Anzeige in der Presse |
Monatsschrift des RVR |
Aus dem "Goldenen Buch" des RVR |
Die geselligen Veranstaltungen des Jubiläumsjahres
beginnen am 26. Februar 1933 mit der traditionellen
Kappensitzung unter Präsident Friedebert Armbruster
("Graf vom Spitzbart") und Protokoller Ludwig
Hill ("Ritter vom hohlen Zahn"). Weiter gehören zum
Elfer-Komitee Oscar Schlieben, Rudolf Fritz sen., Otto Stopfer, Hugo
Armbruster, Adam Ihrig, Karl Pöppel, Karl Renker, Karl Hill und Georg
Petzold.
Das Programm beginnt mit "Pip" Friedrich Traiser in der
Friseurstube, seine Kunden sind Philipp Jung als "Lerche Jacob", Karl
Heuß als "Polizist Karl Scharfblick", Edgar Klein als "Hoffriseur
Saafeschaum" und Georg Franke als "Landstreicher alias Prinz Karneval".
Es folgt die Rede des Präsidenten, Friedebert Armbruster, dann der
Protokoller Ludwig Hill, dann Tilla Blüm und Maria Stiehl mit ihrem
Angriff auf die Männerwelt, dann eine Verteidigung der Männerwelt
und entsprechender Angriff auf die Damen durch Anton Streicher (ihm wird
der Drachentöter-Orden verliehen), es folgen Maria Armbruster und Aenne
Hill mit einem Puppentanz und die "Maaflinger" Albert Meeser und
Friedrich Traiser mit ihrem originellen und traditionellen Vortrag, ein
Höhepunkt.
Nach zwei Liedern und nach der Pause steigt Karl Renker in
die Bütt, dann Maria Stiehl und Aenne Hill als "Knacker Ede und Schieber
Grete", dann kommen sie, die beiden originellen "Marktweiber Gret und
Lies" (Anna Krämer und Pauline Vollmar) und dann kommt er, der schöne
Albert, der Licht- und Schattenseiten des Damenvierers beleuchtet
(Albert Meeser). Stürmischer Applaus! Es hält keinen "Komitäter" mehr
auf dem Stuhl, als die Gruppe mit Tilla Blüm, Maria Stiehl, Helma
Hummel, Maria Schäfer und Pauline Vollmar, "fünf fabelhaft gewachsene
Böppcher" mit Gesang, Tanz und Saxophongeblase Begeisterungsstürme
auslöst.
Vor der Dankes- und Abschiedsrede des Präsidenten kommt dann
noch ein Höhepunkt, "Tanz mit Ulrike", der noch niemals überbotene Edgar
Klein führt seine in Freiheit dressierte Ulrike vor. Sausen, Brausen,
Tränen in den Augen!!! Nicht vergessen werden soll die unermüdliche
Hauskapelle "Die 5 fidelen Rivellers" mit Dirigent Willi Reitz.
Kappensitzung beim Ruderverein
Rüsselsheim 1933 |
RVR-Hockeydamen vor
dem Rudern am Bootshaus (hinten: Wilhelmine Loos, Lotte Jurich,
..., ...; vorn: ...) |
Die wachsende Arbeitslosigkeit führt auch im sportlichen
Bereich, insbesondere in der Hockeyabteilung, zu Einschränkungen.
Eine Jugendmannschaft kann man sich nicht leisten. Dennoch spielen in
der Spielzeit 1932/33 drei Herrenmannschaften und eine Damenmannschaft.
Diese nimmt sogar
am großen Kreuznacher Oster-Hockeyturnier teil, bei dem insgesamt etwa
60 Spiele ausgetragen werden. Mittlerweile
spielen im RVR etwa 50 Damen Hockey.
Bei der Hockey-Hauptversammlung
Ende August wird Herbert Schmelter zum Abteilungsleiter gewählt, Carl
Nebelung wird sein Vertreter, außerdem Spielführer und Kassierer, Georg Schmitt
wird Schriftführer, Wilhelm Reinheimer ist zuständig für Propaganda und
Sonstiges und Tilla Blüm vertritt die Damenabteilung. Gegen Ende
des Jahres 1933 wird ein Pachtvertrag mit der Stadt
Rüsselsheim geschlossen, so dass dem RVR ab Januar 1934 das alleinige Benutzungsrecht des
Hockeyplatzes am Sommerdamm für sportliche Zwecke zusteht.
