Olympia 1972
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Über Mitglieder des
RRK (1972)
Rainer Seifert |
Willi Hofmann dreht
den Sportscheinwerfer
Eine Lanze für
Bundesliga-Schützenkönig
Seifert
Delmes ignoriert beständige Leistungen des
RRK-Spielers – Nicht ins Olympiakader?
Aus "Main-Spitze" vom ...
Wir wollen hier nicht Wunden aufreißen, die die Kurzsichtigkeit einiger
Verbandsoberen geschaffen haben, aber wir glauben es an der Zeit, einmal eine
Lanze zu brechen für den derzeitigen Torschützenkönig der deutschen
Hockey-Bundesligen, den "Gerd Müller mit indischem Zuschnitt", Rainer Seifert.
Vor Monaten zählte er zwar zum Weltmeisterschaftskader, doch den Olympiapass
erhielt er bislang nicht. Er ist übrigens der einzige des Aufgebots, den man bei
der Vergabe der 22 Pässe einfach vergaß. Oder sollten die Leistungen von Rainer
Seifert, Woche um Woche in den bundesdeutschen Zeitungen zu lesen, noch nicht
bis zu den Verbandsfunktionären gedrungen sein.
Seifert ist nicht nur
Schützenkönig, er hat durch sein selbstloses Spiel die Vorarbeit für eine
Vielzahl weiterer Treffer geleistet. Nun scheint es uns, als könne man
andernorts nicht so richtig verkraften, daß der "Provinzverein" RRK soviel
Furore macht und der Gruppenmeisterschaft zustrebt, zum anderen Woche für Woche
bei den Hallenturnieren nicht nur die eingefleischten Hockeykönner verzückt. Wir
schätzen Bundestrainer Delmes und seine Art sehr, aber wir glauben eine kleine
Ungerechtigkeit darin zu erblicken, wenn der Verein des Bundestrainers, RW Köln,
alleine fünf Spieler mit Olympiapässen besitzt, beim RRK dagegen lediglich Fritz
Schmidt und Peter Kraus in den Besitz des begehrten Passes kamen. Gemessen an
der Stärke beider Vereine scheint hier das Gleichgewicht völlig verdreht.
Aber
noch ist es nicht zu spät, und so mancher offensichtlich falsche Beschluss wurde
revidiert. So warten wir darauf, dass Rainer Seifert bald seinen Olympiapass
tragen kann. Übrigens ist er am kommenden Mittwoch beim Duell der hessischen
Hockeygiganten RRK und 80 Frankfurt in der Frankfurter Festhalle wieder zu
sehen. Dazu natürlich seine Rüsselsheimer Kameraden.
Aus "Main-Spitze" am 19.08.1972:
Olympia ruft – Rainer Seifert
Dass der Rüsselsheimer RK zur
nationalen wie internationalen Spitzenklasse der Hockey-Vereinsmannschaften
zählt, ist seit dem zweimaligen Gewinn der deutschen Feldhockeymeisterschaft und
nicht zuletzt nach dem diesjährigen dritten Platz im Europapokal-Wettbewerb
hinlänglich bekannt geworden. Was wunder also, wenn im 18köpfigen Aufgebot der
deutschen Hockey-Olympiamannschaft, die seit dem 1. August Quartier im Münchner
olympischen Dorf bezogen hat, gleich drei Rüsselsheimer zu finden sind: Fritz
Schmidt, Peter Kraus und Rainer Seifert. Leicht hätte die Zahl
sogar noch größer werden können, denn es scheint eigentlich nur eine Frage der
Zeit, bis Manfred Liebig oder Martin Müller in die Reihe der A-Nationalspieler
aufgerückt sein werden. Liebig, seines Zeichens Libero und Strafeckenspezialist,
verpasste die Olympiateilnahme offensichtlich nur, weil er mit dem Berliner
Rekordinternationalen Carsten Keller einen Konkurrenten hatte, der ihm
leistungsmäßig zwar nicht mehr überlegen scheint, der freilich, an Routine und
Erfahrung reicher vom Deutschen Hockeybund nicht übergangen werden konnte. Wenn
Keller nach München seine internationale Laufbahn beenden wird, dürfte Liebigs
Aufstiegsmöglichkeit nichts mehr im Wege stehen.
