sich
regelmäßig spätestens um 11 Uhr zur Ruhe begeben.
Für eine kräftige und ausreichende Kost ist Sorge zu
tragen. Stark gewürzte, fette und schwerverdauliche
Speisen sind zu vermeiden. Für die Hauptmahlzeit ist
gemischte Kost, bestehend aus Fleisch (möglichst in
gebratenem Zustand), reichlich Gemüse oder Salat oder
sonstige Zukost (Reis, Kartoffeln, nicht zu reichlich)
anzuempfehlen. Einseitige Fleisch- oder vegetarische Kost
ist nicht ratsam. Obst, besonders gekocht, ist sehr bekömmlich.
Zwei Stunden vor einer Übungsfahrt oder einem Rennen
darf der Ruderer nichts genießen.
Der Trainierende vermeidet unbedingt, mehr Flüssigkeit
zu sich zu nehmen, als zur Stillung des Durstes notwendig
ist. Alkoholhaltige Getränke sind am besten ganz zu
meiden. Nur zur Abendmahlzeit ist ein Glas Wein oder Bier
gestattet. Leichter Tee und Kaffee mit Milch und Zucker
sind nicht schädlich.
Künstliche Limonaden und künstliche Mineralwasser
sollen tunlichst nicht genossen werden.
14. Nach beendeter Übungsfahrt ist warme und kalte
Dusche mit leichtem Abseifen des ganzen Körpers zu
gebrauchen. Nach der Dusche ist der Körper zu frottieren
und zu massieren. Auf stets saubere, trockene Ruderwäsche,
sorgsame Körper-, insbesondere Hautpflege, ist zur
Vermeidung von Unterbrechungen des Trainings durch
Gesundheitsstörungen gewissenhaft zu achten.
15. Die Rennsteuerleute haben gleichfalls allen
Anordnungen der Trainingsleitung und der Ausbilder pünktlich
nachzukommen und zu den für sie bestimmten Zeiten für
die Übungsfahrten pünktlich zur Stelle zu sein. An den
Vorabenden einer Regatta und bis zur Beendigung derselben
unterstehen die Rennsteuerleute mit Ausnahme des
Rauchverbots den Trainingsvorschriften in gleicher Weise
wie die Ruderer. Sie haben sic ausschließlich der
Mannschaft und dem Bootsmaterial zu widmen und für die
Beteiligung an dem Rennen gemeinsam mit dem Obmann oder
Ausbilder alles gewissenhaft vorzubereiten.
16. Die Ruderer unterstehen auf den Regatten dem vom
Vereinsführer jeweils bestimmten Obmann oder dessen
Stellvertreter, der alle Anordnungen über die
Zeiteinteilung der Mannschaften, Mahlzeiten, Unterkunft,
Reise usw. zu treffen hat. Verboten ist insbesondere,
ohne Genehmigung des Obmannes die Quartiere oder den
Regattaplatz zu verlassen. Auf ein ruhiges, zurückhaltendes
Verhalten, unbedingte Disziplin und tadellosen Anzug ist
mit Rücksicht auf das Ansehen des Vereins besonderer
Wert zu legen.
Streng verboten ist es, sich mit fremden Mannschaften in
Auseinandersetzungen oder Streitigkeiten über den
Verlauf eines Rennens oder dergl. einzulassen. Zwischenfälle
irgendwelchen Art sind sofort dem Obmann, in dessen
Abwesenheit einem anderen Vorstandsmitglied, zu melden.
Unbedingt zu vermeiden ist es, bei fremden Mannschaften
oder Vereinen die Leistungen oder das Verhalten anderer
Ruderer und Vereine abfällig zu kritisieren.
17. Jeder Ruderer, der sich zum strengen Training meldet,
verpflichtet sich durch Handschlag dem Vereinsführer
oder dem von ihm bezeichneten Stellvertreter gegenüber,
zur gewissenhaften pünktlichen Einhaltung der
Trainingsvorschriften und bescheinigt durch seine
Unterschrift, dass ihm diese vor seiner Verpflichtung
bekannt gegeben und erläutert worden sind.
18. Jeder Ruderer ist verpflichtet, Zuwiderhandlungen
gegen diese Trainingsvorschriften, die ihm zur Kenntnis
gelangen, sofort der Trainingsleitung oder dem Vereinsführer
zu meiden. Dieser hat die erforderlichen Feststellungen
zu treffen und ohne Ansehen der Person nach Satz 19 zu
verfahren.
19. Zuwiderhandlungen gegen die Trainingsvorschriften
werden im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung und
Manneszucht streng geahndet. Der Vereinsführer kann auf
sofortige Entlassung aus dem Training, Verbot des
Bootshauses, zeitweilige Aufhebung der Mitgliedsrechte,
den Rat, die Austrittserklärung innerhalb 24 Stunden
einzureichen, erkennen. In Fällen schwerer Verfehlungen,
insbesondere bei Unbotmäßigkeit gegen den Ausbilder,
wiederholtem, unentschuldigtem Fernbleiben von Übungsfahrten,
Verstößen gegen Satz 11, 12, 16, 17 und 19 hat der
Vereinsführer das Recht, den sofortigen Ausschluss aus
dem Verein zu veranlassen, unbeschadet des Rechts des
Bestraften, die Entscheidung der Hauptversammlung
anzurufen. Etwaige Meldung beim Deutschen Ruderverband
bleibt vorbehalten.
Rüsselsheim, am 25. April 1937
Die Trainingsleitung
Georg von Opel (Vereinsführer) Fritz Brumme (Trainer)
Beginn des Trainings am 26. April 1937
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