Aus "https://www.taunus-nachrichten.de"
vom 11.03.2020
(fch). Männer, die
ihre Konflikte mit Schreien, Schubsen und Schlagen lösen, sind bei Sebastian
Göbel richtig. Der Diplom-Sozialpädagoge bietet beim Diakonischen Werk
Hochtaunus Beratung und Training für Männer, aber auch Frauen und Paare mit
Gewaltproblematik an. "Im Jahr 2017 gab es über 132.000 Fälle von häuslicher und
Beziehungsgewalt in Deutschland. In über 80 Prozent waren Männer die Täter und
Frauen die Opfer. Gewalt gibt es in allen Nationalitäten und sozialen Schichten.
30 Prozent der Fälle kommen in den höchsten Bildungsschichten vor. Fast drei
Viertel der Fälle betreffen Deutsche", berichtet Sebastian Göbel, der die
Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts regelmäßig auswertet.
Er ist seit April
2019 beim Diakonischen Werk Hochtaunus beschäftigt. Zudem ist Göbel
ausgebildeter Musiktherapeut und Heilpraktiker, eingeschränkt für
Psychotherapie. Er hat 16 Jahre Berufserfahrung mit psychisch Kranken, davon
sechseinhalb Jahre stationär und neuneinhalb Jahre ambulant. Er bildet sich
ständig berufs- und praxisbegleitend weiter, derzeit zum Täterarbeiter. Zu
seinen kräftezehrenden Aufgaben in Bad Homburg gehört die Männer-/Täterarbeit,
die Beratung von Paaren und das Projekt "Stopp Partnergewalt im Stadtteil".
Letzteres richtet sich mit Aufklärung und Information ans Umfeld, an Nachbarn,
Freunde und Kollegen.
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Glückliche Sieger: Sebastian Göbel vom RRK
und Rudolf Axthelm vom Flörsheimer RV gewinnen 2015 Mastersrennen im
Doppelzweier |
"Häusliche Gewalt
ist kein privates Problem, sondern ein gesellschaftliches", betont der
44-Jährige. Deshalb bietet er Info- und Diskussionsveranstaltungen "Gegen
Partnerschaftsgewalt" an. Sie finden im Stadtteil- und Familienzentrum Kirdorf,
Kirdorfer Straße 90, immer mittwochs am 24. Juni und 30. September jeweils von
19 bis 20.30 Uhr statt. Auf der Agenda stehen die Themen Partnerschaftsgewalt,
Formen der Gewalt und die Frage "Was kann ich als Nachbar/in tun?". Eines ist
klar: Gewalt verstößt gegen Recht. Zudem sind im Haushalt lebende Kinder immer
von Partnerschaftsgewalt mitbetroffen, auch dann, wenn sie selbst kein Opfer der
Gewalt und bei der Tat nicht zu Hause sind. Gewalttätiges Verhalten ist erlernt,
bedeutet "so komme ich durch". Es ist in gesellschaftliche und historische
Kontexte eingebettet. "Die Täter sind zu 100 Prozent für ihre Handlung
verantwortlich, der eine bewusste Entscheidung zugrunde liegt", stellt
Sozialpädagoge Göbel klar. Zu den Aufgaben des Männerberaters gehört es, darauf
zu achten, dass es in den Gesprächen nicht zu Verharmlosungen,
Tat-Bagatellisierung oder Schuldzuweisungen an andere kommt. Im vergangenen Jahr
führte er 334 Beratungsgespräche mit Männern und 20 mit Frauen, die Opfer
geworden waren. Von den gewalttätigen Männern sind 35 Prozent zwischen 40 bis 49
Jahre, 28 Prozent von 30 bis 39 Jahre, 14 Prozent von 20 bis 29 Jahre sowie von
50 bis 59 Jahre und zehn Prozent unter 20 Jahre alt.
Außer der
Männerberatung führt Sebastian Göbel auch ein Anti-Gewalt-Training durch. Es ist
an BAG-Standards (Standard der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche
Gewalt) angelehnt. Es beinhaltet eine 20-stündige Schweigepflichtentbindung
gegenüber dem Opfer und allen beteiligten Institutionen (Polizei, Gericht,
Jugendamt). Trainingsziel ist eine Veränderung des Verhaltens herbeizuführen.
Be- und angesprochen werden Stärken und Schwächen, Aufreger-Themen, Bewertungen,
Männer- und Frauenbild, Vater- und Mutterrolle, die Biografie, Tatrekonstruktion
und ein Notfallplan. Dazu gehören auch die Erarbeitung einer
Empathie-Entwicklung für das Opfer, eine gewaltfreie Konfliktlösungsstrategie
sowie Verantwortungsübernahme. Auch ein Gespräch mit dem Opfer gehört dazu, das
er nach der Situation vor der Tat, dem Tathergang und Verhalten befragt.
Seit April 2019
haben 51 Männer am Anti-Gewalt-Training teilgenommen. "Von den 51 Männern waren
18 bereits im Jahr 2018 da und 33 zum ersten Mal. Von den 51 Männern hatten 19
einen Migrationshintergrund (37 Prozent). Zudem kamen 31 Männer aus dem
Hochtaunuskreis, 15 aus Bad Homburg und fünf aus dem Umland. 15 Männer kamen aus
Eigenmotivation, 33 aus anderen Beratungsstellen, acht Teilnehmer hatte das
Gericht mit der Auflage ein Anti-Gewalt-Training zu machen, geschickt",
informiert Göbel.
Nach dem Training
gingen Fälle häuslicher Gewalt um die Hälfte zurück. "Täterarbeit ist aktiver
Opfer- und Kinderschutz." Viele gewalttätige Männer seien in Not. "Ich habe eine
klare Haltung gegen Gewalt, aber nicht gegen den Täter. Das Thema ist mit vielen
negativen Emotionen wie Scheu, Hilflosigkeit, Wut oder Abwertung besetzt. Viele
Männer schrecken Begrifflichkeiten wie 'Täter‘ ab." Ausschlusskriterien sind die
Verweigerung der Schweigepflichtentbindung, eine aktuelle Suchtproblematik,
psychische Erkrankungen und Sprachbarrieren. Voraussetzung für eine erfolgreiche
Beratung oder ein Training sind Offenheit, Ehrlichkeit und die Bereitschaft, die
Chance, Hilfe zu finden, zu ergreifen.