In seinem Jahresbericht zur
Generalversammlung 1921 bezeichnet der 1.
Vorsitzende, Paul Nebelung, das Jahr 1920 als das
erfolgreichste seit der Gründung. 183 Namen sind Ende
des Jahres in der Mitgliederliste aufgezeichnet, somit
ein Zuwachs von 67 Mitgliedern im Jahr 1920. Um das Gesellschaftsleben
des Vereins zu verbessern, wird im "Rüsselsheimer
Hof" die erste Winterfestlichkeit veranstaltet.
"Der Rudersport" schreibt im Frühsommer des
Jahres über den Startplatz Rüsselsheim:
"Etwas abseits vom rudersportlichen Großbetrieb
wurde in Rüsselsheim am Main im Jahre 1908 der Rüsselsheimer
RV gegründet, welcher im Laufe der Jahre eine stille
aber gedeihliche Entwicklung genommen hat. In einer Stadt
von kaum 8000 Einwohnern mit einer arbeitlich
fluktuierenden Bevölkerung von fast gleicher Zahl ist
der Zustrom brauchbarer Ruderer kein allzu großer,
immerhin hat die Mitgliederzahl die Ziffer hundert überschritten,
von welcher fast die Hälfte als tatsächlich aktive
Ruderer anzusprechen ist. Sie setzt sich zusammen aus
kaufmännischen und technischen Angestellten der
Opelwerke und anderer industrieller Betriebe, aus den Söhnen
von Gewerbetreibenden, Lehrern der Realschule und
weiteren Kreisen der Bürgerschaft. Im Laufe der Jahre
hat sich der Betrieb gesteigert und ist nach guten
Vorbildern der Vervollkommnung näher gerückt. Ein schönes,
einfaches, auf dem hohen Maindamm gelegenes Bootshaus mit
genügender Anzahl guter Schulboote und
zweckentsprechender Viererrennboote, denen sich in
absehbarer Zeit ein Achter zugesellen soll, sichert den
Betrieb. Freundliche Unterstützung seiner Bestrebungen
findet der Rüsselsheimer RV bei den Inhabern des großen
Werkes, welchem Rüsselsheim seinen Weltruf verdankt und
welche als selbstausübende Sportsleute, seit frühester
Jugend im Rennbetrieb, die sportliche Betätigung zu würdigen
wissen und in diskreter Zurückhaltung sich der
Entwicklung des Vereins freuen. So bestimmt nicht der großindustrielle
Einschlag oder die Herrschaft der Intellektuellen die Tätigkeit,
sondern die bewegende Vereinskraft ergibt sich aus dem
Zusammenwirken gleichgeordneter Mitglieder und deren
Verantwortlichkeitsgefühl.
Die Tätigkeit der Mitglieder ist eine außerordentlich
rege, sie erstreckt sich eben an den Wochentagen auf den
Zeitraum zwischen 4.00 und 8.00 Uhr nachmittags, zu
welcher Zeit die Mannschaften die schnurgerade Strecke
von 2.000 m für ihre Übungen benutzen, welche den Anfang
der schleusenlosen 8 km langen Haltung bis zur Kostheimer
Schleuse bilden. Die diesjährigen Übungen verteilen
sich auf vier Mannschaften, wovon eine bereits im
Rennboot reife Leistungen in Mainz und Frankfurt geboten
hat, welcher nur der letzte Hauch zum Sieg fehlte, und
die noch gesteigert werden kann, wenn leichte technische
Unebenheiten geglättet werden. Zwei Mannschaften rudern
noch in Gigbooten und werden bei der Höchster Regatta
herauskommen, sie stellen den Nachwuchs und Ersatz für
spätere Zeit dar und die Ergänzung für den erwarteten
Achter. Eine Mannschaft Alter Herren vervollständigt den
Betrieb. Sie ist, einer nachträglichen Ausschreibung des
Mittelrheinischen Regatta-Verbandes Rechnung tragend, für
Höchst gemeldet worden, doch ohne Konkurrenz geblieben.
Die Ausbildung der Mannschaften liegt in den Händen des
Herrn Studienassessors Lehmann und des Herrn Paul
Nebelung, eines langjährigen Mitgliedes des Vereins und
dessen getreuer Eckart." |
Auf den Regattaplätzen in Mainz, Frankfurt und Höchst sowie
den internen Regatten in Mannheim, Griesheim, Mainz-Kastel und Worms vertreten die
Mannschaften des RVR die Farben des Vereins.
