Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Tanja Dickenscheid

"Im Prinzip habe ich genug gespielt"

Bei Hockey-Nationalspielerin Tanja Dickenscheid tritt der Berufseinstieg an die erste Stelle / Für RRK weiter am Ball

Von Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 25.02.1999)

Eigentlich ist Tanja Dickenscheid ein ziemlich bodenständiger Mensch. Aus dem Rhein-Main-Gebiet wegzugehen, sagt die 159malige Hockey-Nationalspielerin des Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK), sei ihr bislang auch noch nie in den Kopf gekommen. Doch obwohl sie Großstädte eigentlich auch nicht so toll findet, ist der 29 Jahre alten Stürmerin die Vorfreude auf die Luftveränderung anzumerken, die Mitte März ansteht.

Begonnen hatte alles mit einer Stellenanzeige, die in der Vorweihnachtszeit in einer großen deutschen Tageszeitung geschaltet worden war. "Ich habe mich zwar beworben, mir aber eigentlich erst einmal wenig versprochen, als ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde", sagt Tanja. Verständlich, denn einmal lag der Firmensitz nicht nur knapp 200 Kilometer entfernt, sondern obendrein auch noch in der Großstadt Köln. "Ich bin deshalb auch ganz locker da reingegangen und habe das als eine Art Training angesehen".

Doch dann wurde es von einer Sekunde auf die andere richtig interessant: "Als mein Gesprächspartner mir eröffnete, daß die Firma ihren Sitz nach der Fusion mit Hoechst so bald wie möglich ins Rhein-Main-Gebiet verlegen wird, habe ich ganz große Ohren bekommen", so die angehende Diplom-Biologin. Da der genaue Zeitpunkt des Umzugs allerdings noch nicht feststeht, habe sie ein Wochenende lang überlegt, ob sie das plötzlich so reizvoll gewordene Angebot annehmen soll. Daß das Unternehmen bereit war, ihr einen Vertrag anzubieten, obwohl sie zwar die mündlichen Prüfungen an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz mit der Durchschnittsnote 1,67 bestanden, ihre praktische Arbeit im gentechnischen Labor der Firma Merck in Darmstadt aber noch nicht beendet hat, dürfte ebenso zur Entscheidungsfindung beigetragen haben, wie das private Umfeld.

Gratulation für Tanja Dickenscheid nach dem Gewinn der Deutschen Feldhockey-Meisterschaft 1995 mit den Damen des RRK

Die Nebenwirkungen, die dieser Schritt mit sich bringt, bekommt Berti Rauth mit am meisten zu spüren. "Natürlich habe ich mich sehr für Tanja gefreut, obwohl mir schlagartig klar geworden ist, was das für Konsequenzen hat", sagt der langjährige Rüsselsheimer Vereinstrainer. Während Tanja Dickenscheid, die 1985 von ihrem Heimatverein SV Gau-Algesheim zum RRK gewechselt war, zwar in Köln oder Leverkusen mittrainieren und zu den Bundesligaspielen anreisen will, ist ihre internationale Laufbahn vorerst beendet. "Ich habe dem Berti gesagt, daß ich sechs Monate Probezeit habe und mich in dieser Phase ganz auf den Job konzentrieren will", sagt Tanja. Folglich kann sie die umfangreiche Vorbereitung auf die Europameisterschaft Ende August, zu der auch das Turnier um die Champions Trophy im Juli in Australien zählt, nicht mitmachen. Und ob es danach noch einmal eine Rückkehr ins Nationalteam geben wird, vermag sie derzeit nicht zu sagen. "Ich muß erst einmal abwarten, wie sich alles so entwickelt. Ich habe zwar grundsätzlich immer viel auf die Reihe gekriegt, aber heutzutage ist es ja nichts Besonderes, wenn Überstunden gemacht werden. Daher weiß ich nicht, ob ich regelmäßig trainieren und meine Kondition halten kann. Im Prinzip habe ich auch genug gespielt. Und ich weiß nicht, ob ich nochmal so einen Aufwand betreiben will, zumal das Spiel auch immer körperlicher geworden ist", so Dickenscheid.

Den Eintritt ins Berufsleben vor Augen, kann sie selbst Sydney 2000 daher nicht reizen. "Total emotionslos" beschreibt sie ihre Gefühle, wenn sie auf eine mögliche dritte Teilnahme an den Olympischen Spielen nach 1992 und 1996 angesprochen wird. Dies unter Umständen auch deshalb, weil die angenehmen Erinnerungen an die Turniere unter dem Banner mit den fünf Ringen zeitlich weiter zurückliegen als die unangenehmen. "Vor Barcelona hatte ich gar keine Lust, weil ich befürchtet hatte, daß wir nach dem bißchen Vorbereitung nur auf die Mütze kriegen wurden. Und dann standen wir plötzlich im Finale, und ich wußte gar nicht, wie mir geschieht", erinnert sich Tanja an das 1:2 gegen Gastgeber Spanien. Die Silbermedaille müsse zwar wieder einmal geputzt werden, habe aber einen Ehrenplatz in ihrer Wohnung in Rüsselsheim bekommen. Vier Jahre später sei ihre Erwartungshaltung dann ungleich größer gewesen - und entsprechend frustrierend sei es gewesen, als in Atlanta der sechste Platz herausgekommen war.

Die zehn Jahre im Nationalteam bewertet sie im Rückblick aber ohne Abstriche positiv. "Ich bereue nichts und würde alles wieder so machen. Und ich habe bei meinen Bewerbungen auch den Eindruck gewonnen, daß meine sportliche Laufbahn insgesamt positiv beurteilt worden ist", sagt Tanja Dickenscheid. Ihre läuferischen Qualitäten, verbunden mit der Bereitschaft, sich trotz zahlreicher schwerer Verletzungen immer wieder heranzukämpfen, hatte auch dem früheren Bundestrainer Rüdiger Hänel imponiert. "In Sachen Einstellung zum Leistungssport ist sie ein Weltstar, absolut vorbildlich", so Hänel im Vorfeld der Weltmeisterschaft 1994. Und wer die stets freundliche Naturwissenschaftlerin kennt, weiß, daß sie versuchen wird, auch ihren Beruf in dieser Form auszuüben.

Obwohl der Naturrasen, auf dem sie deshalb so gerne gespielt habe, "weil es in Gau-Algesheim nur einen staubigen Hartplatz gab, man auf Rasen weniger Technik braucht und ich im Londoner Wembleystadion in meinem ersten Länderspiel gleich ein Tor geschossen habe", wohl keine Renaissance mehr erleben dürfte, hat Bundestrainer Berti Rauth ihr die Tür offengehalten: "Er hat mich zunächst in den B-Kader zurückgestuft. Aber er hat auch gesagt, daß ich so schnell kein Abschiedsspiel kriege". Daß das Nationalteam spätestens am 18. August wieder Thema wird, liegt auf der Hand: Am ersten Spieltag der EM trifft Deutschland auf die Tschechische Republik - in Köln.