"Wir haben den Pott!!" Nach einem 1:0-Sieg über Rot-Weiss Köln ist
der RRK Deutscher Meister im Feldhockey 1971 (hinten: Wolfgang
Schneider, Roland Segner, Manfred Liebig, Walter Leichtweiß,
Wolfgang Beck, Karl-Heinz Nuffer, Rainer Seifert, Masseur Karl-Heinz
Bog, Frieder Fleck, Fritz Schmidt, Coach Josef Schnur; vorn: Peter
Kraus, Bodo Schäfer, Martin Müller, Helmut Köhler; es fehlen: Tomas
Blivier, Wolfram Jirzik) |
Verantwortlich für die Nominierung
der Olympiakandidaten zeichnete Bundessportwart Werner Delmes, der seine
Schützlinge zwar nicht im schon professionellen Stil der Inder oder Pakistani
auf München vorbereiten konnte, der aber seit Mitte Juni immerhin die
Möglichkeit hatte, einmal die Woche (dienstags oder donnerstags) sowie an den
Wochenenden den gesamten Spielerkader unter die Lupe zu nehmen. An den
übrigen Werktagen trainierten die Athleten nach einem von Delmes aufgestellten
Arbeitsplan.
Für die Rüsselsheimer
Schmidt, Kraus und Seifert, zu denen sich oftmals der Frankenthaler
Nationalspieler Peter Trump gesellte, bestand der Trainingstag aus einem vier
bis sechs Kilometer langen Waldlauf am frühen Vormittag sowie gymnastischen
Übungen auf dem dafür geeigneten städtischen "Trimm-dich-Pfad".
Tischtennisspiele als Ausgleichssport und Stock- und Ballarbeit oder
spieltechnische Varianten am Abend komplettierten den Tagesablauf. Die
Rüsselsheimer, die sämtlich in den Genuss der Sporthilfe kommen und hier der
A-Norm (höchst mögliche Beihilfe) unterliegen, verweisen hierbei auch auf das
Verständnis und die Großzügigkeit ihrer Arbeitgeber, die ihnen durch berufliche
Freistellung eine optimale Olympiavorbereitung ermöglichen.
Der jüngste im Rüsselsheimer
Hockey-Trio ist Rainer Seifert, gelernter Schaufenster-Dekorateur und seit etwa
zwei Jahren im hiesigen Automobilwerk beschäftigt. Am 10. Dezember 1947 in
Wiesbaden geboren, hatte Rainer Seifert bereits als 6jähriger Kontakt zum
Hockeyspiel, bestätigte bald in den Nachwuchsmannschaften des RRK seine
besonderen Fähigkeiten und verdiente sich erste Sporen in der
Jugend-Nationalelf. 1969 rückte auch er in die A-Garnitur der Senioren auf,
spielte gegen Spanien, in Pakistan sowie zweimal gegen Belgien, doch der
eigentliche Durchbruch zum Stammspieler war ihm damit nicht gelungen, weil er im
ungewohnten Nationaltrikot auch nicht annähernd die Grenze seiner
Leistungsfähigkeit erreichen konnte. Auf der Länderspiel-Reise nach Südostasien,
die gleichsam für ihn zur Bewährungsprobe werden sollte, hatte er das Pech, sich
gleich im ersten Spiel, eine schmerzhafte Verletzung zuzuziehen. München kann
Rainer Seifert, der nach glänzenden Leistungen in der Vereinsmannschaft
letztlich von Nationaltrainer Delmes für Olympia nicht übergangen werden konnte,
nachhaltig in den Vordergrund schieben. Seiferts unbestreitbare Qualitäten sind
Schnelligkeit sowie in erster Linie eine bestechende Technik, die ihm nicht zu
unrecht den Beinamen "der Inder im RRK-Trikot" eingebracht haben. -mt-
Aus "Main-Spitze" vom 31.08.1972:
Willi Hofmann dreht
den Sportscheinwerfer
Rüsselsheims "Inder" mit prächtigem Einstand
Rainer Seifert und seine Tor-Doublette − "Schimmi" mit
Trainingsversuchen
Gerade hatte er − mit dem Unterton
einer gewissen Resignation − noch bekannt, mit dem Los des Ersatzmannes
zufrieden zu sein, da kam für Rainer Seifert, Rüsselsheims "Inder", die Berufung
in die Nationalmannschaft. Er rechtfertigte die mit zwei spielentscheidenden
Treffern gegen Argentinien, womit sich der Rüsselsheimer nun mindest als
gleichwertig im Delmes-Team etablierte. Dem Bundestrainer bleibt jetzt die Qual
der Wahl. Uli Vos von Malaysias "Hockeyschwingern" arg malträtiert, will gegen
Pakistan wieder dabei sein. Nach den ersten blendenden Leistungen ein
verständlicher Wunsch. Sollte die deutsche Mannschaft, der der Hockeyhimmel
jetzt noch offen steht, eine Medaille erringen, die beiden Tore von Rainer
Seifert − den wir noch oft dabei zu sehen wünschen − werden mitentscheidend
sein.
