Sicherheit steht an erster Stelle
WIRBELSCHLEPPE Ruder-Verein schaltet
Verband ein / Wasser- und Schifffahrtsamt ahnungslos
Von Peter
Kämmerer (aus "Main-Spitze" vom 27.03.2013)
Wirbelschleppen sind in Flörsheim spätestens seit Inbetriebnahme der
neuen Landebahn kein unbekanntes Phänomen mehr. Dass sie aber auch auf
dem Wasser, genauer gesagt auf dem Main, für Wirbel sorgen, ist neu.
Anfang des Monats traf es die Flörsheimer Claudia Seidenfaden und
Michael Diehl. Unweit der Eddersheimer Schleuse ereilte sie in ihrem
Boot ein heftiger Windstoß nach einem lauten Peitschen und Knallen auf
dem Wasser – Folgen einer Wirbelschleppe, ausgelöst von einem landenden
Flugzeug.
Innerhalb
des Flörsheimer Ruder-Vereins sorgt der Vorfall, der sich bereits Anfang
März ereignete, für Diskussionen. Vorsitzender Ludger Schader bestätigt
auf Nachfrage dieser Zeitung, dass das Thema Wirbelschleppe auch den
Vorstand des Vereins beschäftigt.
Mit dem Schrecken davon gekommen sind
Claudia Seidenfaden und ihr Mann Michael Diehl, als ihr Boot auf dem
Main von einer Wirbelschleppe erfasst wurde. |
Der Verein
lasse derzeit über den Ruderverband und einen Anwalt prüfen, ob weitere,
zusätzliche Vorkehrungen getroffen werden müssen, um die Sicherheit der
Ruderer zu gewährleisten. Zumal es auch für den Club, der seit jeher
seine Boote auf dem Main Richtung Eddersheim ausbringt, ein neues
Phänomen sei. "Ich habe von der ganzen Sache erstmals bei der
Montagsdemo in der letzten Woche gehört", räumt Schader ein. Auf dem
Wasser habe er so etwas noch nie erlebt, wohl aber bereits am Friedhof.
"Ich kann mir vorstellen, wie sich das anfühlt."
Keine
schnellen Aktionen
Dennoch
warnt Schader davor, nun vorschnell das gesamte Trainingskonzept des
Ruder-Vereins infrage zu stellen. Tatsächlich, das räumt Schader ein,
sei es üblich, dass die Rennruderer erst einmal gegen die Strömung
Richtung Eddersheim rudern und dann mainabwärts verschiedene Übungen wie
Starts und Sprints trainieren. Schader räumt ein, dass es bei
Ostwetterlage rund um die Eddersheimer Schleuse unerträglich laut sei:
"Das wird dann schon heftig da", so der Chef des Ruder-Vereins. Vor
allem die Nachwuchsruderer seien dabei niemals allein auf sich gestellt,
stets in Begleitung unterwegs. "Das machen wir schon immer so", tritt
der Vereinschef Befürchtungen entgegen, dass sich Ruderer unnötig in
Gefahr begeben könnten.
Schader
verweist auch darauf, dass Notfallübungen zum Standardprogramm bei der
Ruder-Ausbildung zählen. Dazu zähle etwa das Trainieren, sich aus dem
Boot zu befreien oder mit dem Boot an Land zu schwimmen.
Für das für
den Main zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt Aschaffenburg (WSA) ist
der Wirbelschleppen-Vorfall derzeit noch kein Anlass, einzuschreiten.
"Das ist das erste Mal, dass ich davon höre", sagt der stellvertretende
Amtsleiter, Paul-Markus Schäfer, auf Anfrage dieser Zeitung. Seine
Behörde sei im Zuge der Entscheidung über den Bau der Nordwestbahn nicht
beteiligt gewesen, kenne folglich die Hintergründe nicht. Allerdings
macht Schäfer auch deutlich: "Wenn es da zu Gefahrensituationen kommt,
ist das sofort ein Thema für uns."
Flörsheimer Ehepaar beim Rudertraining auf dem Main
eiskalt von der Wirbelschleppe eines Flugzeugs erwischt
Von Hildegund Klockner (aus "Main-Spitze" vom 21.03.2013)
Wieder ging
eine Wirbelschleppe in Flörsheim nieder, diesmal traf sie zwei Ruderer
auf dem Main. "Am Sonntag, 3. März, sind wir, meine Frau Claudia
Seidenfaden und ich, auf dem Main bei Ostwind von Flörsheim in Richtung
Eddersheim gerudert. Kurz nachdem wir bei Flusskilometer 14,4 die
Autobahnbrücke A3 passierten, überflog uns direkt und tief ein Flugzeug.
