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Über Mitglieder des
RRK (2020)
Wolfgang Gummersbach |
Wolfgang Gummersbach von der "Initiative
Lebenswerteres Marienborn" |
Marienborn fordert Baustopp an A60
Die Arbeiten an
der neuen Brücke am Kreuz Mainz-Süd ruhen. Im Mainzer Stadtteil keimt Hoffnung
auf, für die Marienborner ist der Bau nicht nur sinnlos, sondern auch
rechtswidrig.
Von Christine
Bausch (aus "Allgemeine Zeitung" vom 24.11.2020)
MAINZ - Ein Stadtteil, eingekesselt vom Lärm. Marienborn bildet sozusagen ein
Dreieck. Zwei Seiten davon sind die Autobahnen 60 und 63. Ganz genau beobachten
die Anwohner, allen voran die Initiative Lebenswerteres Marienborn, was auf der
Baustelle am Kreuz Mainz-Süd abgeht. Und dass die Arbeiten an der neuen,
südlichen Autobahnbrücke derzeit wegen massiver Betonschäden ruhen, macht ihnen
sogar ein kleines bisschen Hoffnung.
Der Grund: Sie
halten den Brückenbau für sinnlos, ja sogar für rechtswidrig. Ihre Kritik:
Dadurch, dass die beiden künftigen Brückenbauwerke bereits für einen künftigen
sechsspurigen Ausbau der A60 ausgelegt sind, würden Fakten geschaffen, die einen
sinnvollen Lärmschutz, wie von der Marienborner Initiative gefordert, nahezu
unmöglich machen. Ihre Forderung: Die Arbeiten stoppen und die zweite, nördliche
Brücke erst dann bauen, wenn ein Planfeststellungsverfahren erfolgt ist.
Werden mit
Brückenbau Fakten geschaffen?
Das nämlich hat es
im vorliegenden Fall nicht gegeben, sondern lediglich ein Abstimmungsverfahren.
Ein vereinfachtes Verfahren also, das nach Auffassung der Initiative für eine
Sanierung, nicht aber für einen Neubau angewendet werden könne, wie Eckhard
Grabowski erläutert. In den Plänen, die der Landesbetrieb Mobilität (LBM) 2013
der Stadt Mainz vorgestellt habe, sagt Dr. Burkhard Renk, hätten die geplanten
Brückenbauwerke dieselben Abmessungen gehabt wie die beiden Vorgängerbrücken.
Die Stadt habe damals festgelegt, dass mit dem Brückenbau "kein Präjudiz für
einen Ausbau von A60 und A63" geschaffen werden dürfe. Genau das aber geschehe
jetzt. Seit 2017 wird gebaut.
Der LBM hatte –
auch gegenüber dieser Zeitung – erklärt, es sei sinnvoll, die beiden Bauwerke
schon jetzt für einen späteren sechsspurigen Ausbau zwischen dem Autobahnkreuz
und dem Anschluss Finthen auszulegen, wenngleich die A60 nach dem Abschluss der
aktuellen Arbeiten erst mal weiter vierspurig bleibe. Im Jahr 2013 sei zudem von
6 bis 7 Millionen Euro Baukosten die Rede gewesen, aktuell sind 15 Millionen
Euro veranschlagt. "Was jetzt gebaut wird, hat nichts mehr mit dem
Abstimmungsverfahren von damals zu tun", sagt Dr. Burkhard Renk. "Würde sich die
Stadt an ihre eigenen Beschlüsse halten, müsste sie jetzt dringend gegen den
Weiterbau vorgehen", sagt Eckhard Grabowski. Die Mainzer Umweltdezernentin
Katrin Eder (Grüne) hatte indessen 2017 auf eine Anfrage der ÖDP geantwortet,
mit dem Bau würden eben keine Fakten geschaffen.
So präsentierte der Landesbetrieb Mobilität
2015 das Mainzer Autobahnkreuz nach einem sechsspurigen Ausbau.
