Die gemeinsame jährliche Ruderwanderfahrt
mit den Ruderkameraden vom Ruderklub am Baldeneysee in Essen (RaB) und uns wird
immer abwechselnd ausgerichtet und im Jahr 2000 waren wir vom RRK dran. Da ich
vor Jahren in einer schwachen Stunde Bereitschaft zur Mitarbeit bei der
Organisation gezeigt hatte, liegt die Vorbereitung seitdem bei mir. Der Mensch
muß die Kunst des Delegierens beherrschen und als der Vorschlag
"Berlin" laut wurde und unser Freund Roland von zur Mühlen in Berlin
seine Brötchen verdient, war die Sache beschlossen. Da Roland als Manager eines
Unternehmens sein Geld verdient und solche Leute viel Organisationstalent und
auch Zeit haben, war die Angelegenheit flugs auch schon delegiert. 27 Mann,
davon 15 vom RRK, reisten am Mittwoch, dem 21. Juni 2000, in die
Bundeshauptstadt zum Ruder-Club Tegelort (RGT). Der befindet sich - von Tegel
aus gesehen - auf der anderen Seite des Tegeler Sees an der Havel (interessant
übrigens die Anreise: Mehrere Flughafengegner fliegen durch die Luft, dabei
gibt es sehr schnelle Züge nach Spandau bzw. Berlin-Zoo). "Gegenüber von
Tegel" ist schnell gesagt, aber die Entfernungen in Berlin sind riesig. Das
Stadtgebiet ist fast doppelt so groß wie das von Paris und erstreckt sich auf
eine Fläche von rund 50 km x 30 km. Ich habe es einmal nachgezählt - es gibt
61 (!) Rudervereine, die liegen an den drei Flüssen Havel, Spree und (na?) an
der Dahme. Dazu eine Unzahl von Kanälen, denn vor der Ausbreitung des
Straßenverkehrs nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Stadt mit Lebensmitteln
und Baumaterialien fast ausschließlich über den Wasserweg versorgt.
Der erste Abend im RGT - die Hälfte von uns wohnte dort im Schlafsaal, die
anderen im nahe gelegenen Hotel Sonne - war schon in vollem Gange, als ich nach
20.00 Uhr dazu stieß. Da das Bootshaus von Vereinsmitgliedern bewirtschaftet
wird, erfolgten die ersten sorgenvollen Berechnungen, ob das vorhandene Bier und
die Würstchen wohl ausreichen würden. Es hat gereicht, aber es war knapp.
Bootshaus und Hotel liegen idyllisch am Wasser und im Kiefernwald - gluckerndes
Wasser, unbefestigte Waldwege ... ungewohnt für einige Stadtmenschen. An diesem
und an den folgenden Abenden verloren deshalb einige die Orientierung,
überstiegen auf dem Heimweg Gartenzäune von Einfamilienhäusern, kämpften
gegen fast undurchdringliche Gebüsche, überquerten Wasserläufe und fanden
schließlich doch noch heim. Berlin ist eine Reise wert !
Mittagspause
am 2. Tag in Berlin-Werder beim Ruderklub "Achter"
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Der
Organisator der Wanderfahrt, Roland von zur Mühlen, mit
seinem "Adjudanten" Jochen Zimmermann
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Am Donnerstag dann Besichtigung und Übernahme
der Boote - alles im Bestzustand, die Ordnung in der Bootshalle
wie aus dem Lehrbuch. Georg Gagel bekam runde Augen und wir
gelobten, wenn wir wieder zu Hause sind, Besserung (und seitdem
trocknen wir die Boote auch wirklich - wie früher - wieder mit
Handtüchern ab). Wir übernehmen drei Vierer, einen Zweier und
dann hatten wir noch die Barke "Alter Fritz" - von
Vereinsmitgliedern angemietet. Ein Ungetüm von einem Boot, auf
jeder Seite sitzen vier Mann, zwischen den Rollsitzen befindet
sich ein Mittelgang, in Bug und Heck jeweils große Luftkästen,
das ganze galeerenähnlich (s. Foto). Der erste Tag führt uns
vom Bootshaus über den Hohenzollernkanal bis zur Schleuse Plötzensee.
Wegen eines Umbaus der gesamten Schleusenanlage und der Vorfahrt
der Berufsschiffer haben wir eine ewig dauernde Liegezeit und so
kommt es, wie es kommen muß: Es kommt zu einer ersten Abstimmung
über die Qualität der Organisation der Wanderfahrt. Roland
versucht in letzter Minute durch feste Versprechungen von
Freibier die Abstimmung zu seinen Gunsten zu wenden, doch die
Abstimmungsniederlage ist äußerst gravierend. Diejenigen, die
sich von ihm durch schnöde Vorteilsannahme bestechen ließen,
sind uns namentlich bekannt - sie werden hier, um weiteren
Schaden von ihnen abzuwenden, nicht genannt.
