Sportler im allgemeinen,
Hockeyspielerinnen im speziellen, leben gefährlich. Zu den "normalen"
Verletzungen des Gelenk- und Bänderapparates kommen die "Bedrohungen" durch
Schläger und Ball. Mit der rund 180 Gramm schweren Hockeykugel hat besonders
Susanne Müller vom Rüsselsheimer Ruder-Klub (RRK) schon schmerzhafte
Bekanntschaft gemacht und daraus ihre Konsequenz gezogen: Im Vereins- und
Nationalteam beugt die 22 Jahre alte angehende Krankengymnastin mit einem nicht
unbedingt attraktiven, aber überaus sinnvollen Spezialmundschutz unliebsamen
Überraschungen vor.
Rüsselsheims OB Norbert Winterstein
gratuliert Susanne Müller zu Silber bei Olympia 1992 |
Entsprechend trug die
rechte Außenverteidigerin am vergangenen Sonntag auch die 29. Minute des dritten
WM-Gruppenspiels gegen Europameister England (3:0) mit Fassung. Ein von ihrer
Mannschaftskameradin Irina Kuhnt (Berliner HC) abgelenkter Freischlag landete am
Hals von Susi Müller. "Halb so schlimm", zeigte sich die frühere Hanauerin hart
im nehmen, denn der Abdruck des Balles war auch nach Spielschluß noch deutlich
erkennbar.
Weniger der
Nehmerqualitäten wegen, als vielmehr aufgrund ihres Fleißes und ihrer
Vielseitigkeit hat es Susanne Müller in nicht einmal drei Jahren zu einer
Stammspielerin in der DHB-Auswahl gebracht. In Barcelona vor zwei Jahren froh,
überhaupt im Aufgebot des späteren Silbermedaillengewinners zu stehen, ist die
spielerisch gereifte Abwehrstütze mit stetigem Vorwärtsdrang aus dem
Nationalteam inzwischen gar nicht mehr wegzudenken. "Susi ist eine echte
Fleißspielerin, die oft unscheinbar, aber sehr viel für die Mannschaft arbeitet.
Ihre Verwendbarkeit auf verschiedenen Positionen wie auch ihre
Aufnahmebereitschaft für bestimmte Aufgaben macht sie so wertvoll für uns", hält
Bundestrainer Rüdiger Hänel große Stücke auf den Blondschopf.
Die erste WM-Teilnahme
im Damenbereich ‒ vergangenen Herbst stand bereits die Junioren-WM in Spanien
auf dem Terminkalender ‒ beschert Susi Müller an diesem Dienstag in Dublin ein
Jubiläum: In der für die deutsche Mannschaft bedeutsamen vierten Gruppenpartie
gegen China bestreitet sie das 50. Spiel ihrer noch jungen Länderspielkarriere,
die im September 1991 mit einem 4:2-Sieg über Südkorea in Berlin begonnen hatte.
"Schön, aber das wusste ich gar nicht. Normalerweise ist diese Zählerei nicht so
wichtig für mich", nahm Susi Müller die Information des bevorstehenden
Ereignisses in der ihr eigenen Art zur Kenntnis.
Dass sie in Dublin von
Beginn an in der ersten Aufstellung stand, habe sie eher überrascht. "Meine
konstanten Leistungen in den abschließenden Vorbereitungsspielen haben den Rüdi
(Bundestrainer Rüdiger Hänel) wohl überzeugt", vermutet Susi, die auch
in Irland wieder mit Stammpartnerin Heike Lätzsch (RTHC Leverkusen) das Zimmer
teilt. "Wir verstehen uns so gut, und die Rüsselsheimerinnen sehe ich doch so
oft", so ihre ebenso einfache wie logische Erklärung. Nicht "normal" indes ist
für sie die Tatsache, dass diesmal weniger Zeit als sonst bleibt, neben der
Sportarena auch das Land kennenzulernen. "Bis jetzt haben wir eigentlich noch
gar nichts gesehen. Aber eine WM ist halt eine ganz wichtige Sache."
Wenn Susi Müller derzeit
weder sportlich ("Uber Atlanta habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.") noch
beruflich Zukunftspläne schmiedet, dann deckt sich dies mit ihrer
WM-Philosophie. "Ich möchte ins Halbfinale, und was danach kommt, ist mir jetzt
noch völlig egal." Nicht gleichgültig sind ihr dagegen Name und Spielart ihrer
Gegnerinnen. "Ich spiele prinzipiell gerne gegen renommierte Spielerinnen", sagt
sie, wobei sie noch einmal unterscheidet: "Athletik und Kampf sind mit lieber
als die wusselige Art der Asiatinnen." Dass ihr 50. Länderspiel bei der WM
ausgerechnet gegen China geht, bereitet ihr indes keine Sorge. "Wir gewinnen auf
jeden Fall ‒ und zwar zu Null."