(Computergrafik: LBM) |
Ortsbeirat für
Resolution
Der Ortsbeirat
Mainz-Marienborn unterstützt das Ansinnen der Bürgerinitiative Initiative
Lebenswerteres Marienborn (ILM). Einstimmig verabschiedete das Gremium unlängst
eine Aufforderung an die Stadtverwaltung, die zuständigen Bundes- und
Landesministerien sowie den Landesbetrieb Mobilität (LBM) mit der Forderung
anzugehen, "die Brückenbauarbeiten im Autobahnkreuz Mainz-Süd so lange
einzustellen, bis ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss für die A60
vorliegt". Nach Ansicht der Bürgerinitiative sei mit einer fertigen Sanierung
der südlichen Hälfte der Brücke der A60 über die A63/B40 im Autobahnkreuz
Mainz-Süd das angegebene Ziel erreicht, "eine weitere Verschlechterung des
baulichen Zustands der Brücken" zu verhindern. Ein Baustopp, so die Initiative,
wenn die nördliche Brücke nicht abgerissen werde, bringe aktuell keine negativen
Auswirkungen auf den Verkehr. Dieser könne aus Mainz-Hechtsheim in Richtung
Mainz-Finthen wie bis 2017 über die Nordbrücke, der Verkehr der Gegenrichtung
über die Südbrücke erfolgen.
Auf Vorschlag von
Stadtratspolitiker David Nierhoff (Grüne), der auch im Marienborner Ortsbeirat
aktiv ist, soll in dem Gremium zudem eine Resolution verfasst werden. "Als
Marienborner fordern wir den Bund auf, diese Arbeiten einzustellen, bis
Planungsrecht für den Mainzer Ring besteht", erklärte Nierhoff. Die Resolution,
über deren Erstellung ebenfalls einstimmig entschieden wurde, soll
öffentlichkeitswirksam an die neu gegründete Autobahn GmbH des Bundes, die ab 1.
Januar von der LBM die Autobahn-Zuständigkeit übernimmt, in der neuen
Wiesbadener Außenstelle übergeben werden – eine entsprechende Idee hatte im
Ortsbeirat zuerst Achim Rhein (SPD), die Wolfgang Gummersbach von der Initiative
ausdrücklich unterstützte.
Der Ausbau der 50
Jahre alten Autobahn ist seit Jahrzehnten ein Thema. Der Vorentwurf sieht sechs
Fahrspuren und zwei Standstreifen vor – was eine Verdopplung der derzeitigen
Fläche bedeuten würde. Das Problem: "Dieser Vorentwurf ist die Basis für den
Bundesverkehrswegeplan", erklärt Grabowski. Und das, obwohl sich die
Verkehrsströme seither massiv verändert hätten, die A63 etwa für den Fernverkehr
viel wichtiger geworden sei als die Pendler-Autobahn A60.
Geplant sei
außerdem eine einen Kilometer lange und bis zu neun Meter hohe Lärmschutzwand
für den Stadtteil. Das würde nicht ausreichen, befürchtet die Initiative
Lebenswerteres Marienborn. Für die oberen Stockwerke der Hochhäuser an der
Autobahn bringe eine neun Meter hohe Wand gar nichts. Die Marienborner fordern
deshalb nicht nur einen effizienten Lärmschutz an allen Fenstern im Stadtteil,
sondern zudem eine Einhausung beziehungsweise eine Tieferlegung der Fahrbahn.
Ersteres ist offenbar auch nachträglich möglich, eine Tieferlegung aber wohl
wirtschaftlich nicht tragbar, wie Berechnungen des LBM ergaben.
Die Initiative hat
nachgerechnet und kommt zu einem anderen Ergebnis: "Die haben das alles
schlechtgerechnet, um den Ausbau so durchzudrücken", sagt Wolfgang Gummersbach.
Außerdem habe der Landesbetrieb 2015 den Bau einer Querspange ins Gespräch
gebracht, die den Verkehr direkt aus Richtung Darmstadt auf die A63 in Richtung
Kaiserslautern leiten würde – was dem lärmgeplagten Stadtteil schon eine große
Entlastung bringen würde. Darauf hoffen sie in Marienborn.