|
|
Damenmannschaft
des Rudervereins Rüsselsheim
1933 beim Kreuznacher Oster-Hockeyturnier (hinten: Anni Saar, Else Lohaus, Maria Schäfer, Erika Wagner, Lotte Jurisch, Jula Schmitt,
Anni Martin, (?), Tilla Blüm;
vorn: Ellinor Nebelung) |
|
Das traditionelle
Anrudern und Anpaddeln
der benachbarten Rudervereine wird am 7. Mai 1933 gemeinsam mit dem
Flörsheimer Ruderverein, dem Hochheimer Ruder-Verein 1921, dem
Ruder-Club Raunheim und der Rudergesellschaft Undine 1919 in
Rüsselsheim veranstaltet. Trotz Regenschauern und heftigem Wind mit
starkem Wellengang auf dem Main nehmen eine recht stattliche Zahl von
Booten an der Auffahrt teil, jedoch Zuschauer sind nur recht spärlich
erschienen. Der Tag wird beim RVR beschlossen durch ein gemütliches
Beisammensein im Bootshaus mit Trainingsverpflichtung der Ruderer.
Kurz vor dem Anrudern beim
RVR schreibt der "Wassersport" über das Jubiläumsjahr einige Worte:
Der junge
Skuller Georg von Opel (rechts) in England zusammen mit den
Phelps-Brüdern Ted und Eric |
Größer als sonst
sind die Aufgaben, die der RV Rüsselsheim in diesem Jahre zu
erfüllen hat. Die offizielle Rudersaison beginnt mit dem
Anrudern am 7. Mai, das wieder in Gemeinschaft mit dem
Flörsheimer RV veranstaltet wird. Am gleichen Tage findet die
Verpflichtung der für das diesjährige Training vorgesehenen
Jungmannen statt, aus denen Ruderwart Traiser neben dem Vierer
auch einen Achter zu komplettieren hofft. Größer ist die Zahl
der Schüler-Ruderer, die wieder der Obhut des Jugendruderwarts
Fritz Brumme anvertraut sind. Brumme, der mit seinen während
eines vierwöchigen Aufenthalts in Henley und London gemachten
Beobachtungen und Erfahrungen im englischen Rudersport seinem
Kameraden Traiser eine willkommene Stütze ist, hatte in den
letzten Jahren mit seinen Jugendruderern beste Erfolge zu
verzeichnen. Unter den 16 Schülern, die in Kürze mit den
regelmäßigen Übungen beginnen werden, stehen acht aus dem
Vorjahre zur Verfügung, zumeist recht gut ausgebildete und vor
allem körperlich kräftige junge Leute, die ihren ersten
diesjährigen Start im Vierer und Achter auf der Heidelberger
Jugend- und Schüler-Regatta absolvieren werden. Der bekannte
frühere Skuller Emil Zogbaum nimmt sich der Ausbildung der
rudernden Vereinsdamen an, die, je nach der Entwicklung ihres
Könnens, sich im Herbst in einem Rennen versuchen werden. Mit
allen Ruderern ist in den Wintermonaten eifrig im Ruderbecken
gearbeitet worden ein Teil hat sich auch dem im RV Rüsselsheim
in Blüte stehenden Hockeysport gewidmet. ‒ Es gilt auch, im
Herbst das Silber-Jubiläum des Vereins zu feiern und außerdem am
27. August die 10. Mittelrheinische Herbst- und 5. Jugend- und
Schüler-Regatta zu veranstalten. Die Herbstregatta als solche
wird 13 Rennen umfassen. |
Georg von Opel bereitet sich, wie schon
im Vorjahr, in England unter Trainer Eric Phelps auf große
Aufgaben im Einer vor und startet Anfang Juli bei den "Diamond
Sculls" in Henley. Der in England studierende Georg von
Opel vertritt hier die Farben des Thames Rowing Club London und
gewinnt seinen ersten Vorlauf auf der 2.200-Meter-Strecke gegen seinen
Klubkameraden Fidler leicht in 8:45 Minuten. Im zweiten Rennen
verzeichnet der Rüsselsheimer einen weiteren schönen Erfolg gegen den
französischen Meister Vincent Saurin, den er in einem sehr schweren Rennen in
der Zeit von 8:31 Minuten, der schnellsten Zeit aller Vorläufe, knapp
mit einer Drittellänge Vorsprung besiegen kann. In der Vorentscheidung
um den Einzug ins Finale trifft Georg von Opel auf Warren, Cambridge,
und muss sich hier einem überlegenen Gegner klar geschlagen geben.