Aus welchem Holz der "Schimmi"
Schmidt geschnitzt ist, sagt die Meldung von den ersten Trainingsversuchen des
Rekordnationalen, der Nagel Nagel sein ließ und bestrebt ist, seine Form
wiederzufinden. Es kommt auf jeden Mann an, und unser Fritze würde − wie wir ihn
kennen − sogar mit Gipsfuß spielen, wenn es um seine Mannschaft geht.
Aus "Main-Spitze" vom 31.08.1972:
" Fliegengewicht"
Seifert gelang Durchbruch
Bundestrainer Delmes:
Wagnis belohnt
Seine bisherige
internationale Laufbahn ist wohl kaum mit dem Wort "Länderspiel-Karriere" zu
beschreiben. Denn seit seinem ersten Einsatz in der deutschen Hockey-Nationalelf
am 8. März 1969 bei Rainer Seifert dem 1:0 gegen Spanien im pakistanischen
Lahore, brachte es der 24jährige Rainer Seifert bis zum Beginn des 12.
olympischen Turniers auf ganze vier Berufungen. Beim 2:1(2:0)-Sieg gegen
Argentinien aber kam das kleine Rüsselsheimer "Fliegengewicht" (1,70 m - 66 kg)
nicht nur zu seinem fünften Länderspiel, sondern feierte auch mit zwei
trickreich herausgespielten Toren einen erfolgreichen Turniereinstand.
Dass der gebürtige
Wiesbadener nicht nur Hockey zu spielen versteht, sondern auch über einen
bemerkenswerten Torjägerinstinkt verfügt, ist zumindest auf nationaler Ebene
schon seit langer Zeit kein Geheimnis. Bei allen Verbands- und Vereinsspielen
auf dem Feld und in der Halle erfreut sich der Rüsselsheimer Irrwisch stets
"liebevoller" Sonderbewachung. Doch der internationale Durchbruch wollte Seifert
bislang nicht gelingen.
Seit seinem Lahorer
Debut 1969 bestritt er kein Länderspiel über die vollen 70 Minuten mehr. Sein
einziges Gastspiel in der Nationalelf seither dauerte am 20. Mai vorigen Jahres
in München gegen Belgien nur eine knappe Dreiviertelstunde. Wie seine ebenfalls
zum Olympiaaufgebot zählenden Rüsselsheimer Mannschaftskameraden Fritz Schmidt
und Peter Kraus hat der gelernte Schaufensterdekorateur auf dem Felde bereits
zwei deutsche Meistertitel (1968 und 1971) errungen. In der Halle reichte es
ebenso oft nur zur Vizemeisterschaft (1979 und 1972). Nach dem Sieg gegen die
bis dahin ungeschlagenen Argentinier war Seifert die Genugtuung über seine auch
von Sportwart Werner Delmes mit viel Freude registrierte Leistung sichtlich
anzumerken. "Ich hoffe, dass ich die in mich gesetzten Erwartungen einigermaßen
erfüllen konnte. Es wäre zu schön, wenn ich mir endlich einen Stammplatz in der
Nationalelf erkämpft hätte."