Ministerium:
Keine Vorfestlegung
Je weiter die
aktuellen Bauarbeiten am Kreuz Mainz-Süd also voranschreiten, desto
unwahrscheinlicher werden für den Stadtteil sinnvolle Lärmschutz-Alternativen,
fürchtet Gummersbach. Deshalb, formuliert Renk die BI-Forderung, sollten die
Arbeiten nach Fertigstellung der südlichen Brücke gestoppt werden. Genügend
Platz für vier Spuren sei dann vorhanden und man könnte in Ruhe abwarten, was
ein ordentliches Planfeststellungsverfahren bringt. Das nämlich, so hatte
Verkehrsminister Volker Wissing der Initiative geschrieben, solle beim
endgültigen A60-Ausbau erfolgen.
Im Mainzer
Verkehrsministerium beurteilt man die Lage anders. Der derzeitige Brückenbau sei
"keine Vorfestlegung für einen künftigen Verlauf" der A60, erklärt Sprecherin
Susanne Keeding auf Anfrage dieser Zeitung. Dass damit ein sinnvoller Lärmschutz
für den Stadtteil verhindert werde, sieht sie nicht: "Einen örtlichen
Zusammenhang kann ich da nicht erkennen."
Ein
Abstimmungsverfahren sei indessen dann möglich, wenn die Rechte Dritter nicht
beeinträchtigt würden und die Betroffenen – im Verwaltungsjargon die Träger
öffentlicher Belange – einverstanden sind. Eben dieses Einvernehmen sei
hergestellt worden, sagt Keeding. Werde dagegen nicht geklagt, ergehe Baurecht.
Im vorliegenden Fall handele es sich – auch das Fachjargon – um einen
Ersatzneubau, weshalb ein vereinfachtes Verfahren sehr wohl zulässig sei. Im
Straßenbau werde, sagt Keeding, sehr genau auf derartige Details geachtet, eben
"weil hier die Klagebereitschaft recht groß ist". Die von der Bürgerinitiative
bezweifelte Notwendigkeit des Brückenbaus – der LBM sprach bereits 2015 von
92.000 Fahrzeugen pro Tag auf der A60, die BI geht von etwa 60.000 Fahrzeugen
aus – belegt die Ministeriumssprecherin mit einer anderen Zahl: "Die alten
Brücken waren für 30.000 Fahrzeuge ausgelegt!" Im Übrigen würden derartige
Zahlen vor jedem Bauvorhaben von Experten konkretisiert.
A60-Ausbau:
Unterirdische Lösung für Marienborn?
Die
Bürgerinitiative „Lebenswertes Marienborn“ stellt den sechsspurigen Ausbauplänen
für die A60 bei Mainz eine eigene Variante gegenüber. Wäre eine teilweise
Untertunnelung realisierbar?
Von Alexander
Schlögel (aus "Allgemeine Zeitung" vom 28.04.2020)
MARIENBORN - Knapp
dreieinhalb Jahre ist es her, dass der Bundesverkehrswegeplan verabschiedet
wurde, der einen sechsspurigen Ausbau der Autobahn 60 zwischen Autobahndreieck
Mainz und Autobahnkreuz Mainz-Süd als "vordringlich" einstuft. Passiert ist
bisher – nichts. Nun wendet sich die Bürgerinitiative "Lebenswerteres
Marienborn" erneut gegen die Pläne und präsentiert eine eigene Idee: Genügen
würden vier Fahrspuren (wie bisher) und zwei Standspuren, dazu solle der circa
600 Meter lange Abschnitt vor dem Wohngebiet "Am Sonnigen Hang" unter der Erde
durchgeführt werden. Teilweise finanziert werden könne dies durch einen dadurch
entstehenden möglichen oberirdischen Flächengewinn von 12.000 Quadratmetern. Bei
einem Bodenrichtwert von 485 Euro pro Quadratmeter komme man schon einmal auf
einen Grundstückswert von 5,8 Millionen Euro.
