Die Hockeyfreunde in und um Rüsselsheim müssen sich mit dem
Gedanken vertraut machen, dass ein weiterer gehaltvoller Name im erfolgreichen
Damenteam des Ruder-Klubs von 1908 so schnell und vielleicht überhaupt nicht
mehr in einer Mannschaftsaufstellung auftauchen wird. Nach Anke Wild, Bianca
Heinz, Eva Hagenbäumer und Britta Becker, die es überwiegend in norddeutsche
Großstädte gezogen hat, will Tanja Dickenscheid ihre erfolgreiche Laufbahn nach
17 Jahren allmählich ausklingen lassen. Nachdem sie im Alter von 16 Jahren vom
rheinhessischen Provinzklub SV Gau-Algesheim nach Rüsselsheim gewechselt war,
hatte sie im Lauf der Jahre als laufstarke Spielerin großen Anteil daran, dass
der Rüsselsheimer RK nach dem Aufstieg in die Hallen- und Feld-Bundesliga in den
neunziger Jahren national wie international von Titelgewinn zu Titelgewinn
eilte.
Dass die 33 Jahre alte Diplom-Biologin im zurückliegenden Oktober bei der
0:1-Niederlage im Viertelfinale der deutschen Feldmeisterschaft gegen den Club
an der Alster Hamburg womöglich ihr letztes Spiel für ihren Stammverein
absolviert hat, davon kann freilich noch keine Rede sein. "Ich habe bei einer
der ersten Mannschaftssitzungen nach der Feldsaison lediglich mitgeteilt, dass
ich in der Halle nicht mehr zur Verfügung stehe. Ich war nie der große
Hallengott und glaube auch nicht, dass die Mannschaft auf mich angewiesen ist.
Dafür ist die Personaldecke beim RRK qualitativ wie quantitativ einfach zu gut",
sagt Tanja Dickenscheid.
In ihrem Beruf zunehmend mehr
eingespannt, sei es ihr schon seit etwa zwei Jahren kaum noch möglich gewesen,
am Training teilzunehmen. Nachdem sich das anfangs in den Bundesligaspielen
nicht entscheidend bemerkbar gemacht hätte, habe sie zuletzt immer deutlicher
erkennen müssen, "dass älter werden und weniger
trainieren einfach nicht zusammenpasst, zumal ich nie das ganz große Talent war.
Und ich bin einfach nicht der Typ, der halbe Sachen macht oder eine Sonderrolle
haben mag." Nach all den Jahren und 189 Länderspielen könne sie aber mit einem
zufriedenen Gefühl zurückblicken: "Ich hatte eine sehr schöne Zeit und möchte
nichts missen. Aber ich denke, es ist einfach gut jetzt. Ich genieße es, abends
nur mal auf der Couch abzuhängen und nicht mehr meinen ganzen Terminkalender
nach Hockeyspielen und Training auszurichten." Der in Hamburg wohnende
Lebenspartner wird das Mehr an Freizeit bestimmt ebenfalls zu schätzen wissen.
Dass Tanja Dickenscheid aber noch nicht gänzlich mit Hockey und schon gar nicht
mit dem RRK abgeschlossen hat, dafür gibt es mehrere Gründe. "Ich habe bis zum
Schluss so einen guten Kontakt zum Team gehabt, dass ich diese Bindung nicht
verlieren will. Da liegt mir einfach etwas daran. Und deshalb werde ich in der
Halle bestimmt ab und an ins Training gehen und würde auch in der Meisterschaft
einspringen, wenn Not am Mann ist. Aber alles ohne Verpflichtungen eben", sagt
sie. Und dann ist da noch ihr langjähriger Trainer Berti Rauth: "Der Berti hat
gleich versucht, mit mir über die nächste Feldrunde zu verhandeln. Und weil er
wegen der dann eingleisigen Bundesliga nicht lockergelassen hat, haben wir uns
darauf geeinigt, dass wir zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal darüber reden.
Schließlich sind es noch ein paar Monate bis dahin." Also bleibt allen beim RRK
nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben und abzuwarten, wie der
Titelverteidiger und abermalige Europacupstarter vom Untermain erstmals ohne
seine "Arbeitsbiene" durch die am Wochenende beginnende Hallenrunde kommt.
Dass sie in Rüsselsheim Tanja Dickenscheid arg vermissen werden, obwohl mit Lena
Schüder eine talentierte Spielerin nach zwei Jahren beim Erstligaverein Club
Raffelberg-Duisburg zum RRK zurückgekehrt ist, kann als sicher gelten. Trainer
Berti Rauth etwa bedankt sich im Programmheft für die Hallenrunde ausdrücklich
vorab schon einmal "für ihre über Jahre hinweg phantastischen Leistungen". Doch
nicht nur sportlich wird die athletische Spielerin, die als einzige an allen elf
Europapokalsiegen des RRK in der Halle als Hereingeberin der Strafecken
maßgeblich beteiligt war, einigen sehr fehlen. Irene Balek etwa muss sich nun
während der langen Videobesprechungen einen anderen Zeitvertreib suchen. Bislang
hatte sich die österreichische Nationalspielerin damit abgelenkt, "Tanja zu
beobachten, wie sie verzweifelt versucht, sich Locken ins Haar zu drehen".
Die
RRK-Damen gewinnen 2001 in Les Ponts de Cé den Hallen-Europacup
zum 10. Mal, zum zehnten Mal dabei: Tanja Dickenscheid (Denise Klecker, Nicole Hardt, Lisa Jacobi,
Jennifer Lutz, Mandy Haase, Lena Schüder, Jana Schwärzel,
Irene Balek, Nina Günther, Sybille Breivogel, Tanja
Dickenscheid) |
Verabschiedung aus der deutschen
Hockey-Nationalmannschaft: Anlässlich des Panasonic-Masters im Juni
2001 in Hamburg werden vor einem großen Publikum erfolgreiche
ehemalige Damen-Nationalspielerinnen verabschiedet: Katrin Kauschke
(Berliner HC), Inga Möller (Berliner HC), Tanja Dickenscheid (RRK)
und Simone Grässer (RTHC Leverkusen). Umrahmt werden die Damen von
dem DHB-Präsidenten Dr. Christoph Wüterich und dem DHB-Sportdirektor
Dr. Lutz Nordmann. |