Hier ein Bericht vom Vorrennen Georg von Opels gegen den
Franzosen Vincent Saurin in Henley 1933, der viele Jahre später
aus der Erinnerung geschrieben wird: |
"Sie müssten Henley kennen",
sagt Georg. Der blonde, im langen Training hartgewordene
Mann sprüht aus beiden blauen Augen, wenn er vom Rudern
spricht. "Henley ist der Höhepunkt unserer großen
Kämpfe. Trotz Olympia, trotz Europameisterschaft und
allem sonstigen. Henley, das ist eine der historischen Stätten
in England, dem Mutterland des Sports."
Sie sagten damals zum einundzwanzigjährigen Opel, er
solle vor allem auf Saurin achten, den starken französischen
Meister. Eric Phelps, der Trainer des Deutschen, hatte
Georg langsam aufgebaut. Langsam ? Georg lächelt. Ihm
graut es heute noch, wenn er daran denkt, was alles
damals von ihm verlangt wurde. Wenn er sich später
erneut auf große Kämpfe vorbereitete und Fritz Brumme
ihn mit leichterer Hand führte, als es der in seinen
Anforderungen so viel härtere Engländer tat, dann weiß
Opel, dass in Henley die Grundlage seiner Kampfkraft
gelegt wurde.
Aber er will von den Diamond-Sculls in Henley 1933 erzählen.
"Man muss Henley erst studieren" sagt Georg.
"Das ist – ja mein Gott! – wie soll man das
beschreiben? Die Hitze sengt und die liebliche Landschaft
lockt. Das ganze Ruderfest verwirrt zunächst. Die
gewaltige Tradition belastet."
Eric Phelps sagt: "Georgie, wenn Du gegen Saurin
bestehst, dann ist alles gut, er ist der Stärkste."
Er ist stark. Heute noch empfindet Opel diesen Mann als
den furchtbarsten Gegner, den er je gehabt hat. Ein
mittelgroßer Franzose, dunkelhaarig, mit geradegezogenem
Scheitel in der Mitte, ein lustiger Pariser, aber mit der
gallischen Zähigkeit, die manchmal unerwartet
herausbricht und alle Vorurteile von den schnell
ermattenden Franzosen Lügen straft.
Georg von
Opel 1933 |
Als sie an den Start gehen, zwinkert Saurin dem
Deutschen zu.
"Georges, en avant aujourd´hui. Nous verrons."
"Ja, wir werden sehen", denkt auch Georg. Der
Franzose ist zwei Jahre älter. Er gilt in jenem Jahr als
Favorit in Henley. Und Opel – ja, er spürt seine
heraufwachsende Form. Er weiß, dass er einen großen
Willen besitzt, dass er langsam ins Rennen kommen, auch
"hinhalten" kann, wie man so sagt. Phelps hat
vorher eindringlich darauf hingewiesen, dass Opel gleich
mit "fortgehen" müsse. "Nur nicht
wegziehen lassen, den temperamentvollen Mann, Georgie.
Immer an ihm bleiben, ja sehen, dass Du vor ihn kommst.
Denn nur dann kannst Du ihn beobachten, kannst Du abwägen,
was er in sich hat." Opel lächelt etwas hilflos.
Der Tag ist warm und blau. Das Hügelland um die Themse
steht wie eine schöne Theaterkulisse um die Kämpfe. Die
Menschen am Ufer fluten hin und her. Die Schleusen am Fluss
sind heruntergelassen. Man liegt im ruhigen Wasser. Ja,
ein wenig, ganz wenig Gegenstrom ist zu spüren. Man muss
Henley kennen, um zu wissen, wie das ist. Der große
Buhtz könnte davon berichten, dem die Strecke so gut lag,
der Berliner, der am Wannsee ähnliche Ruderverhältnisse
hatte und der wahrhaftig ein Mann der Weltklasse war. Er
gewann zweimal die Diamond-Sculls, 1932 und 1934. In
diesem Jahr, von dem hier die Rede ist, ist er nicht am
Start.
Georg denkt: Ich muss mich an den Franzosen klammern. Ich
kann nicht weit vorausplanen. Gegen diesen Gegner muss
ich mich auf die Intuition des Augenblicks verlassen.