Acht
RRKler und ein RaBler am 3. Tag in der Barke "Alter
Fritz" auf dem Havelkanal (Werner Alt, Wolfgang
Gummersbach, Dieter Lang, Rudi Reitz, Dieter Korb,
Wilfried Hoffmann, Dr. Wolfgang Mack, Jochen Zimmermann
und Heinz Schmitt auf der Liegebank)
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Stramme
Mastersruderer" rudern auf dem Havelkanal in
Richtung Havel (Christian von Schneidemesser, Roland von
zur Mühlen, Wolfgang Adrian, Georg Gagel, Jochen Rudloff)
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Es geht dann weiter auf der Spree, durch
die Schleuse Charlottenburg, dann auf der Unterhavel zur
Rudervereinigung Hellas-Titania zu Specksalat, Prager Schinken
und Frikadellen. Weiter geht die Ruderfahrt dann über die Havel
durch den kleinen und den großen Wannsee, vorbei an der
Spandauer Zitadelle, dem Grunewaldturm, Pfaueninsel, Schloß
Caecilienhof mit Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens, Schloß
Glienicke und schließlich vorbei am Potsdamer Schloß bis zum
Potsdamer RC Germania. 30 Kilometer Tagesfahrt liegen hinter uns.
Nachmittags hatten wir zu wenig Wasserverpflegung und deshalb
genehmigen wir uns einige große Bier. Der Wirt spendiert noch
ein Schnaps. Zum Rücktransport bis zu unserem Bootshaus, quer
durch die Stadt, hat Roland einen Bus organisiert und beim RGT
gibt es dann ein uriges Fischessen von der nahe gelegenen
Havelfischerei, also geräucherten Aal und andere Flußfische.
Freitags dann morgens um halb
neun Bustransfer zurück nach Potsdam und von dort aus über 35
(!) Kilometer vorbei am Barockschloß Caputh, dem Schloß Petzow
nach Werder zum dortigen RK "Zum Achter". Das
Mittagessen ist ein Gedicht: Kartoffelsuppe, frischer Salat mit
frischen Kräutern, dazu gebackenes Zanderfilet und dazu (helles
und dunkles) böhmisches Bier. Nur schwer trennen wir uns und
fahren die letzten 15 Kilometer über verschiedene Seen bis zur
alten Schleuse in Parretz, einer Wasser-Sackgasse, in der wir die
Boote vertäuen und dann mit einer gut einstündigen Busfahrt zurück
zum Bootshaus kommen.
Nach der Wanderfahrt, drei
RRKler beim Sightseeing in Berlin
vor der von EVIAN eingepackten
Marienkirche am Alexanderplatz
(Dr. Dietmar Klausen, Wilfried Hoffmann, Werner Alt)
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3. Tag: Selbstverpflegung am
Havelkanal bei einer Schutzhütte
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Diese alte Schleuse in
Parretz wurde deswegen überflüssig, weil in den DDR-Zeiten die sozialistische
"Friedensregierung" - aufgrund des Mauerbaus und der Grenzziehung -
sich gewissermaßen selbst vom Zugang zu den Wasserstraßen abschnitt. Im
Ergebnis mußte man dann den Havelkanal graben und den hatten wir dann 34
Kilometer geradeaus, schnurgerade, zu bewältigen.
Unterbrochen von einem kräftigen Picknick, das wir morgens durch den Einkauf
von enormen Mengen Lebensmitteln und Getränken vor organisiert hatten. Dann
weiter immer geradeaus. Für die Abwechslung sorgten wir in der Barke selbst, in
dem wir jeweils mit zwei Mann rudernd dieses Riesenschiff und sechs sich
ausruhende Kameraden über eine Strecke von je 1.000 Metern rudern mußten, mit
Zeitmessung! Da sage noch einer Ruderer hätten keinen Spaß mit ihrem Sport.
Die letzten fünf Kilometer ging es dann nochmals die Havel abwärts, bei
ordentlichen Regengüssen bis zum RC Tegelort. Dort putzen und verstauen der
Boote, die Barke wurde mit Flaschenzug an Land gehievt, auf einen Bootswagen
verladen und ohne (nicht ganz billigen) Schaden ging es natürlich nicht ab.
Anschließend dann noch gemeinsames Abendessen in einem guten
italienischen Restaurant, herzlichen Dank an Roland für seine
Organisation, erste Kostenabrechnung und - Einschätzung durch mich. Wer
jemals ein Mittagessen samt Getränken auf einer Wanderfahrt abgerechnet
hat, weiß Überraschungen zu schätzen - wer hat fünf Stück Kuchen
und fünf Cappucino bestellt und ist dies im Umlageetat inbegriffen?
Nach dem letzten gemeinschaftlichen Frühstück in der Sonne heißt es
Abschied nehmen bis zum nächsten Jahr.
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