Der
RVR-Jungmann-Vierer in Höchst 1920, Sieger im Ermunterungsvierer
(Stm. Josef Linz, Otto Sechting, Peter Horle, Albert Meeser,
Friedrich Traiser) |
Nach guten Leistungen in Mainz, dann einer äußerst knappen
Niederlage gegen den Frankfurter RC von 1884 in Frankfurt kann ein
RVR-Vierer den ersten Rennbootsieg nach dem Krieg
erringen. Im "Ermunterungsvierer" der
Mittelrheinischen Regatta in Höchst treten 20 Vierermannschaften
zunächst zu 5 Vorrennen an. Der RVR-Vierer siegt in seinem Vorrennen
sicher und auch im Hauptrennen siegen Friedrich Traiser,
Albert Meeser, Peter Horle, Otto Sechting und Stm. Josef
Linz knapp vor der Hanauer RG. Im Trost-Gig-Vierer hat der RVR zwei
Mannschaften gemeldet, ein Boot mit Otto Steckermeier, Karl Bersch, Jean
Fuchs, Fritz Friedrich und Stm. Hugo Zimmer und ein Boot mit Joseph
Grass, Rudolf Holz, Fritz Sittmann, Adam Ihrig und St. Ludwig Hill, die
sich in einem 13-Boote-Feld beweisen wollen. Im Hauptrennen siegt das
RVR-Boot mit Schlagmann Ihrig, auf dem 4. Platz das RVR-Boot mit
Friedrich am Schlag. Zur Höchster Ruderregatta zitieren wir die "Main-Spitze":
"Bei der am
Sonntag in Höchst stattgefundenen 8. Ruder-Regatta des
Mittelrheinischen Regatta-Verbandes konnte der hiesige
Ruderverein zwei Siege mit nach Hause bringen. Nachdem die
Mannschaft Traiser, Meeser, Horle, Sechting, St. Linz schon bei
der Mainzer und Frankfurter Regatta sich als nicht zu
unterschätzender Gegner gezeigt hat, konnte sie am Sonntag in
Höchst den Jungmann-Vierer unter 20 Booten mit 1/5 Sekunde
Vorsprung vor Hanauer RG, Wormser RV, Offenbacher RV und
Frankfurter RC für sich entscheiden. Die Mannschaft Grass, Holz,
Sittmann, Ihrig, St. Hill fuhr im schönen Stil den
Trost-Gig-Vierer gegen 13 Konkurrenten nach Hause, nachdem sie
kurz vorher im Jungmann-Gig-Vierer sich gegen die vorzügliche
Mannschaft der Neuwieder RG mit 1/10 Sekunde nach überaus
scharfem Rennen geschlagen bekennen musste. Wir wünschen dem
Verein auch fernerhin so schöne Erfolge." |
Insgesamt werden auf den Regatten in Höchst, Mainz-Kastel, Griesheim und Worms 5 Rennsiege
errungen. Das Training der Ruderer liegt in den Händen von Josef
Dörrstein, Fritz Sittmann und Adam Ihrig.
Der
RVR siegt im Ermunterungsvierer in Höchst 1920:
Friedrich Traiser, Albert Meeser, Stm. Josef Linz, Peter Horle, Otto Sechting, Trainer Josef Dörrstein |
Mainz-Kastel
1920 nach dem Sieg im Senior-Gastvierer: Adam Ihrig, Fritz Sittmann, Stm. Friedrich Traiser, Rudolf Holz, Hugo Zimmer |
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Auf der
Mainzer Regatta: Albert Meeser, Peter Horle, Rudolf Holz
und Ludwig Linz |
Die Sieger
des Trost-Gig-Vierers der Höchster Regatta 1920 (Adam
Ihrig, Joseph Grass, Stm. Ludwig Hill, Rudolf Holz,
Fritz Sittmann) |
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Am Ende der Rudersaison, am
5. September, veranstaltet der RVR seine Interne Regatta.
Verbunden mit ihr ist die Taufe eines Rennachters, der von Fritz Opel
gestiftet wird und daher zu Ehren desselben den Namen "Fritz"
erhält. Auch ein neu erworbenes Motorboot erhält seinen Namen "Paul",
um die Verdienste des 1. Vorsitzenden Paul Nebelung zu würdigen. Da zum
Gastvierer sieben Vereine mit ihren Viererbooten gemeldet haben, muss
dieser in zwei Abteilungen ausgetragen werden.
Auch das Wanderrudern wird
1920 wie schon 1919 wieder gepflegt. So wird unter anderem eine
Ruder-Wanderfahrt auf Main und Rhein von Rüsselsheim nach Bonn
durchgeführt.
Insgesamt werden 1920 von 60 Ruderern 1.025 Fahrten mit 4.083
Bootskilometern ausgeführt.
Die meisten Fahrten haben 1920 zurückgelegt:
Adam Ihrig: 286 Fahrten, 1.006 km
Peter Horle: 239 Fahrten, 1.050 km
Albert Meeser: 237 Fahrten, 1.070 km
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Der Bootspark setzt sich zusammen aus:
3 Gig-Vierern: Eleonore, Viktor, Else
1 Rennvierer: Georg Friedrich
1 Rennachter: Fritz
2 Schulzweiern: Heinrich, Pfeil
1 Doppelzweier: Elva Pascha
1 Motorboot: Paul
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Heini Dambmann dichtet und widmet dem RVR 1920 ein Lied, zu
singen nach der Melodie "Heidelberg, du
Jugendbronnen":
"Preist den Neckar, singt vom
Rheine,
reißt Euch die Begeisterung fort,
singen wir von unserm Maine
und von seinem Rudersport.
Bist auch sonst Du unbedeutend,
sollst doch stets gepriesen sein:
: Altes Nest am stillen Maine,
unser Startplatz "Rüsselsheim".:
Auf des Dammes hoher Krone
seh' ich unser Bootshaus stehn,
drauf, umblaut vom Himmelsdome,
rot und weiß die Flaggen wehn.
Drinnen hör ich lautes Rufen,
höre Stimmen, frei und jung,
: 's ist der sportbeflissenen Jugend
freudige Begeisterung.:
Wenn wir in den Booten sitzen,
leicht den Riemen in der Hand,
hei, wie da die Augen blitzen,
jeder Muskel straff sich spannt.
An dem Arm ein frisches Mädel,
kommt der junge Sieger stolz,
: doch die ältern Herrn Passiven
gehen lieber mal zu Holz.:
Unsere Jugend zu erheben,
dass sie stolz – wie einst – und frei,
immer sei's das höchste Streben
in der deutschen Ruderei.
Unserm edlen Rudersporte
immerfort gehuldigt sei.
: Unser RVR, er wachse,
blühe weiter und gedeih!:"
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