Wenn ein Ruderverein in einer Saison
21 Rennen gewinnt und diese Erfolge restlos auf das Konto der Jungruderer gehen,
darf man schon einmal vom "wiedererwachten Rudergeist" sprechen. Beim
Rüsselsheimer Ruder-Klub, dessen Namen mit dem Georg von Opels verbunden ist,
verabscheut man das Sprüche-Klopfen. Um so schwerer wiegt es deshalb, das Wort
vom Wiedererwachen. Nun, sie kam nicht von ungefähr, die Rüsselsheimer
Ruder-Renaissance. Im Rüsselsheimer Bootshaus an der Festung weht seit
eineinhalb Jahren ein frischer Wind. Windmacher ist Rüsselsheims Jugendtrainer
Ulrich Hintze. Er war es, der die Jugend rief, ausbildete und zu den 21 Siegen
führte. Der 35jährige kaufmännische Angestellte ist kein Theoretiker. Er, der in
Köln und Rüsselsheim selbst aktiv war, hält den Main für das einzig richtige
Trainingsfeld. Erst wenn die Eisdecke die Schlittschuhläufer auf den Plan ruft,
findet das Hintz'sche Rudertraining notgedrungen in der Halle statt.
RRK-Trainer Ulrich Hintze gewinnt 1957 auf dem Essener Baldeneysee mit seinem
Vierer die Deutsche Meisterschaft im Leichtgewichts-Jugend-Vierer mit
Steuermann (Walter Eberle, Heinz Schäfer, Rudi Reitz, Adolf Ketter, nicht im
Bild Stm. Karl-Heinz Wagner, rechts auf dem Bootssteg Klaus Wolf,
Ruderwart Gerhard Ruppert, Klaus Schreiber und Trainer Ulrich Hintze) |
Das scharfe Training und
die lange Saison - im November schon fängt bei Hintze das neue Ruderjahr an -
hat die Rüsselsheimer Ruderei aus dem Dornröschenschlaf erweckt, in den sie
fiel, als Anno 1953 die Flörsheim-Rüsselsheimer Rudergemeinschaft wie eine
Seifenblase platzte. Es war eine echte Sensation, als der krasse Außenseiter
Rüsselsheim bei den deutschen Jugendmeisterschaften dieses Jahres in Essen im
"eichten Vierer" den Titel kassierte und im "leichten Achter" knapper Zweiter
wurde.
Von diesem Tag an
gehörten Rüsselsheims Jugendruderer wieder zu den Teams, die auf den Regatten
ernst genommen werden. Der Jugendvierer des RRK gehört zu den wenigen Booten,
die in diesem Jahr ungeschlagen blieben.
Nur ein Auftakt
Doch die sensationellen
Erfolge des Jahres 1957 waren für Jugendtrainer Hintze nur ein Auftakt. "Wir
müssen wieder auf den Leistungsstand kommen, den unser Verein in seiner
Glanzzeit hatte!" - das ist seine Rede. Für das Jahr 1958, das fünfzigste
Jubiläumsjahr des "Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 e.V.", stehen die Zeichen
günstig. Während man in der auslaufenden Saison stolz darauf war, 30 Jugendliche
im ständigen Training zu haben, strömen nun, da die Erfolge den Rüsselsheimer
Rudersport wieder populär gemacht haben, die ruderbegeisterten Jugendlichen in
Scharen zum Training. Es ist interessant, daß die Opellehrlinge und die
Oberrealschüler die Säulen der Rüsselsheimer Ruderei sind. Der ungeschlagene
Rüsselsheimer Leichtgewichtsvierer ist mit Adolf Ketter, Rudolf Reitz, Heinz
Schäfer, Walter Eberle und Steuermann Karl-Heinz Wagner ein "reinrassiger"
Opellehrlings-Vierer.
Ein
vielversprechender Doppelzweier
Opel und Oberrealschule
stellen so 80 der Ruderjugend. Die Erfolge, die Arbeit an der Jugend wird morgen
schon den Aktiven zugute kommen. Von den 30 Erfolgreichen von 1957 steigen 1958
nicht weniger als die Hälfte in die Herrenklasse um. Dann wird auch in den
Hauptrennen wieder von den Rüsselsheimer Ruderern gesprochen werden.
Trotz des Aderlasses
wird die Rüsselsheimer Ruderjugend im nächsten Jahr noch stärker werden. Schon
heute gilt es als ausgemacht, daß das Team Wolfgang Freimuth - Peter Hochgesand
im Doppelzweier zu beachten sein wird. Was nicht dagegen spricht, daß der Vierer
und Achter im Mittelpunkt von Hintzes Trainingsprogramm bleiben wird. In dieser
Hinsicht waren die Rüsselsheimer Erfolge bei der Schiersteiner Regatta (6 Starts
= 4 Siege und 2 Zweite) nur die offizielle Bestätigung einer bekannten Tatsache.