Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Über Mitglieder des RRK (2021)                                  

Peter Kraus

Nach dem ersten Olympiasieg eines deutschen Hockey-Nationalteams 1972 in die Hall of Fame aufgenommen: Peter Kraus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Peter Kraus: Als Spätberufener zum Maximal-Erfolg

Der 1972er-Olympiasieger des Rüsselsheimer RK wird an diesem Sonntag 80 Jahre alt. Der Wechsel vom Fußballer ins Hockeytor war nicht nur sportlich eine rundum lohnende Sache.

Von Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 26.06.2021)

Der Inhalt des einen oder anderen Ordners, der aus dem Wohnzimmerschrank herbeigeholt wird, weckt Erinnerungen an glorreiche sportliche Zeiten. Und zaubert beim Durchblättern immer wieder ein Strahlen ins Gesicht von Peter Kraus. Das dürfte an diesem Sonntag mutmaßlich nicht anders sein.

Auch wenn aus gegebener Vorsicht keine Einladungen ausgesprochen werden konnten, so geht der Hockey-Olympiasieger von 1972 doch davon aus, dass nicht nur das Telefon, sondern es auch an der Haustür häufig klingeln wird. Angesichts guter Wetterprognosen werden neben Gattin Ursula ("Uschi"), den beiden Söhnen, zwei Enkeltöchtern und Freunden bestimmt auch einige Mitglieder des Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK) es sich nicht nehmen lassen, dem langjährigen Stammtorwart persönlich im Garten zu dessen 80. Geburtstag zu gratulieren.

"Der Fritz und der Rainer werden wohl kommen", nennt Kraus zwei vermeintliche Kandidaten, mit denen ihn über sechs gemeinsam erkämpfte deutsche Meisterschaften im Vereinsteam hinaus etwas Spezielles verbindet: Das RRK-Trio Peter Kraus, Fritz Schmidt und Rainer Seifert gehörte jener legendären Mannschaft des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) an, die 1972 in München durch einen 1:0-Sieg über Pakistan erstmals Olympiasieger wurde.

Auch dank starker Paraden von Kraus, der sich bereits im Gruppenspiel gegen die favorisierten Pakistani mit zwei parierten Siebenmetern quasi unsterblich gemacht hatte. Gleichzeitig schloss sich nach dem Triumph bei der ersten EM 1970 mit dem Maximal-Erfolg ein vergleichsweise kleiner Kreis. Denn der 26. Einsatz im DHB-Trikot am 10. September 1972 war zugleich der letzte des Spätberufenen, der im Alter von 28 Jahren bei einer Länderspielreise nach Pakistan sein Nationalteam-Debüt gab, das 0:2 endete. "Ich war in München schon 31 und hatte acht Tage später die erste Rückenoperation vor mir", erzählt Kraus und fügt schmunzelnd an, "dass heute nur noch meine linke Hüfte original ist". Nachdem er wegen einer weiteren Operation 1975 in der Halle nicht zum RRK-Kader gehörte, hätte man ihn im Jahr darauf in Ermangelung eines Ersatzkeepers zum Comeback bekniet.

STIMMEN ZU PETER KRAUS

Fritz Schmidt (langjähriger RRK-Kapitän und -Spielertrainer): Ich bin mit dem Peter ja sogar verwandt, und wir sind gemeinsam zur Berufsschule nach Groß-Gerau gefahren, als er vom Sattler zum Bäcker umgelernt hat. Als Fußballer hat er bei uns in der zweiten Mannschaft angefangen und ist erst aufgerückt, als in der Ersten kein zweiter Torhüter da war. Ich habe dann Sondertraining mit ihm gemacht und ihm vermittelt, wie ich mir eine Torwartleistung vorstelle – auch bei der Siebenmeter-Abwehr. Er war ein sehr ruhiger Typ und hatte vor allem keine Angst, was ihm sehr geholfen hat. Und da es im Nationalteam eine Zeit lang keine guten Torhüter gab, hat ihn irgendwann Bundestrainer Werner Delmes bei einem Hallenturnier in Neuss beobachtet und eingeladen. In München hat er sich dann durchgesetzt und das Turnier seines Lebens bestritten.

