Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Roland von zur Mühlen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Roland von zur Mühlen

"Mit schweren Schritten aufs Schafott"

Geschichte und Geschichten rund um den Galgen

Rezension von Prof. Dr. jur. Heinz Christian Hafke (aus "Nachrichtenblatt der Baltischen Ritterschaften" vom Juni 2022)

Schafott und Galgen (als pars pro toto genannt, denn auch Schwert, Guillotine, Giftspritze und Erschießungskommandos vervollständigen längst nicht alle bekannten Todeswerkzeuge): Sie alle schrecken und lassen die Öffentlichkeit schaudern. Zugleich geht von allen eine schauerliche Faszination aus. In seinem Werk verbindet der Autor gekonnt die Darstellung von Rationalem und Irrationalem dieses Bereichs. Es geht dabei um das staatlich angeordnete Ende für menschliches Leben: das Leben derer, die nach Gesetz und Recht ‒ auch Willkür ‒ durch ihr Handeln sich so sehr außerhalb der Gesellschaft gestellt haben sollen, dass sie darin nach den jeweils herrschenden Regeln keinen Platz mehr finden dürfen ‒ zur Abschreckung, Vergeltung ‒ und zur Wahrung des Friedens.

Faktum, Ahndung und ihre finale Umsetzung sind so alt wie jede menschliche Gruppierung. Und wie diese selbst, haben sich auch vielfältige Formen der Vollstreckung von Todesurteilen entwickelt. Auch hierfür gab und gibt es Brauchtum, Regeln ‒ bis hin zu förmlichen Ritualen, wie sie im Sachsenspiegel, in der Carolina oder im Allgemeinen Preußischen Landrecht überliefert sind. In ihnen allen spiegelt sich der Wandel von Recht, Kultur und Religion über Jahrtausende hinweg. Von zur Mühlen hat zur Nachverfolgung dessen und zum Bedenken der aktuellen Situation in Staaten, welche die Todesstrafe immer noch anwenden, ein lesenswertes, packendes Kompendium erstellt. Dessen Lektüre fasziniert den interessierten Leser, sowohl den, der nicht "vom Fach" ist (etwa den Kriminologen oder Rechtshistoriker) ebenso wie den Sachverständigen. Weiterführende Hinweise für beide Zielgruppen liefert ein breit aufgestellter Anhang mit Literatur und Anmerkungen, Abbildungsnachweisen und Personenregister.

Eine breite Leserschaft erreicht der Autor mit seiner eingängigen Sprache, der anspruchsvollen Aufmachung des Buches samt seiner reichhaltigen Illustration z. T. aus fast unzugänglichen Archiven ‒ aber auch mit einem klar gegliederten Inhalt in vier Teilen. Der letzte ("Die Würde des Menschen ist antastbar") bietet Anlass zum Nachdenken über das Grundrechtspostulat "Die Würde des Menschen ist unantastbar" (Art. 1 GG), insbesondere über die Berechtigung der Todesstrafe und die Arten ihrer Vollstreckung bis in die jetzige Zeit.

Eine Fülle der Schilderung von vielfachen Einzelschicksalen über die Jahrhunderte hinweg ("Zweiter Teil: Wem die Stunde schlägt") untermauert die Ausführungen. Dieser Teil bildet ein Kernstück der Arbeit des Autors, weil in solcher Dichte und Prägnanz vielfach unbekannt. Es geht dabei um die Galgenfrist, die ihren Anfang mit der Verkündung des Urteilsspruchs nimmt. Sie endet, und das ist der Mittelpunkt jeder Darstellung, mit dem spannenden letzten Tag des Verurteilten. Der Leser findet hier etwa die Urteile und Todeswege von König Ludwig XVI und Königin Marie-Antoinette. Auch das Schicksal des Grafen Struensee, der Gedanken der Aufklärung in Staatsführung und Gesellschaft hatte einbringen wollen und als Leibarzt und Vertrauter des dänischen Königs Christian VII auf der Richtstätte endete, wird aufgegriffen (hierzu der verfilmte Historienroman von Lars Olof Enquist, "Der Besuch des Leibarztes").

Königlichen Bezug hat auch das Ende der russischen "Lady Mary Hamilton" (Maria Danilovna Gamontova) am Zarenhof unter Peter dem Gr.: Dieser führte seine vormalige Mätresse nach einem Todesurteil wegen Kindestötung am Arm zum Schafott, hob dann den abgeschlagenen Kopf an den blonden Haaren auf und küsste ihn auf Wangen und Mund; sodann übergab er ihn einem Hofbeamten zur Einlieferung in die Sammlung der Anatomie. Auch mit baltischem Bezug wartet der Autor auf, nämlich mit dem Ende des Diplomaten Johann Reinhold von Patkul als Verteidiger der Landesrechte Livlands; er geriet schließlich in schwedische Hände und wurde auf Befehl von König Karl XII als Landesverräter gerädert und gevierteilt. Einem ganz anderen casus begegnen wir in der Person des Johann Uexküll von Riesenberg als Landrat und Herr auf den Gütern Riesenberg und Tolks. Er hatte einen nach Reval geflohenen Bauern wegen behaupteter verschiedener Vergehen dort ergreifen und später grausam zu Tode foltern lassen. Der Rat der Stadt sperrte ihm das Geleit. Dennoch betritt er in stolzer Verachtung der Bürger und ihrer Privilegien und im Vertrauen auf seine Adelsvorrechte städtisches Territorium. Das musste er mit dem Leben bezahlen. Die Familie erklärte der Stadt die Urfehde. Die Gefahr gewaltsamer Weiterungen aus dieser Kollision unvereinbarer Rechte wurde viele Jahre später durch eine gütliche ‒ geldwerte ‒ Einigung zwischen den Parteien gebannt. Der Autor arbeitet treffend heraus, dass hier ein bemerkenswerter Kollisionsfall zweier Rechtsordnungen vorlag. Der Rechtshoheit der Stadt Reval über ihr Territorium stand das Standesrecht der Ritterschaft hinsichtlich ihrer Standesgenossen gegenüber.

Kurzum: Man mag das Buch am liebsten in einem Zug lesen und die Abbildungen betrachten. Das aber schafft kein noch so eifriger Leser ‒ und so liest sich "der von zur Mühlen" auch gefällig Seite für Seite oder Kapitel für Kapitel ‒ in jedem Falle aber mit großem Gewinn.


Georg Olms-Verlag, Hildesheim-Zürich-New York, 2022, 468 S.,195 Abb., f 48.

Der Rezensent Prof. Dr. jur. Heinz Christian Hafke ist Rechtsanwalt in Frankfurt und Honorarprofessor mit der Lehrbefugnis für internationales Bank-, Währungs- und Finanzrecht. Er wurde von Prof. Dr. Adalbert Erler am Institut für deutsche Rechtsgeschichte in Frankfurt promoviert.