Alle Taktik hilft hier nichts. Ich muss auf meine Kraft
vertrauen und auf mein Glück. Wenn die Auslosung gleich
zwei der aussichtsreichsten Männer gegeneinander wirft,
im Vorrennen schon, dann hört jedes Rechenexempel auf.
Wie immer, wenn es um die große Entscheidung im Sport
geht. Die 2.000 Meter der Skullerrennen in Henley dauern
bei den Besten kaum acht Minuten. Aber was sind das für
Minuten!
Und während uns Georg von Opel weiter von Henley erzählt,
fragt er plötzlich: "Weiß man eigentlich, was jene
Minuten für die Männer bedeuten, die in ihren Booten
wie festgeschmiedet um die höchste sportliche Bewährung
ringen." Opel schweigt. Er ist amerikanischer und
kanadischer Meister. Er hat die Serie der Kämpfe gegen
den älteren und so riesenhaft starken "Gummi"-Schäfer
bestanden, den Olympiasieger. Er wurde 1947 nach zwanzigjähriger
aktiver Laufbahn deutscher Meister. Aber jedes Mal, wenn
dieser Kampf gegen Saurin in ihm wach wird, dann kommt
über sein Gesicht der Ausdruck einer furchtbaren
Anstrengung. 'Es war mein schwerster Kampf."
Er geht natürlich los wie ein Pfeil, der Pariser. Georg
hängt sich an ihn. Er denkt nach einigen hundert Metern,
dass er es vielleicht bis tausend aushalten könnte. Nur,
an Saurin heranzukommen, vermag er nicht. Furios, mit
langem schnellem Schlag, geht der Pariser los. Wie
schnell ist er! Wie stark muss er sein!
Aber ein Ruderrennen ist wie jeder Wettkampf, bei dem es
um die Spitze geht, erst im Ziel entschieden. Noch halte
ich mit, denkt Georg. Ich muss ihn nur nahebei hören.
Ich muss immer denken, auch er ist keine Maschine, auch
in ihm geht ähnliches vor wie in mir. Die Sonne sticht.
Opel hört die Zuschauer schreien, reden und rufen. Ja,
da radelt auch fünfzehn Meter von ihm entfernt in diesem
lieblichen Themsetal sein Trainer Eric Phelps auf dem
Fahrrad dahin. Er winkt, er nickt, er hat ein
zuversichtliches Gesicht.
Also macht er es richtig, er, Georg von Opel, der heute
gegen den Favoriten von Henley, gegen den Franzosen Saurin, im Einer anrudert. Die englischen Blätter haben
gemeint – egal, was sie gemeint haben, Opel schaut um. Eineinhalb Längen liegt der Franzose vor ihm. Also näher
heran. Er weiß von sich selbst, dass er noch tausend
Metern immer noch "da" ist. Aber es zehrt, es
zehrt. Schon ist, wie er es nennt, die " normale
Kraft" dahin.
Georg aus Rüsselsheim wirft einen Blick nach oben in
den blauen Himmel. Der Schweiß perlt ihm von der Stirn,
blendet schon in die Augen hinein. Sein Herz pocht stark,
sein sonst so unbeirrbar ruhiges Herz. Aber dennoch: Mag
der Phelps auch wieder beruhigend winken, bis tausend
Meter will er mithalten. Ja, in dem Gefühl, sich diese
Grenze gesteckt zu haben, wagt er jetzt sogar einen
Vorstoß.
Die aktiven RVR-Ruderer vor der Bootshalle östlich des
Gesellschaftshauses auf dem Maindamm 1933 |
"Schneller Schlag, Georg, ruhig und wuchtig
durchziehen, wie du es gelernt hast", sagt er zu
sich selbst. Georg wendet den Kopf zur Seite. Die tausend
Meter nähern sich. Der Trainer Phelps gibt kein Zeichen,
schaut sogar seltsam starr vor sich hin. Französische
Rufe erschallen: "Saurin, Saurin tiens, en avant!"
Und nach diesem Zwischenspurt merkt der deutsche Ruderer
Georg von Opel, dass der Franzose Saurin im genau gleichen Abstand vorne
liegt wie bisher – eineinhalb
Bootslängen, also zwölf Meter, lange zwölf Meter.
Georg blickt zum Ufer: "Eric ..." will er
rufen. Aber es gelingt ihm kein Wort. Der Phelps versteht
auch so. Er mahlt mit den Kiefern, den harten
energiegeladenen Kiefern.