Carsten Keller (Kapitän des Olympiasieger-Teams 1972 aus Berlin): Mit dem "Pit" verbindet mich besonders, dass wir als die beiden Ältesten direkt nach München international aufgehört und damit einen optimalen Abgang gefunden haben. Nach dem EM-Titel 1970 zählte für uns 1972 nur Gold, und wir sind damals wirklich ein Team gewesen. Der Peter hatte ein unglaublich gutes Auge, und er konnte total gut antizipieren, wohin die Bälle flogen. Das hat den Gegnern Respekt eingeflößt. Damit, aber auch mit seiner Bier-Ruhe, hat er sich in München durchgesetzt. (kri)

Nach dem DM-Triumph 1978 in Mönchengladbach fungierte er zwei Jahre lang "teils mit gehörigen Bauchschmerzen" als Coach und stand fortan nur noch bei den Senioren zwischen den Pfosten. Nach einer zweistelligen Packung in einem Senioren-Freundschaftsspiel 1996 beim langjährigen Dauerrivalen TG Frankenthal "gegen die ich in der Köbel-Halle mal das Spiel meines Lebens gemacht habe", war endgültig Schluss. Handschuhe und Gesichtsmaske – Kraus trug weder Helm noch Brustschutz – hängen im Keller. Die alten Schienen holte der heutige RRK-Vorsitzende Fritz Schmidt junior aus einem Abfallcontainer im Stadion.

Auch wenn der letzte Einsatz im RRK-Tor arg schmerzvoll war, so gewinnt er dem Hockey-Kunstrasen trotzdem sehr viel ab. "Athletischer und schneller" sei das ganze Spiel geworden, "und dass Abseits oder Straftore abgeschafft wurden und inzwischen ständig gewechselt werden kann, ist klasse."

Natürlich tue es "sehr weh, dass unsere Männer Zweite Regionalliga spielen und die Damen wieder aus der Bundesliga abgestiegen sind. Aber wenn es möglich ist, gehe ich auf den Platz und schaue mir das auch gerne im Fernsehen an", sagt Kraus. Vier, fünf EM-Spiele habe er kürzlich gesehen und trotz der beiden deutschen Finalniederlagen gegen Holland den Eindruck gewonnen, "dass unsere Herren in Tokio alle Chancen haben. Und natürlich freue ich mich, dass mit Pauline Heinz mal wieder eine RRK-Spielerin dabei ist."

Dass Peter Kraus ein Lokalpatriot durch und durch ist, wird über zwei langjährige Familien-Wohnstätten im Berliner Viertel hinaus auf vielfältige Weise deutlich. Am 27. Juni 1941 als Hausgeburt in der Heinrich-Heine-Straße in Rüsselsheim zur Welt gekommen, "wollte ich hier nie weg". Aufgewachsen in der Frankfurter Straße, ging er vom fünften Lebensjahr an beim SC Opel auf Torejagd, wurde Kreis- wie Bezirksmeister und sogar in die Fußball-Hessenauswahl berufen.

Gekickt wurde auf dem Hockey-Aschenplatz, und dort sprach man ihn 1959 an und machte ihm den Torwartposten beim RRK schmackhaft. "Ich hätte gerne weiter Fußball gespielt, aber eine Meniskus-Operation war damals ja noch eine Riesensache", begründet Kraus seinen Wechsel, der sich nicht nur sportlich lohnen sollte: Auf dem Hockeyplatz traf er jene Frau, der er in Rüsselsheim das Ja-Wort gab und mit der er nach 60 Ehejahren am 27. August Diamantene Hochzeit feiern wird – "wahrscheinlich im Kloster Andechs".

Da Uschi ebenfalls dem Hockeysport zugetan war, habe es nicht an Verständnis für längere Abwesenheiten gemangelt. Was auch für den Arbeitsplatz galt. "Vor München etwa war ich drei Monate weg, und die Kollegen mussten meine Arbeit mitmachen", berichtet Kraus. Was diese offenbar gerne taten, wie der im Wohnzimmer platzierte Eichenstuhl mit eingeschnitzter Goldmedaille im Rückenteil belegt. Unter anderem mit dieser Arbeit hatte das Schreiner-Team in der Opel-Designabteilung den gelernten Polsterer bei der Rückkehr als Goldmedaillen-Held überrascht. "Das Endspiel durften alle am Fernseher live miterleben", erinnert sich Kraus, der seit 2001 Rentner ist. Haus, Garten sowie Katze Blue halten ihn auf Trab.

