Erfolg durch
Bescheidenheit - 65 Jahre Reinhold Brumme
Ans Aufhören will der
agile Unternehmer nicht denken
Aus "Main-Spitze" vom
20.08.1993
pk. - An seinem
35jährigen Betriebsjubiläum stand es noch groß in der "Main-Spitze": Reinhold
Brumme, Aufsichtsratsvorsitzender der Effbe-Werke in Raunheim, will sich nach
seinem 60. Geburtstag aus dem Geschäft zurückziehen. Das war vor sechs Jahren.
Heute, an seinem 65. Geburtstag, denkt der agile Unternehmer noch längst nicht
ans Aufhören: "Mir macht mein Job nach wie vor Spaß", räumt er alle Zweifel an
seiner Arbeitslust beiseite. Mit 65, sagt er schmunzelnd, sehe er nicht ein,
sich plötzlich aufs Altenteil zu begeben - schon allein der Familie wegen: "Wenn
ich das nicht mache, kann ich das von anderen Familienmitgliedern auch nicht
erwarten."
Gemeint sind Mutter und Schwester,
die beide gemeinsam mit ihm an verantwortlicher Stelle die Fäden des
Familienunternehmens in den Händen halten. Und wenn auch die plötzlich
aussteigen, dann geht die Ära des Familienunternehmens, das Vater Fitz Brumme
nach dem Krieg aus dem Boden gestampft hat, endgültig ihrem Ende zu: Aus der
nachfolgenden Generation des Brumme-Clans ist nämlich keiner bereit, künftig den
Betrieb zu führen. "Die Jugend", räumt der unumstrittene Chef des Unternehmens
ein, "hat eben andere Interessen": Sein Sohn und auch die beiden Kinder seiner
zweiten Frau hat es in eine andere Richtung verschlagen. Und da bleibt dem
umtriebigen Strippenzieher im Hintergrund - Brumme: "Als
Aufsichtsratsvorsitzender hat man schließlich viele Eingriffsmöglichkeiten in
die Geschäftsleitung" - nichts anderes übrig, als noch ein Weilchen die Fäden
selbst in der Hand zu halten und für einen ordentlichen Abgang "in ein paar
Jahren" zu sorgen.
Reinhold Brumme, als Steuermann Deutscher Meister 1943 im
Leichtgewichts-Jugendvierer mit Stm. für die Renngemeinschaft
Rüsselsheimer RK/Flörsheimer RV gegen 15 Gegner in Wien: Peter
Messerschmitt (FRV), Herbert Missler (RRK), Stm. Reinhold Brumme (RRK),
Karl Breckheimer (FRV) und Alfred Buch (RRK) |
Der Unternehmer Reinhold
Brumme, am 20. August 1928 in der Bahnhofstraße 20 zur Welt gekommen, kann eben
nicht aus seiner Haut: Beim Interview-Termin klingelt gleich dreimal das
Telefon. Ohne ihn, so scheint es, läuft beim zweitgrößten Raunheimer Unternehmen
in der Hermannstraße gar nichts. Als Belastung empfindet das der braungebrannte
Mittelständler keineswegs: Vor drei Tagen erst von einer mehrwöchigen,
intensiven Abmagerungskur mit maximal 600 Kalorien pro Tag aus Spanien
zurückgekehrt, strahlt der Chef von 450 Angestellten Optimismus aus. Zehn Kilo
weniger, sagt der Unternehmer stolz, tun ihm gut. Auch um Zigaretten macht
Brumme, der bis vor eineinhalb Jahren täglich zwei Päckchen rauchte,
mittlerweile einen großen Bogen - aus Verantwortung vor sich selbst, wie er
sagt. Bescheidenheit ist das Erfolgsrezept des lebenslustigen, passionierten
Golfspielers. Und die muß nicht im Widerspruch stehen mit seinem
unerschütterbaren Optimismus.
Was für den Menschen
Reinhold Brumme gilt, das hat auch für den Unternehmer Reinhold Brumme
Gültigkeit. In Zeiten der wirtschaftlichen Rezession "muß eben jeder den Gürtel
enger schnallen." Brumme hat rechtzeitig die Weichen gestellt: Seine Firma in
Paris hat er vor kurzem verkauft, seine Anteile an der Tochterfirma Barry
Controls abgestoßen. "Es ist besser, mit einem kleinen Betrieb gesünder zu
arbeiten, um weniger anfällig zu werden für die großen Diktatoren in der
Autoindustrie - siehe Lopez", schildert Brumme die Hintergründe für seinen
Rückzug. Schon allein aus Verantwortung seinen Mitarbeitern gegenüber, denen
sich der Arbeitgeber aus echtem Schrot und Korn verpflichtet fühlt.
Die Absatzflaute auf dem
Automarkt hat auch bei den Effbe-Werken ihre Spuren hinterlassen: 65 Prozent der
Produkte, die die Raunheimer Firma herstellt, gehen direkt oder indirekt in die
Autobranche. Und da wirkt sich auch der Preiskampf auf die kleinen Zulieferer
aus: Erst kürzlich hat das Raunheimer Werk 70 Leute entlassen müssen;
freiwerdende Stellen werden vorerst nicht wieder besetzt. Damit kommt das Werk
über die Runden. Denn erst frühestens Ende 1994, schätzt Brumme werde es wieder
einen Aufschwung geben. "Und bis dahin muß man sich eben irgendwie geschickt aus
der Affäre ziehen." Schwarzmalerei paßt indes nicht zu Reinhold Brumme: "Man muß
Optimist sein", sagt er, "und bescheiden."
Aus diesem Grund feiert
er seinen 65. Geburtstag im kleinen Rahmen - anders als zu seinem 60sten, als
die gesamte Belegschaft feierte und er seinen Freund Roberto Blanco engagierte:
Nur die engsten Mitarbeiter, Familienmitglieder und Freunde werden ihm am
Samstag bei einem kleinen Empfang in seinem Wohnort Wiesbaden die Hand
schütteln.
Am Montag sitzt der dann 65jährige
wieder an seinem Schreibtisch unter dem Porträt seines Vaters und zieht die
Fäden - auch wenn er verspricht, künftig etwas kürzer zu treten, um sich stärker
auf sein Hobby, das Golfspielen ("Ein Handicap von 12 will ich noch packen"), zu
konzentrieren: "Nichts ist schlimmer", sagt er, "als ein gutes Management zu
sehr an der Leine zu halten." Aber aufhören, nein, das wird Reinhold Brumme so
schnell wohl nicht ...