Eric, selbst ein großer Skuller, kennt kein Aufgeben. Er
reißt das Sprachrohr an den Mund. Und jetzt tut der
Trainer Eric Phelps etwas, was Georg heute noch nicht
begreift. Nie hat er von diesem Trainer ein falsches, ein
bluffendes Wort gehört.
"Georgie", ruft Phelps, "go on – he is tired." Mach weiter! Mein Gott, ob er weitermachen
kann? Aber wie? Der große Saurin soll müde sein wie er,
Georg von Opel, der gar nicht weiß, wie er sich noch
vorwärts bringen soll, dessen Körper ausgeleert ist,
dessen Arme nur noch wie zwei mechanische Hebel
weiterschwingen? Saurin müde? Aber wenn Eric das sagt,
muss es stimmen. Der starke Franzose lässt nach? Oh,
Eric, wenn das wahr ist, dann spürt ja auch der andere
etwas von der Grenze, dann hängt auch ihm der dicke
Panzer der Ermattung über allen Gliedern.
Und Georg von Opel reißt alles in sich zusammen. Er
buchstabiert laut vor sich hin: Jetzt – machst – du
zwanzig – harte – Schläge ... Und siehe da, sein Körper
gehorcht. Das Opelsche Boot fliegt vorwärts. Plötzlich
liegt es Bord an Bord mit dem des Franzosen. Der schaut
seitwärts, sein Scheitel ist auseinandergefallen, sein
Blick ist wirr. Georg sieht das alles wie in Trance.
Jetzt jagen sie nebeneinander vorwärts. Gäbe einer auf,
wenn er ein Sportsmann ist und neben seinem Gegner liegt?
In jener Klasse, zu der die gehören, die an diesem Tag
in Henley kämpfen, gibt es jetzt kein Aufgeben mehr.
Eric radelt neben den beiden. Saurins Trainer hält an
seiner Seite. Beide schmettern in ihre "Blashörner",
ihre Sprachrohre.
Die Menschenmenge, hier zum Ziel hin dicht auf den Tribünen
hochgestaffelt, ruft, schreit und gellt; die Ruderer,
ineinander verbissen, nebeneinander liegend, hören
nichts, vernehmen nichts, sehen nur den flackernden
Lichtschein der Sonne. Aus dem brodelnden Lärm heraus hört
Opel noch einmal Phelps Ruf: "Spurt, Georgie, Spurt!"
Es ist das gewohnte Wort, dem Georgs Ruderorganismus,
ohne zu denken, zu folgen gewohnt ist. Sein Körper reckt
sich unter der Weisung. Der Wille hat nichts mehr damit
zu tun.
Aus dem Unbewussten reißen die Arme, und jetzt federt
noch einmal der Körper, und jetzt zieht das Boot langsam,
langsam an dem des Franzosen vorbei. Nie wird Georg den
Blick Saurins vergessen, den jäh erstaunten Blick eines
Mannes, der geschlagen wird und es nicht verstehen kann.
Ein sieggewohnter Ruderer schaut mit glasigem Auge, wie
einer vor ihm ins Ziel fährt. Zentimeter um Zentimeter.
Noch steht der Ruf des Eric Phelps in der Luft: "Spurt,
Georgie Spurt!" Dann ist die Ziellinie da und hart sinkt ein Mann, der
zwei Meter vor einem gewaltigen Gegner gesiegt hat, ausgebrannt
und wie erloschen nach vorn. Und weiß lange nicht, wie ihm
geschieht.
|
Am 29. und 30. Juli 1933 kann der RVR sein 25jähriges
Jubiläumsfest feiern. Die akademische Feier, zu
der der 1. Vorsitzende, Friedebert Armbruster, Mitglieder,
Gäste und Vertreter befreundeter Vereine begrüßen kann,
nimmt einen würdigen Verlauf. Musikstücke und
Gesangsvorträge leiten zur Festrede über, die Ludwig
Hill über die Entstehung des Rudervereins hält. Durch Einweihung einer Gedenktafel ehrt der RVR seine Toten.