Deutsches Hockey-Team:
Gold – Pakistani schlechte Verlierer
Von Fritz Reis (aus
"Main-Spitze" vom 11.09.1972)
Mit einem handfesten
Skandal endete das olympische Hockeyturnier, das die Mannschaft der
Bundesrepublik mit einem 1:0 (0:0) gegen Pakistan gewann. Die Hockeykünstler aus
dem Fernen Osten wurden mit ihrer sportlichen Niederlage nicht fertig. Sie
hatten nicht nur das Spiel und die Goldmedaille verloren, sondern auch jeden
sportlichen Anstand. Zunächst weigerten sie sich zur Siegerehrung zu erscheinen,
dann trotteten sie doch auf den Rasen. Als das deutsche IOC-Mitglied Berthold
Beitz ihnen die Silbermedaille umhängen wollte, lehnten sie ab. Sie nahmen sie
lediglich entgegen und "fummelten" an ihnen herum. Auch beim Spielen der
deutschen Nationalhymne verhielten sie sich demonstrativ. Ein offizielles
pakistanisches Teammitglied musste einen nach dem anderen der dreizehn Spieler
bitten, der Fahne des Gastgebers und Olympiasiegers die Ehre zu erweisen.
"Übertrumpft" wurden die
Sportler noch von gut einem Dutzend Schlachtenbummler, die sich wie Wilde
gebärdeten. In ihrer blinden Wut schrieen sie unter anderem (wir bitten um
Verzeihung): "Deutschland Sch ..." Einer von ihnen besetzte die höchste Stelle
des Siegerpodestes und schwenkte die Flagge Pakistans.
Die deutsche
Hockey-Nationalmannschaft mit drei RRKlern ist Olympiasieger 1972
(Rainer
Seifert / vorn links, Fritz Schmidt / vorn 2. von links, Peter Kraus / vorn 5. von
links) |
Wie inzwischen bekannt
wurde, wird wegen des unmöglichen Verhaltens der pakistanischen Sportler und
Zuschauer das Exekutiv-Komitee des IOC am Montagmorgen zusammentreten. Als in
der vergangenen Woche die amerikanischen 400-Meter-Läufer Vincent Matthews und
Wayne Collet bei der Siegerehrung der Fahne ihres eigenen Landes den Rücken
kehrten, gab es den Ausschluss beider von allen künftigen Olympischen Spielen.
Die Pakistanis
überraschten die deutsche Mannschaft mit einem von ihnen bisher nicht
praktizierten Spielsystem. Sie hatten ihre Abwehr zahlenmäßig verstärkt und
bevorzugten, mit wenigen Ausnahmen kurz vor der Pause sowie nach
der Halbzeit abgesehen, das Defensivspiel. Die
angriffsfreudige deutsche Mannschaft erreichte 6:1 Strafecken und 3:1 lange
Ecken. Eine der Strafecken führte durch das Trio
Carsten Keller, Uli Vos und Michael Krause zum Erfolg und zur Goldmedaille, die
von den etwa 15.000 Zuschauern gefeiert wurde.
Die Mannschaft der
Bundesrepublik hatte durchaus die Möglichkeit, das Ergebnis zu verbessern, doch
der Frankfurter Dröse hatte wenige Minuten nach dem
Führungstreffer nicht die Nervenkraft zum 2:0. Die Pakistanis besaßen in
ihrem Torhüter Saleem Sherwani ein unüberwindliches Hindernis. Er war der
einzige seines Teams, der in den hektischen Schlussminuten
Ruhe und Übersicht bewahrte, die letzte Strafecke und auch den folgenden
Nachschuss abwehrte.
Die Bundesrepublik
Deutschland spielte mit Peter Kraus (Rüsselsheim),
Michael Peter (Heidelberg), Peter Freise (Heidelberg), Michael Krause (Köln),
Eduard Thelen (Köln), Horst Dröse (Frankfurt), Carsten Keller (Berlin), Ulrich
Klaes (Köln), Wolfgang Baumgart (Frankfurt), Uli Vos (Gladbach) und Peter Trump
(Frankenthal).
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