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Über Mitglieder des
RRK (2020)
Tobias Wuttke |
So wird's
gemacht: Training in Corona-Zeiten
Wäre der HC Bad
Homburg ein Schulkind, er erhielte
für Planung und Umsetzung die Note 1. Eine
Stippvisite.
Von Thorsten
Remsperger (aus "Frankfurter Neue Presse" vom 21.05.2020)
Tobias Wuttke hat
genug davon, in seinem Garten zu stehen und den Trainer zu geben. Er hat genug
davon, auf ein paar Quadratmetern von einem Hütchen zum nächsten zu dribbeln und
wieder zurück. Und per Videokonferenz zuzuschauen, wie das seine Schützlinge
auch versuchen, irgendwo zu Hause.
"Die Motivation für
das Heimtraining hatte zuletzt nachgelassen", erzählt Wuttke und schließt sich
selbst dabei explizit nicht aus. Früher war er ein Bundesligaspieler, er gewann
2009 mit dem Rüsselsheimer RK den Europapokal; jetzt ist er als
Sportwissenschaftler und A-Trainer als hauptamtlicher Sportlicher Leiter beim
Hockey-Club Bad Homburg tätig. Seit dem Lockdown vor allem aber:
Improvisationskünstler.
Als der 39-Jährige
im dunkelblauen Vereinsshirt das erzählt, ist er heilfroh, dass es wieder
losgegangen ist: das Training auf dem Vereinsgelände im Sportzentrum Nord-West.
Wenn auch nach anderen Regeln im Vergleich zu den Zeiten, als Corona die meisten
nur mit einer Biersorte in Verbindung brachten.
Wuttke berichtet am
Rande einer Übungseinheit in der warmen Mai-Sonne ganz entspannt über seine
Trainingsarbeit. Was damit zusammenhängt, dass er als Typ recht besonnen
rüberkommt. Aber auch damit, dass der Trainer gemeinsam mit einem Stab aus zehn
Vorstandsmitgliedern und Coaches bei der Vorbereitung ganze Arbeit geleistet
hat.
Wenn nicht so viele
Markierungen rund um das Clubheim und auf dem Spielfeld angebracht wären, man
könnte meinen, es ist alles so wie immer im Training des HCH. Bei genauerem
Hinsehen ist aber vieles neu.
Rund zwei Wochen
lang sei man damit beschäftigt gewesen, unter Berücksichtigung der Vorgaben und
Anregungen des Deutschen Hockey-Bundes, des Hessischen Hockey-Verbandes und der
Stadt Bad Homburg ein eigenes Konzept zu entwickeln, erklärt Kathrin Metzner.
Die 51-Jährige ist zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins und kommt
ebenfalls sehr entspannt rüber. Nur wenn ein Jugendspieler doch einmal den
falschen Zugang auf das Spielfeld (es gibt derzeit nur einen erlaubten) wählt,
unterbricht sie ihre Rede kurz und weist das Kind höflich auf die neue
Einteilung der Anlage hin.
Video-Instruktionen, Probe-Training
Mit einer
Videobotschaft und ausführlichen E-Mails sind die Eltern der rund 350
Jugendspieler in den je acht Mädchen- und Jungenmannschaften gebrieft worden,
wie das Corona-Training funktioniert. Zu einem Probedurchlauf trafen sich am
Samstag dann sechs Teams plus Trainer auf dem Gelände - nacheinander und im
jeweiligen Abstand von mindestens 1,5 Metern, versteht sich. "Die Spieler sollen
komplett umgezogen erscheinen", erläutert Metzner, deren drei Kinder auch Hockey
spielen. Wenn das Wetter nicht mitspiele, werde für die Hin- und Rückfahrt
einfach entsprechende Kleidung drübergezogen. Da die meisten mit dem Rad kommen,
führen aufgemalte Pfeile die Kinder und Jugendlichen direkt zur "Bag & Bike
Box".
In rechteckigen
Feldern, die den Autoren ein wenig an Hickelkästen aus der Kindheit erinnern,
stellt jeder sein Fahrrad und seine Tasche ab und begibt sich zur Anmeldung, wo
ein Helfer Namen und Anschrift notiert. Auf Listen möchte die Stadt nämlich alle
Teilnehmer dokumentiert haben, um mögliche Infektionsketten zurückverfolgen zu
können. Wenn denn jemand am Coronavirus erkranken sollte.
Tobias Wuttke (rechts) gibt in der Teamzone das Feedback zum Training,
die Spieler haben ihre eingezeichneten Plätze eingenommen. |
Pfeile auf dem
Boden weisen den Weg zum unteren Zugang des Spielfeldes, wo sich die
Warm-Up-Zone befindet. In dieser wurden mit Flatterband Bahnen abgesteckt, so
dass sich die Spieler beim Aufwärmen nicht zu nahe kommen können. Jeder hat eine
Bahn-Nummer zugewiesen bekommen und trägt nur Wasserflasche und Schläger mit
sich.
