Von Daniela Ammar
(aus "Main-Spitze" vom 20. März 2019)
"Der größte Wunsch
meines Vaters war stets, sich selbstständig machen zu können": Mit diesen Worten
wird Mila Gorr, geborene Fritz, in der Firmenchronik der Elektro-Firma Rudolf
Fritz zitiert. In diesem Jahr begeht das Unternehmen sein 100-jähriges Bestehen.
Aus dem 1919 gegründeten Familienbetrieb wurde im Laufe der Zeit ein Unternehmen
mit elf Niederlassungen und rund 600 Mitarbeitern, das auf einen Jahresumsatz
von rund 100 Millionen Euro blicken kann.
Im Jahr 1911 kam
Rudolf Fritz als 25-Jähriger aus Mülheim an der Ruhr nach Rüsselsheim und macht
sich bereits 1919, nach seiner Rückkehr aus dem Krieg, selbstständig. Die gute
Auftragslage durch den Rüsselsheimer Automobilbauer Opel ermöglicht die
Einstellung von Elektrikern und die Eröffnung eines Elektroladens in der
ehemaligen Metzgerei von Fritz‘ Schwiegereltern.
In den folgenden
Jahren stoßen nicht nur Rudolf Fritz‘ Schwager, sondern auch Tochter Lini zum
Unternehmen. Im Jahr 1934 zählt das Unternehmen mehr als 100 Mitarbeiter, die
bei Opel und an vielen anderen Stellen in Rüsselsheim tätig sind.
Rudolf Fritz GmbH
Branche: Komplettdienstleister im Bereich Elektro-
und Gebäudetechnik, gegründet 1919, zählt 620 Mitarbeiter (davon 296 in
Rüsselsheim). (amm |
Mit dem Beginn des
Zweiten Weltkriegs endet jedoch die gute und arbeitsreiche Zeit. Die Elektriker
des Unternehmens werden eingezogen, so dass die Abteilung geschlossen wird und
die Ankerwickelei von Frauen betrieben werden muss. Auch Rudolf Fritz jr., der
als Firmennachfolger vorgesehen war, muss zum Militär und stirbt im April 1941
bei der Überfahrt nach Afrika. Bei einem Luftangriff im Jahr 1944 wird das
Wohnhaus der Familie beschädigt, das Mietshaus zur Hälfte abgerissen und die
Werkstatt komplett zerstört. Reste der Werkstatt verlegt Rudolf Fritz in den
Festungskeller, wo der Reparaturbetrieb allmählich wieder anläuft.
Nach dem Einmarsch
der Amerikaner wurde das Wohnhaus der Familie konfisziert, zudem war es Rudolf
Fritz untersagt, seine Werkstatt zu betreten. Ein durch Brandstiftung
verursachtes Feuer zerstört das Ersatzwerk in der Festung völlig und Fritz steht
vor dem Nichts. Seine Tochter, Mila Gorr ermutigt ihren Vater, nicht aufzugeben
und neu anzufangen.
In Gesprächen mit
dem Autobauer Opel erreicht Fritz, dass ihm ein Platz in der Rheinstraße zur
Verfügung gestellt wird, wo er Holzhalle und Lager errichtet. Nach und nach
kehren die Ankerwickler zurück, und auch der aus der Gefangenschaft
zurückgekehrte Schwiegersohn Rolf Gorr unterstützt seinen Schwiegervater in
dessen Unternehmen.
1950 kündigt Opel
Rudolf Fritz das zur Verfügung gestellte Gelände, doch die Stadt bietet dem
Unternehmer ein Gelände in der Hans-Sachs-Straße an, wo das Unternehmen bis
heute ansässig ist. In den Fünfzigerjahren boomt das Geschäft und weist einen
Umsatz von 750.000 Mark aus.
1961 wird Heinz
Sauer zum Geschäftsführer bestimmt, der später neben Rudolf Fritz‘ Enkeln als
Kommanditist beim Unternehmen einsteigt. Die 1960 aufgenommenen
Geschäftsbeziehungen zu Daimler-Benz werden nach und nach vertieft und sowohl in
Bremen, als auch in Hamburg und später in den neuen Bundesländern und Asien
werden neue Firmenstandorte gegründet. 2008 kündigt Großkunde Daimler sämtliche
Verträge, was nicht nur Kurzarbeit und die Trennung von 400 Fremdarbeitern zur
Folge hat. 2012 ist das Unternehmen auf Grund ausbleibender Zahlungen
zahlungsunfähig und wird an die Elevion GmbH verkauft, was als Neuanfang gilt.
Doch wie ist es,
ein Unternehmen mit 100-jähriger Firmengeschichte in die Zukunft zu führen? "Das
Entdecken von Chancen und Durchsetzen von Innovationen sind unverwechselbare
Eigenschaften von Rudolf Fritz", sagt Geschäftsführer Roland Fischer, während
Geschäftsführer Werner Nickel betont: "Auf die Verbundenheit der Belegschaft mit
dem Unternehmen ist man sehr stolz. Es gibt viele Kollegen, die schon 25 Jahre,
40 Jahre oder noch länger bei Rudolf Fritz sind."
Während der Vater anfangs der
20er Jahre nur ab und zu im Ruderboot sitzt, rudert der Sohn Rudolf Fritz jr.
intensiver: Ungeschlagen auf Regatten im Jahr 1933, der Schülerachter des Rudervereins
Rüsselsheim, hier Betreuer Emil Zogbaum, Trainer Fritz Brumme, ein junger
Fan sowie die Mannschaft mit
Hermann Kremmler, Schlagmann Edgar Klein, Hans Mietzschke, Wilhelm Reinheimer, Karl
Schömbs, Rudolf Fritz jr., Hans Knoll, Steuermann Josef Saar und Heinrich
Berner |
|
|
Die Töchter Lini und Mila
Fritz spielen Hockey, hier die Damen-Hockeymannschaft des Rudervereins Rüsselsheim
1932 (hinten: Wilhelmine Loos, Elisabeth Schildge, Anni Martin, Aenne Heuß,
Margot Herrmann, Mila Fritz, Maria Seibert, Helma Hummel, Lini Fritz; vorn:
Pauline Vollmar, Herta Ulrich, Lotte Jurisch, Berta Hartherz) |