Das Autobahnkreuz Mainz-Süd ‒ hier soll es eigentlich bald sechsspurig
werden. |
Der könne im
Vergleich zu den Baukosten gegengerechnet werden – berücksichtige man, dass dort
Wohnungen und gewerbliche Bebauung entstehen könnten. So argumentieren Eckhard
Grabowski und Wolfgang Gummersbach von der Initiative mit ihrem Vorschlag, den
sie an über 40 Politiker verschickt haben – mit der Bitte, sich noch vor dem
Planfeststellungsverfahren "für eine nachhaltige Lösung mit optimalem
Lärmschutz" einzusetzen. Man könne gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe
schlagen. Die Kosten seien so nicht nur günstiger als der Vorschlag des
Landesbetriebs Mobilität, die Landschaft würde auch "nicht mehr durch ein mit
Lärm und Abgasen verbundenes Straßenband durchschnitten und der Kaltluftstrom
aus Südwesten in Richtung Bretzenheim und Innenstadt nicht noch weiter
geschädigt".
"In mehrfacher
Hinsicht falsch und überholt"
Die Begründungen,
die der Bund für sein Vorhaben anführt, nennt die Initiative hingegen "in
mehrfacher Hinsicht falsch und überholt". Zum Argument, dass es eine
abschnittsweise Verkehrsbelastung von 70.000 Autos pro Tag gebe und die
"Richtlinien für die Anlage von Autobahnen" (RAA) dann einen sechsstreifigen
Ausbau vorsehen, gibt sie an, dass seit 2013 laut RAA die durchschnittlichen
täglichen Verkehrszahlen maßgeblich sind und demnach bei bis zu 70.000
Fahrzeugen pro Tag vier Fahrspuren genügen. Zwar würden für 2030 laut Plan
79.000 Fahrzeuge pro Tag prognostiziert, dies sei jedoch unrealistisch, lege man
gemessene Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen aus den vergangenen 20
Jahren zugrunde.
Demnach hätte die
Anzahl zwischen der Anschlussstelle Mainz-Lerchenberg und dem Autobahnkreuz
Mainz-Süd von 72.564 Fahrzeugen im Jahr 2000 bis hin zu 62.436 im Jahr 2018
sogar abgenommen. Ebenso könne auf dem Streckenabschnitt weder von einer Häufung
von Unfällen noch von Staus gesprochen werden. Dazu geht die Initiative auf die
Aussage ein, die Strecke sei wichtig "als Fernverbindung von Frankreich über
Belgien in das Rhein-Main-Gebiet bzw. in den Süddeutschen Raum". Hier heißt es,
Verkehr komme zum einen vom Autobahnkreuz Alzey, fädele sich aber dann am
Autobahnkreuz Mainz-Süd in Richtung Osten auf die A60 ein. Weiter gelange
Verkehr am Autobahndreieck Mainz auf die A643 und führe dann über die
Schiersteiner Brücke und über die A66 weiter Richtung Frankfurt. Nur eine dritte
Route betreffe tatsächlich den fraglichen Abschnitt.
Hohe
Lärmbelastung für Wohngebiet
Zudem stimme nicht
– wie der LBM behaupte – dass "vorsorgender Lärmschutz" nur beim Ausbau auf
sechs Streifen möglich sei. Eine Erweiterung sei auch beim Bau zweier
Standstreifen gegeben. Abgelehnt von der Initiative wird ebenfalls die
anvisierte neun Meter hohe Lärmschutzwand am Wohngebiet "Am Sonnigen Hang".
Während unten
Bewohner "eingemauert" werden würden, seien in den oberen Etagen 654 Bewohner
dennoch nicht abgeschirmt und müssten "hinter Schallschutzfenstern und
schalldämmenden Balkontüren eingesperrt" werden. Auch fürs Klima sei die Wand
schädlich: Der Kaltluftstrom werde weiter abgebremst. Nicht zuletzt sei der
Neubau der Autobahnbrücke im Kreuz Mainz-Süd illegal: Es gebe dafür keinen
Planfeststellungsbeschluss. |