|
|
Die
RVR-Aktiven im Jahr des 25jährigen Jubiläums 1933 (hinten:
Karl Prior, Richard Trapp, Ludwig Traiser, Hans Mietzschke,
Fritz Brumme, Heinrich Schick, Wilhelm Reinheimer, Otto Grimm,
Heinrich Berner, ..., Helmut Römer, Marcel Schopfer, Karl Saar,
Edgar Klein, Philipp Jung, Heinz Bauermeister; davor: Ludwig
Brumme, Emil Zogbaum, Liesel Schmelter, Herbert Schmelter,
Gotthard Roßbach, Karl Heuß, Wilhelm Heil, Karl Schömbs,
Jakob Wagner, Karl Büdel, Karl Sauer, Josef Saar, Karl
Pöppel, Erich Sauer; davor: Ella Wallner, Alfred Bauer,
Margit Imboden, Maria Schäfer, Liesel Wagner, Liesel Schwarz,
Lisbeth Schäfer, Helen Schmitt, Grete Mietzschke, Liesel
Müller, Kätha Kraft, Helma Hummel, Erika Wagner, Lotte
Jurisch, Klara Pfisterer, Heinz Hummel, Gretel Press, Herta
Durhold; vorn: ..., Gustav Eichwald, Paul Diehl, Carl
Nebelung, Adam Ihrig, Friedebert Armbruster, Friedrich Traiser,
Richard Baer, Dr. Theo Brand, Hans Knoll) |
|
Am kommenden Tag zeigen Ruderer und
Paddler in einer großen Auffahrt, dass der RVR die
Tradition der ersten 25 Jahre hochzuhalten gewillt ist.
Zum Abschluss findet ein Beisammensein der Ruderfamilie
im Bootshaus statt. Als besonderes Jubiläumsgeschenk
teilt Georg von Opel seinem Verein in einem Telegramm mit,
dass er in Toronto Kanadischer Meister über die
Kurzstrecke (1/4-Meile) wurde und dabei den kanadischen Meister und Diamond-Sculls-Sieger,
Joe Wright, mit einer Viertellänge
geschlagen hat. Mit diesem großartigen Erfolg hat sich
Georg von Opel in die Spitzenklasse der Skuller geschoben.
|
RVR-Schülerachter im Jahr 1933,
Sieger in Heidelberg und Mannheim, im Einer Trainer Fritz Brumme
(Stm. Josef Saar, Edgar Klein, Wilhelm Reinheimer, Hans
Mietzschke, Karl Schömbs, Rudolf Fritz jr., Hermann Kremmler,
Heinrich Berner, Hans Knoll) |
|
|
Der
RVR-Schülerachter 1933 (Emil Zogbaum, Trainer Fritz Brumme und die
Mannschaft mit Hermann Kremmler, Edgar Klein, Hans Mietzschke,
Wilhelm Reinheimer, Karl Schömbs, Rudolf Fritz jr., Hans Knoll, Stm. Josef
Saar, Heinrich Berner) |
RVR-Ruderer
beim Reparieren des Bootssteges unterhalb des Bootshauses im Jahr
1933, im Hintergrund die Opel-Brücke |
Die Schüler des RVR sind, wie schon im Vorjahr, das
rudersportliche Aushängeschild. Nach drei Vierersiegen
in Koblenz und Heidelberg startet der Schülerachter,
gegenüber dem Vorjahr aus Altersgründen auf zwei Plätzen
umbesetzt, in Heidelberg und Mannheim. Beide Rennen
werden gegen süddeutsche Spitzenmannschaften siegreich beendet, so daß der Achter
in der Besetzung Hans Knoll, Heinrich Berner, Hermann Kremmler, Rudolf Fritz
jr., Karl Schömbs, Hans Mietzschke,
Wilhelm Reinheimer, Edgar Klein, Stm. Fritz Brumme auch 1933
ungeschlagen bleibt. Zur Mannheimer Regatta zitieren wir die
"Main-Spitze":
"Nach dem
knappen Sieg am Sonntag in Heidelberg wurden die Aussichten in
Mannheim allgemein nicht sehr günstig beurteilt. Die
süddeutschen Verbandsvereine setzten alles daran, um den
Siegeslauf des Schülerachters Knoll, Berner, Kremmler, Fritz,
Schömbs, Mietzschke, Reinheimer, Klein aufzuhalten und man
rechnete mit einem äußerst harten Kampf. Aber der Trainer Brumme
hatte richtig gerechnet und die Leistungsfähigkeit seines
Achters bis zur Höchstform gesteigert. Fünf Achter bildeten das
Feld, und zwar Mannschaften aus Ludwigshafen, Mannheim,
Heilbronn, Würzburg und Rüsselsheim. Die auf einen harten Kampf
gerechnet hatten, kamen voll auf ihre Kosten, denn die vier
Mannschaften außer Rüsselsheim lieferten sich einen
Bord-an-Bord-Kampf über die ganze Strecke. Der Rüsselsheimer
Achter aber fuhr mit zwei Längen Vorsprung vor dem Felde mit
ruhigem langem Schlag allein sein Rennen nach Hause. An einen
derart überlegenen Sieg hatten selbst die größten Optimisten
nicht geglaubt und der Ruf des RVR, den besten süddeutschen
Schülerachter zu besitzen, ist wohl nicht mehr zu erschüttern." |
Am 19. und 20. August 1933 richtet der RVR zum dritten Mal eine Regatta des
Mittelrheinischen Regatta-Verbandes aus, die 10.