Kurz darauf hörten wir ein lautes Peitschen und Knallen auf dem Wasser
um uns herum. Danach bekamen wir einen starken Windstoß aus westlicher
Richtung mit einer eiskalten Gischt Wasser ab", erzählt Michael Diehl.
Für
Kinder gefährlich
Die beiden
sind Freizeitruderer im Flörsheimer Ruderverein und haben diesen
Schrecken auch zwei Wochen nach dem glimpflich ausgegangenen
Zwischenfall noch nicht verarbeitet: "Wir hatten Glück, dass wir zu
zweit waren und Erwachsene sind", berichtet Claudia Seidenfaden. Sie saß
vorne im Boot und bekam das kalte Wasser ins Gesicht: "Vor lauter
Schreck wegen dieses unnatürlichen Ereignisses und um mein Gesicht zu
schützen, ließ ich meine Skulls (Ruder) los. Die sind aber wichtig für
die Stabilität des Bootes und zur Kraftübertragung." Die beiden mögen
sich gar nicht ausdenken, was passiert wäre, wenn ein Kind beim Training
im Boot gesessen hätte und das Boot gekippt wäre: "Die Außentemperatur
betrug Null Grad, das Wasser war nur wenig wärmer." Selbst die
Funktionskleidung ziehe sich schnell mit Wasser voll und der Trainer
könne bei mehreren Kindern nicht sofort und gleich Hilfe holen. "Wir
haben das Flugzeug nur von unten gesehen, da war die Airline nicht zu
erkennen. Es muss um die 11 Uhr gewesen sein – Rushhour an einem Sonntag
am Flughafen", so Seidenfaden. Die Jets seien im 40-Sekundentakt über
ihr Boot gebrettert. Beim Sport habe sie keine Uhr an, deswegen könne
sie der Fraport auch kein konkretes Flugzeug nennen, das für diese
Wirbelschleppe verantwortlich ist.
"Dass uns
eine solch schreckliche Situation bei unserem Freizeitsport erwischt
hat", äußert sich die 48 Jahre alte gelernte Biolaborantin entsetzt.
Endlich habe sie mit ihrem Mann einen Ausgleichssport für die Zeit nach
der Arbeit gefunden, den sie in der Natur und in Ruhe ausüben können.
Montags
immer dabei
Ihre Kinder
Jannis und Merlin sind 2012 Hessenmeister in ihrer Altersklasse
geworden: "Wir können zurzeit wegen der frühen Dunkelheit in den
Abendstunden nur tagsüber am Wochenende trainieren. Jetzt können wir uns
bei Ostwind noch nicht mal auf dem Wasser aufhalten." Der Aufenthalt im
Garten ist ihnen schon verleidet. Ihr Haus haben sie mit ihren Eltern
"fürs Leben gebaut". Die junge Familie hat die kaum gegen Fluglärm zu
isolierende Dachwohnung bezogen.
"Es gibt
keine Montagsdemo ohne uns!" Angeblich ginge die Zahl der Flugpassagiere
zurück: "Dann sind die Maschinen eben weniger voll", urteilt die
ehemalige Lufthansa-Angestellte, deren Job vor 17 Jahren
"wegrationalisiert" wurde: "Auch mein Vater war bis zu seiner Verrentung
Lufthanseat. Er ist immer im Terminal dabei." "Die Kinder verstehen
unseren Trainer Petro Crespo bei Ostwind selbst mit Megaphon nicht",
beschreibt Norbert Herzog, der ehemalige Vorsitzende des Rudervereins,
die Trainingssituation. Es sei üblich, dass die Rennruderer fürs
Aufwärmen erst einmal Richtung Eddersheim rudern und dann Main abwärts
die verschiedenen Übungen wie Starts und Sprints trainieren.
"Mittlerweile trainieren wir wegen des Fluglärms an Ostwindtagen nur
noch Richtung Rüsselsheim, um den Trainingsbetrieb aufrecht halten zu
können und die Sicherheit zu gewährleisten." Auch er ist bei jeder
Montagsdemo dabei. |