Jetzt kommt Wuttke
ins Spiel, der als Supervisor für die Jugendtrainer altersgerechte
Übungseinheiten geplant hat. Die Gruppen teilen sich mit je einem Coach oder
Betreuer in bis zu vier Quadrate auf. In ihnen werden Übungen absolviert, die
aus dem Einspielen sowie Technik- und Schusstraining bekannt sind. Zweikämpfe
und Spiel fallen weg.
Die höchstens 16
Feldspieler pro Team berühren den Ball nur mit dem Schläger. Die Torleute tragen
ja ohnehin Schutzhandschuhe. Eine Stunde dauert eine Einheit. Jung bis Alt
können so von Montag bis Freitag zwischen 13 und 22 Uhr trainieren.
"Soziale
Kontakte sind das Wichtigste"
"Wir wollten
möglichst vielen die Chance geben, wieder ihren Sport auszuüben", erläutert
Kathrin Metzner lächelnd. Den Kindern nach diesen außergewöhnlichen Wochen
möglichst viel Normalität zu geben, darauf komme es an, ergänzt Tobias Wuttke.
"Die sozialen Kontakte sind das Wichtigste für die Kinder." Da er ohnehin
prozessorientiert arbeite und an der Entwicklung jedes einzelnen Spielers feile,
sei es gar nicht schlimm, dass es noch an Wettkämpfen fehle, auf die man
hinarbeiten könne.
Als die D-Knaben
nach dem Trainingsende den Platz oben am geschlossenen Clubhaus verlassen haben
und unten sich bereits das nächste Team aufwärmt, nehmen die sechs- bis
achtjährigen Jungen in der Teamzone Platz. Auf grün eingezeichneten Kreuzen auf
dem Boden, alle im passenden Abstand zueinander.
Nach einer kurzen
Manöverkritik des Trainers muss auch dieser nochmals kurz überlegen. Zum
obligatorischen Kampfspruch darf ja kein Kreis gebildet werden. "Geht aber auch
gut vom Platz aus", denkt sich Wuttke. Mit strahlenden Gesichtern rufen die
Kinder: "1, 2, 3 - HCH!" Endlich wieder Hockeytraining.
KOMMENTAR: Unseren
Kindern darf mehr zugetraut werden
Von Thorsten Remsperger (aus "Frankfurter Neue Presse" vom 21.05.2020)
Der Hessische
Fußball-Verband hat auf seiner Homepage einige Regeln zur Wiederaufnahme des
Trainingsbetriebs veröffentlicht. Das alles gilt für Mannschaften ab der
Altersklasse U12. Für Jüngere wird empfohlen, während der Pandemie erst wieder
zu trainieren, wenn die Kinder in der Schule oder im Kindergarten zwei Wochen
lang Erfahrungen mit Hygiene- und Abstandsregeln gesammelt haben.
Ein Beispiel dafür,
dass sich auch in Corona-Zeiten zeigt: Über das Wohlergehen der Kinder machen
sich Entscheidungsträger oftmals keine primären Gedanken. Kinder werden in
unserer Gesellschaft wieder einmal ungerecht behandelt.
Wer selbst Kinder
hat - und das dürften auch bei Entscheidungsträgern nicht so wenige sein - der
weiß aus eigener Erfahrung: Je jünger er ist, desto mehr orientiert sich der
Nachwuchs an den Eltern. Und an anderen Erwachsenen, die Autoritätspersonen
sind. Woher sollen die Erfahrungswerte denn auch sonst kommen? Wenn also die
"Großen" den "Kleinen" Abstands- und Hygieneregeln vorleben, sind Kinder die
Letzten, die auf die Idee kommen, diese bewusst zu missachten.
Warum also Kinder
von ihrem Hobby weiter ausschließen? Bis alle Grundschüler zwei Wochen lang
wieder einigermaßen normalen Unterricht erlebt haben, sind fast schon wieder
Sommerferien. Bis dahin ist viel Zeit vergangen, in denen Kinder die sozialen
Kontakte und persönliche Orientierung im Verein immer noch nicht erleben dürfen.
Dafür berichten aber im ungünstigen Fall ältere Brüder und Schwestern zu Hause
von ihren Erlebnissen im Training. Wie gemein muss das für ein Kind im
Kindergarten- oder Grundschulalter sein?
Der Hockey-Club Bad
Homburg beweist mit seinem Trainingskonzept, wie mehr als 300 Kinder und
Jugendliche pro Woche auch unter Corona-Regeln draußen ihrem geliebten
Mannschaftssport nachgehen können. Das lief bisher absolut reibungslos. Vor
allem für die Vorbereitung, aber auch die Umsetzung bedarf es jedoch viel
Manpower. Das will erst einmal alles auf die Beine gestellt werden.
Vereine, die viel
auf Jugendarbeit geben und ein solches Ziel auch kommunizieren, sollten jetzt
Zeit und Muse investieren. Egal, ob der Start für die nächste Saison absehbar
ist oder nicht. Egal, ob in Schutzmaßnahmen investiert werden muss. Die Kinder
werden es ihnen danken.
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