Herbstregatta verbunden mit der 5. Jugend- und Schülerregatta. Es
beteiligen sich 24 Vereine mit 53 Booten und 264 Ruderern.
Hier und 14 Tage später in Frankfurt können die
Senioren des RVR zeigen, was in ihnen steckt, und jeweils
den Herbstvierer und den Herbstachter mit der Mannschaft Karl Heuß, Jakob
Wagner, Gotthard Roßbach, Heinrich Schick, Wilhelm Heil,
Marcel Schopfer, Emil Zogbaum, Helmut Römer und Stm.
Friedrich Traiser für sich entscheiden.
Die Sieger
im Herbstvierer der Rüsselsheimer Regatta 1933 Helmut Römer,
Gotthard Roßbach, Marcel Schopfer und Karl Heuß |
Der RVR-Achter mit
Karl Heuß, Jakob
Wagner, Gotthard Roßbach, Heinrich Schick, Wilhelm Heil,
Marcel Schopfer, Emil Zogbaum, Helmut Römer und Stm.
Friedrich Traiser im Herbstachter der Rüsselsheimer Regatta 1933 |
Hier ein Pressebericht zur Rüsselsheimer Regatta:
Anzeige in der "Main-Spitze" am 19. August 1933
anlässlich
der in Rüsselsheim stattfindenden Herbst-Regatta des
Mittelrheinischen Regatta-Verbandes |
"Wie bereits an anderer Stelle berichtet,
wurde am vergangenen Sonntag die 10. Herbst- und 5.
Jugendregatta des Mittelrhein-Regatta-Verbandes vom
Ruderverein Rüsselsheim durchgeführt. Den Rüsselsheimer
Rennmannschaften waren hierbei nur teilweise Erfolge
beschieden.
Bei der Jugendregatta, die am Vormittag bei
guter Witterung stattfand, konnte der Anfänger-Vierer (Hummel,
Grams, Bauermeister, Dinger; Steuer: Zogbaum) als leichteste Mannschaft
hinter der bedeutend schwereren Mannschaft des Frankfurter
Ruderclubs zweites Boot werden. Für den ersten Start bestimmt
ein gutes Abschneiden. Die nachmittags ausgetragenen Rennen
wurden unter den denkbar ungünstigsten Wasserverhältnissen
gefahren. Besonders die letzten 300 Meter der Strecke stellten
an die Ruderer die größten Anforderungen.
Leider konnte die Schülermannschaft, die auf dieser Regatta den
Sprung in die Jungmannklasse gemacht hat, ihre Erfolgsserie
nicht fortsetzen.
Die körperlich bedeutend stärkeren Saarbrücker konnten
gegen den starken Gegenwind besser ankommen und siegten
in beiden Rennen über die Rüsselsheimer Vertretung.
Auch Brumme, der sich im Einer versuchte, litt unter dem
starken Wellengang und konnte von Glück sagen, dass er
überhaupt über die Strecke kam. Der bekannte Senior
Leber von der Kasteler Ruder-Gesellschaft, der für die
Binger Ruder-Gesellschaft startete, konnte dieses Rennen
gewinnen.
Die Damenmannschaft (Mietzschke, Hummel, Jurisch, Durhold; Steuer: Schmitt) konnte bis 500 Meter
die Spitze des Feldes behaupten, jedoch Oppenheim hatte
den günstigeren Start und konnte im ruhigeren Wasser der
rechten Mainseite das Rennen für sich entscheiden.
