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Über Mitglieder des
RRK (2020)
Wilfried Schwanke |
Für ein Abschiedsfoto stellt sich Wilfried Schwanke auch in den
Führerstand der MaK-Werkslok von 1984, deren Zehn-Zylinder-Motor 340 PS
leistet. Selbst gefahren ist er die schienengebundenen Zugmaschinen aber
nie.
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Der Eisenbahner
vom Opel-Werk
Wilfried
Schwanke war mehr als 25 Jahre Betriebsleiter des werksinternen Schienenverkehrs
bei Opel in Rüsselsheim. Er zieht ein durchweg positives Fazit.
Von Jens
Etzelsberger (aus "Main-Spitze" vom 05.02.2020)
Zehnzylinder,
Zwölfzylinder, bis zu 400 PS stark ‒ mit den größten Motoren im Opelwerk hatten
es nicht die Ingenieure, Entwickler oder Testfahrer des Autobauers zu tun,
sondern Wilfried Schwanke. Der 60-Jährige war aber nicht für automobile Boliden
zuständig, sondern für die Opel-Werksbahn. Als Eisenbahn-Betriebsleiter hat er
mehr als 25 Jahre dafür gesorgt, dass es im Schienenverkehr bei Opel rund läuft.
Und das nicht nur in Rüsselsheim, sondern zwischen 2007 und 2015 auch im
Bochumer Opel-Werk.
Die Kennziffern aus
dem hiesigen Werk hat Schwanke, der in diesen Tagen in den Vorruhestand gegangen
ist, noch wie aus der Pistole geschossen parat: 24,1 Kilometer Schienennetz, 74
Weichen, alle handgesteuert. Die Funksteuerung hat er nicht durchsetzen können.
"Das hat sich wohl nicht gerechnet", sagt Schwanke. Dennoch zieht er ein
durchweg positives Fazit. "Alles, was ich mir erarbeitet habe, habe ich Opel zu
verdanken", sagt er rückblickend. Dabei war es die schwerste Entscheidung seines
Lebens, den Job bei der Opel-Werksbahn anzutreten.
EINE NISCHE
Trotz des
Nischendaseins ist das Opel-Werk ohne seine Bahn nicht denkbar. Und das seit
mittlerweile 100 Jahren. 1920, das genaue Datum ist unklar, hat die Opel-Werksbahn
ihren Betrieb aufgenommen.
Tief mit der
Opel-Geschichte ist auch eine weiterer Bereich der Werksbahn verbunden, der
selbst in diesem Nischenbereich nicht mehr als eine Nische ist. Die
Eisenbahnwerkstatt ist auch für die Instandhaltung der rund 2.000 Werksräder
zuständig. Die kommen aber, wie auch die Lokomotivenmotoren, nicht von Opel. (etz) |
Maueröffnung stellt
Weichen neu
Dabei hatte der
gelernte Elektroanlageninstallateur seine Ausbildung schon bei Opel absolviert.
Danach noch den Energieanlagenelektroniker bei Opel drangehängt und
Elektrotechnik studiert und längst bei der Bahn als auf Lebenszeit verbeamteter
Oberinspektor Karriere gemacht, als die Maueröffnung im Jahr 1989 die Weichen
seines Berufslebens ganz neu stellen sollte. Damals war er in Niederaula bei
Fulda beim Bau einer neuen Strecke im Einsatz. Schon viel weiter von seiner
Bischofsheimer Heimat entfernt, als ihm eigentlich lieb war. Denn von dem
Versprechen, in Mainz eingesetzt zu werden, war nach einem Jahr Ausbildung für
den gehobenen technischen Dienst bei der Bahn keine Rede mehr. Es wurde eben
Niederaula. Doch dann sollte es plötzlich Dresden oder Leipzig sein. Das war
Schwanke, tief verwurzelt in der Region und leidenschaftlicher Hockey-Spieler
beim Rüsselsheimer RK, dann doch zu viel, zumal die Gattin da auch nicht mehr
mitgespielt hätte. Die Möglichkeit, als Elektroplaner bei Opel anzuheuern, kam
da gerade recht, wenngleich sein Herz noch an der Eisenbahn hing. "Ich war schon
traurig, die Eisenbahn hatte mir solchen Spaß gemacht", erinnert er sich. Doch
die Weichen des Lebens sollten sich auch bei dem Autobauer noch mal in genau die
richtige Richtung stellen. 1995, nach drei Jahren bei Opel, sah er die
Ausschreibung: Ein Betriebsleiter für die Eisenbahn wurde gesucht. Schwanke
wusste gleich ‒ das ist sein Job. Mit seiner Eisenbahn-Erfahrung war es keine
Frage, dass er die Stelle bekam. "Das hat perfekt gepasst."
Seitdem war er
verantwortlich für den gesamten Schienenverkehr im Werk. Wilfried Schwanke
sorgte dafür, dass die Bahn reibungslos funktionierte, dass Loks und
Schienennetz immer einsatzfähig waren, dass alle Sicherheitsbestimmungen
beachtet wurden. Und dennoch waren er und die anfangs knapp 50 Gleis- und
Lokschlosser und Lokführer eher Exoten bei dem Autobauer. "Viele wussten gar
nicht, was wir machen", erinnert sich Schwanke und beschreibt die
innerbetriebliche Wahrnehmung so: "Zum Kerngeschäft haben wir nie gehört."
Bringt große Lasten
von A nach B
Dabei hat die
Opel-Werksbahn auch keine andere Aufgabe, als Güterzüge im öffentlichen
Schienennetz. Große und schwere Lasten von einem Ort zum anderen bringen. Über
vier Zugänge zum regulären DB-Netz nimmt die Werksbahn Teile aus verschiedenen
Werken entgegen und verteilt Motoren, Seitenwände, Querträger oder
Auspuffanlagen an die richtigen Stellen. Später werden dann die fertigen Autos
wieder aus dem Werk gefahren, um auf der Schiene im ganzen Land verteilt zu
werden. "Manche Züge waren bis zu fünfhundert Meter lang", schwärmt Schwanke von
den Hochzeiten.
Dennoch ist aus ihm
kein Eisenbahn-Freak geworden. Schwanke hat seinen Job geliebt, ohne dass er zum
Trainspotter oder Modellbahner geworden wäre. An die Lok der Baureihe V mit dem
Schiffsdiesel als Antrieb erinnert er sich aber schon mit einer gewissen Wehmut.
"Die hat so schön geblubbert", beschreibt er das Arbeitsgeräusch des Motors. Als
diese Lok, bei der die Antriebsräder noch mit Treibstangen mit dem Motor
verbunden waren, außer Dienst gestellt wurde, hätten sogar die Lokführer etwas
gemurrt.
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