Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Brit Scherer

Brit Scherer (re.) mit der Familie der Schulfreundin vor dem Fluchtversuch über die ungarische Grenze

 

 

 

 

 

Vögel fliegen über die Mauer

Brit Scherer wagt 1989 die Flucht über Ungarn und landet in Rüsselsheim

Von Eva Bender (aus "Main-Spitze" vom 6. Oktober 2014)
 

Mit 23 Jahren fängt für die meisten jungen Menschen das Leben gerade erst an. Als Brit Scherer 23 Jahre alt ist, steht sie in einer Sackgasse. "Ich hatte das Gefühl, in einem Käfig zu sitzen", erklärt sie. Das war 1986. Der Käfig, in dem sie sitzt, ist die DDR. Brit Scherer lebt damals in Frankfurt an der Oder, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Nach einer Maurer-Lehre und einem Tiefbau-Studium in Berlin, arbeitet sie als Bauleiterin für eine Wohnungsbaugesellschaft. "Ich hatte alles: einen Beruf, eine Wohnung, ein Auto und einen Fernseher. Was ich nicht hatte, war die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln", sagt sie. Und ihr ist klar: Solange sie in der DDR lebt, möchte sie keine Familie gründen. "Denn ich wollte auf gar keinen Fall, dass meine Kinder vom Staat erzogen werden."

Ausreiseantrag abgelehnt

Von einer ihrer Baustellen, direkt an der Berliner Zonengrenze, blickt sie auf die Mauer. "Jeder Vogel darf darüber fliegen", denkt sie. "Kann uns diese Mauer wirklich trennen?" Brit Scherer entscheidet, ihre Zukunft im Westen zu suchen. Sie stellt einen Ausreiseantrag. Er wird abgelehnt. Danach hat sie der Staat im Visier.

Obwohl sie DDR-Meisterin im Orientierungstauchen ist, darf sie nicht mehr an Meisterschaften teilnehmen. "Das war ein harter Schlag", erzählt sie. Um der Gefangenschaft im eigenen Land zu entkommen, stellt sie einen Antrag auf Ausreise nach Ungarn. "Für mich war das ein Test", sagt sie. "Ob ich überhaupt noch herauskomme aus der DDR. Ob ich noch ein Visum bekomme."

Sie bekommt das Visum. Mit Kompass und Taucherflossen im Gepäck, reist sie 1989 nach Ungarn. Zufällig trifft sie dort eine Schulfreundin und deren Familie. Gemeinsam wollen sie die Flucht über die Grenze wagen. Im Sommer 1989 stehen sie gemeinsam an einem Feldweg in der Nähe des ungarischen Sopron, tragen selbst gebastelte "Tarnkleidung" aus Schlafsäcken.

Die Gruppe wartet auf die Dunkelheit, dann laufen sie los – in Richtung Österreich. "Wir haben die Jubelschreie schon gehört, von denen, die vor uns die Grenze überquerten", erzählt Scherer. Dann der Schock: Während sich die Gruppe noch durch das Buschwerk kämpft, tauchen ungarische Grenzschützer auf und nehmen Brit Scherer und ihre Begleiter fest. "Sie brachten uns in eine Kaserne", sagt Scherer. "Das war der einzige Moment, in dem ich Angst hatte."

Doch Brit Scherer wird nicht zurück in die DDR geschickt. Stattdessen landet sie mit ihren Freunden in einem Malteser-Zeltlager in der ungarischen Hauptstadt Budapest. "Nach drei Wochen kam dann ein deutscher Staatssekretär zu uns in das Lager", berichtet Scherer. "Er begrüßte uns mit: 'Liebe Landsleute' – noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke."

Am 13. August 1989 dürfen die Flüchtlinge über Österreich in die BRD ausreisen. Brit Scherer kommt bei Freunden ihrer Eltern in Idstein unter. Ihre ersten D-Mark investiert sie in einen Friseurbesuch und ein Kofferradio. Schon nach zwei Wochen im Westen findet sie einen Job im Autobahnamt in Frankfurt. "Ich hatte Angst, dass meine Kenntnisse nicht ausreichen", sagt sie. "Aber das war unbegründet." Im Herbst 1989 wagen zunächst ihre ältere Schwester, dann die Eltern die Flucht über Ungarn. Noch vor dem Fall der Mauer sind sie im Westen wieder vereint.

Auch den geliebten Vereinssport nimmt Scherer wieder auf, lernt beim Badminton ihren heutigen Ehemann kennen und zieht zu ihm nach Rüsselsheim. Hier arbeitet sie seit 1992 im Tiefbauamt. Das Paar hat drei Kinder. "Ihnen habe ich von meinem Leben in der DDR erzählt", so Scherer.

In Rüsselsheim fühlt sich die 51-Jährige angekommen. Sie ist stolze Hockey-Betreuerin und Vorstandsmitglied beim RRK. "Viele finden Rüsselsheim nicht schön", sagt sie. "Aber ich habe gelernt, dass man sich selbst für etwas engagieren muss, dann wird man auch glücklich."

 

Brit Scherer

 

 

Jubeln dürfen die A-Mädchen des Rüsselsheimer RK, denn sie wurden so überraschend wie verdient deutscher Vizemeister 2014 im Feldhockey mit (stehend von links) Betreuerin Brit Scherer, Trainerin Violeta Smirnova, Nina Minowsky, Franzi Becker, Marie Milde, Kristin Rapp, Marie Sommer, Anna Stumpf, Stella Tegtmeier, Alina Petri, Co-Trainer Ralf Becker, (kniend) Ella Mittnacht, Paula Grossmann, Viktoria Zimmermann, Laura Starz, Lea Sack, Pauline Heinz und Paula Schmidt.