Die
Senioren des Ruder-Vereins Rüsselsheim konnten jedoch
ihre beiden Starts zu Siegen gestalten. Im ersten Herbst-Vierer
siegte die Mannschaft Heuß, Schopfer, Roßbach, Römer;
Steuer: Traiser über Wiesbaden-Biebrich, Mainzer Ruder-Verein
sowie Höchst und Eltville, die bereits im Vorrennen
unterlagen. Das schönste Rennen des Tages war der Herbst-Achter.
Mainz wollte den Wanderpreis endgültig gewinnen, aber
der Ruderverein Rüsselsheim sich hier auf heimischen
Gewässern nicht geschlagen bekennen. Mainz führte auch
vom Start weg bis 1.000 Meter, aber die Rüsselsheimer
Acht ruderten mit langem, wuchtigem Schlag, der auch zum
Erfolg führen musste. Mit Schrecken dachte man an das
aufgewühlte Wasser der letzten 300 Meter. Aber der
Siegeswille der Rüsselsheimer warf die im ruhigeren
Wasser fahrenden Mainzer zurück, und unter stürmischen
Zurufen der zahlreichen Zuschauer konnte der Ruderverein
Rüsselsheim als Erster das Ziel erreichen. Die
Mannschaft ruderte in der Besetzung Heuß, Wagner, Heil,
Schick, Roßbach, Schopfer, Zogbaum, Römer; Steuer: Traiser.
Ein gemütliches Beisammensein am Abend bildete
den Abschluss des Tages." |
Die letzte Regatta des
Jahres ist die Herbstregatta in Frankfurt. Da der Schülerachter
bereits aus dem Training entlassen ist, wird vom RVR nur für den
Herbstvierer und den Herbstachter gemeldet. Gegner im Herbstvierer
sind die Frankfurter RG Germania und der Frankfurter RV 1865.
Unangefochten kann der RVR-Vierer mit Heuß, Schopfer, Roßbach, Römer
und Stm. Klein dieses Rennen nach Hause fahren. Im Achter hat nur die
Frankfurter RG Germania gemeldet, die dann auch noch abmeldet, so dass
sich der RVR diesen Sieg im Alleingang sichern muss.
Nach Beendigung der Rudersaison lädt Richard Trapp zusammen mit
der Ruderleitung
alle Aktiven aus Anlass seiner Hochzeit zu einem Junggesellen-Abschied in
Form eines Landsknechtsabends besonderer Art ein.
Eine Vorbesprechung bringt viel Verheißungsvolles an den Tag. Jeder
Knappe und Ritter bemüht sich dann, an dem Abend in einem möglichst
naturgetreuen Kostüm mit dem erforderlichen Riesendurst und
Riesenhunger, bewaffnet mit einem Schwert und einem Humpen, zu
erscheinen. Wer nun gedacht hat, die ganze Sache steigt im Bootshaus,
der wird angenehm enttäuscht. So stillos ist der "Richard" und sein
heimatkundebewanderter Helfer "Pipo von Rauharsch" nicht. In
feierlichem Zug "mit Trommelspiel und Pfeifen viel" ziehen die "frumben"
Landsknechtfähnlein, beladen mit einem Stuhl, in die Festung ein. Die
bierdurstigen Gesellen verschwinden tief in den Kasematten, wo schon
ein Fass bereitsteht, um Labung zu gewähren. Fackeln geben düsteres
Licht und wilde Bärte verfangen sich in den tiefgründigen Bierhumpen,
verheddern sich in Fleischwurst und Senf. Manch kernige Rede wird
geschwungen, darunter auch der Begrüßungsspruch des Schildknappen von
"Götz von Berlichingen". In Althochdeutsch werden die Reden zwischen
den "Officiers" und den "Knechten" geführt, welche meist umschriebene
Regattaerlebnisse behandeln. Feierlich wird der Ritterschlag an allen
Knappen vorgenommen. Bis in die tiefe Nacht hinein dauert das
fröhliche Treiben in dem düsteren Gewölbe. Einem "On dit" zufolge soll
sogar in früher Morgenstund' noch ein Raubzug in den friedlichen
Straßen von Rüsselsheim stattgefunden haben.
Eine Silvesterfeier verbunden
mit der Siegesfeier für die erfolgreichen Ruderer des Jahres 1933 im
Bootshaus beschließt beim RVR das Jahr.
|
|
Erste, auf Einladung von Richard Trapp (links) mit dem RVR
veranstaltete Burgkneipe
im Jahr 1933 in den Gewölben der Rüsselsheimer Festung
|
|
|