FRANKFURT. Meister würde sie "Saugern" werden. Die Chancen auf einen
deutschen Meistertitel haben sich für Susanne Müller erheblich verbessert. Die
19 Jahre alte Hockey-Nationalspielerin des Hanauer THC wechselte zum zweimaligen
Hallenmeister und Europapokalsieger Rüsselsheimer RK. Und die RRK-Damen sind bei
der an diesem Samstag beginnenden Bundesligarunde wieder Favorit, auch wenn
Trainer Berti Rauth dies vor dem Auftaktspiel beim Feldmeister Eintracht
Frankfurt naturgemäß anders sieht. "Wir müssen einige neue Spielerinnen
integrieren. Das wird seine Zeit dauern."
Susanne Müller hat dazu nicht lange benötigt. Selbst der Trainer sagt, er habe
gestaunt, in welcher Windeseile sie sich spielerisch und menschlich in der neuen
Umgebung zurechtgefunden habe. Dabei entspricht das nur ihrem Naturell. Wer mit
Susanne Müller zu tun hat, weiß nur Gutes zu berichten. "Total goldig", "richtig
lieb", "echt süß" − jeder scheint die Susi zu mögen. "Och, ich bin eigentlich
nur ganz normal", sagt die angehende Krankengymnastin und kann sich mit den
Komplimenten auch nicht richtig anfreunden. "Das klingt so, als ob ich ein
kleines doofes Kind wäre."
Einige Monate später
hat Susanne
Müller eine Silbermedaille in Händen. "1
mal Gold und 5 mal Silber", das bringen sechs RRK-Hockeyspieler/innen von den Olympischen Sommerspielen 1992
in Barcelona mit nach Rüsselsheim (Susanne Müller, Britta
Becker, Christopher Reitz, Bianca Weiß, Eva Hagenbäumer,
Tanja Dickenscheid) |
Das ist sie mit 19 Jahren gewiss nicht mehr. Als sie noch ein
"Kind" war, hatte
die Hanauerin schon einmal die große Chance, einen Meistertitel zu gewinnen.
1988 führte der Hanauer THC im deutschen Feldendspiel 2:1 gegen den SC Frankfurt
1880, und ausgerechnet die Jüngste hatte das leere Tor und keinen Gegenspieler
mehr vor sich und traf dennoch nicht. Die Frankfurterinnen gewannen noch 3:2.
Vergessen hat Susi Müller die Szene nicht. "Ich denke noch oft daran", sagt sie.
Vielleicht zu oft. Seitdem hat sie kein Tor mehr auf dem Feld erzielt.
Ihrer spielerischen Entwicklung hat dieser
"kleine Albtraum" dennoch nicht
geschadet. In diesem Jahr ging ihr alles sogar etwas zu rasch. Als feste Größe
der Juniorinnen-Nationalmannschaft wollte sie sich etablieren und gehört
plötzlich zum A-Kader. Dem Debüt bei der "Champions Trophy" im September in Berlin
folgte gleich die Reise zur Olympia-Qualifikation in Neuseeland. "Das habe ich
alles nicht erwartet", sagt sie und findet die Entwicklung nicht einmal
uneingeschränkt gut. "Wenn die Nationalmannschaft immer jünger wird, haben die
Juniorinnen überhaupt keine Chance, sich als Mannschaft einzuspielen." Wer so an
die anderen denkt, muss sich nicht wundem, überall beliebt zu sein.
Mit dem Wechsel nach Rüsselsheim haben sich nicht nur die Chancen auf einen
Meistertitel erhöht. Auch eine Nominierung für die Olympischen Spiele wird bei
der Spitzenmannschaft mit ihren nun fünf A-Nationalspielerinnen eher möglich
sein als beim Abstiegskandidaten Hanau. Doch kühles Planen habe nicht den
Wechsel bestimmt. "Mein Entschluss, nach Rüsselsheim zu gehen, stand schon fest,
als ich noch gar nicht an die "Champions Trophy" gedacht habe."
Die ersten Trainingswochen haben ihr schon bestätigt, das Richtige
zum richtigen Zeitpunkt getan zu haben. "Das Training ist ganz anders, auf einem
viel höheren Niveau", urteilt die Spielerin. Und der neue Trainer freut sich
über die spielerische Bereicherung seiner Mannschaft. "Man merkt schon,
dass sie
Hockey nicht in Rüsselsheim gelernt hat. Sie ist eine hochtalentierte und
interessante Spielerin, die aber noch viel besser werden kann. Und weil sie die
Leistungsträgerin in Hanau war, ist sie auch schon selbstbewusst genug, mal etwas
auf eigene Faust zu machen", sagt Rauth. Vor allem ist Susi Müller vielseitig.
In der Nationalmannschaft ist sie schon als linker und rechter Verteidiger, im
Mittelfeld und zuletzt gar als Rechtsaußen aufgetaucht. Vielseitig verwendbar,
sehr ehrgeizig - und doch erst einmal mit bescheidenen Zielen. "Ich wollte
endlich mal bei einer Mannschaft spielen, die nicht immer verliert. In Hanau
haben wir schon in der Jugend immer verloren." Diese Erlebnisse gehören nun zur
Vergangenheit. Meister Rüsselsheim strebt schließlich nach
Höherem.
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"Jubel am andern
Ende der Welt." Die deutsche Damen-Nationalmannschaft mit fünf RRK-Damen
gewinnt
am 26. Oktober 1991
in Auckland (Neuseeland) das Qualifikationsturnier für die Olympischen
Spiele 1992 (hinten: Nadine Ernsting-Krienke, Tanja Dickenscheid, Britta
Becker, Katrin Kauschke, Eva Hagenbäumer, Caren Jungjohann, Susi
Wollschläger, Vanessa Schmoranzer, Bundestrainer Rüdiger Hänel,
Damenwartin Magda Esser; vorn: Physio Hans Flötmeyer, Teammanagerin Rosi
Reinhardt, Irina Kuhnt, Bianca Weiß, Susanne Müller, Heike Lätzsch,
Simone Thomaschinski, Franziska Hentschel, Tina Peters, Melanie Cremer) |
Fünf RRK-Damen ab nach Neuseeland
Von Martin Krieger (aus "Main-Spitze"
vom 5. Oktober 1991)
Gestern ging's los: Vom Frankfurter
Flughafen aus starteten 16 junge Hockey-Damen nebst Betreuerstab in Richtung
Neuseeland, wo vom 12. bis 26. Oktober in Auckland die letzten fünf Mannschaften
für das Olympische Hockeyturnier '92 in Barcelona gesucht werden. Mit der
Vize-Europameisterschaft sowie dem beachtenswerten zweiten Platz bei der
Champions Trophy im Rücken kann Bundestrainer Rüdiger Hänel (Leverkusen) die
Aufgabe selbstbewusst angehen. In ihrer sechsköpfigen Vorrundengruppe −
insgesamt zwölf Teams bewerben sich − muss die Auswahl des Deutschen
Hockey-Bundes (DHB) vornehmlich Südkorea und Neuseeland beachten. Gelingt ein
Sieg gegen einen dieser beiden Rivalen, dann wäre die Olympia-Fahrkarte gelöst.
Mit dazu beitragen sollen und wollen auch fünf Spielerinnen des Rüsselsheimer
RK: Britta Becker, Eva Hagenbäumer, Tanja Dickenscheid, Bianca Weiß und Susanne
Müller.