Und was wünscht man sich zum 80. Geburtstag? "Gesundheit für die Familie", sagt Kraus. Dass es ihm darüber hinaus eine besondere Freude wäre, zum 50. Jubiläum im kommenden Jahr möglichst viele der zwölf noch lebenden Olympiasieger-Teamkollegen von 1972 und Ex-Bundestrainer Werner Delmes am Walchsee wiederzusehen, versteht sich von selbst.


In Kürze

Peter Kraus achtzig

Aus "FAZ" vom 26. Juni 2021

Möglichst optimal ausgeruht zu sein, um in den entscheidenden Momenten die Ruhe bewahren zu können, war sein Credo. Und genau das hat Peter Kraus in seiner vergleichsweise kurzen Zeit im Tor der Hockey-Nationalmannschaft neben Reaktionsvermögen, einem guten Auge und Antizipation so stark gemacht, dass Deutschland 1972 in München erstmals Olympiasieger werden konnte. Vor dem finalen 1:0-Sieg gegen Pakistan hatte sich der damals 31 Jahre alte Schlussmann des Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK) schlafen gelegt. "Der damalige Ko-Trainer Klaus Kleiter hat sich ziemlich aufgeregt und konnte das nicht verstehen. Aber ich bin dann, gut ausgeruht in mein letztes Spiel im Nationalteam gegangen", erinnert sich Kraus, der an diesem Sonntag in seiner Heimatstadt 80. Geburtstag feiert. Als talentierter Fußballer hatte es Kraus in die Jugend-Hessenauswahl geschafft, kam nach einer Meniskusoperation dann aber mit 18 Jahre zum Hockey. Ein lohnender Wechsel, denn neben sechs deutschen Meisterschaften mit dem RRK zwischen 1968 und 1978 waren die 26 A-Länderspiele ab 1968 vom EM-Titel 1970 sowie der olympischen Goldmedaille gekrönt. Damit nicht genug, lernte der gelernte Polsterer auf dem RRK­Hockeyplatz noch seine Frau Ursula kennen, mit der er am 27. August Diamantene Hochzeit feiern wird. ufr.


An den Olympiasieg 1972 in München hat Hockey-Legende Peter Kraus viele Erinnerungen. Etliche davon bekommt er von seinen immer noch zahlreichen Fans zugeschickt.

Porträt

Ein Olympia-Held feiert 80. Geburtstag

Peter Kraus war bei der Hockey-Sensation von 1972 in München dabei

Von Ralph Keim (aus "Frankfurter Neue Presse" vom 22.06.2021)

Der 10. September 1972: Im Finale des olympischen Hockeyturniers trifft Gastgeber Deutschland auf das Team von Pakistan. Dass die Deutschen das Finale überhaupt erreicht haben, ist schon eine beachtliche Leistung. Der Favorit ist eindeutig der amtierende Weltmeister Pakistan. Doch es ist der Außenseiter, der das Finale mit 1:0 für sich entscheidet. Und mit dabei: Peter Kraus aus Rüsselsheim. Der Torwart aus den Reihen des Rüsselsheimer RK hat maßgeblichen Anteil an dem Triumph von München, den 15.000 Zuschauer im Stadion miterleben. Ein für deutsche Verhältnisse sensationeller Zuspruch.

Knapp 50 Jahre später: Peter Kraus sitzt am Tisch seiner Wohnung in Rüsselsheim und holt Erinnerungen hervor. "So etwas schicken mir noch heute die Fans. Außerdem Autogrammwünsche." Auf einfachem DIN A 4-Papier wird mit einer Foto- und Info-Collage an die deutschen Goldmedaillengewinner im Hockey von 1972 erinnert. "Es ist schön, dass einen die Leute auch nach all den Jahrzehnten nicht vergessen haben", sagt der Olympia-Held bescheiden lächelnd.

Zunächst dem Fußball zugetan

Am 27. Juni wird der Triumph von München mit Sicherheit großes Thema im Hause Kraus sein. Denn an diesem Sonntag feiert der Rüsselsheimer Olympiasieger seinen 80. Geburtstag. Und da Peter Kraus zu seinen Mitspielern von damals noch immer sehr guten und regen Kontakt hat, dürfte bei den Glückwunschtelefonaten bestimmt auch ein "Weißt Du noch, damals in München..." fallen.

Peter Kraus kam am 27. Juni 1941 in Rüsselsheim zur Welt. Eigentlich schlug sein sportliches Herz zunächst für den Fußball. "Doch dann hatte ich eine schwere Meniskusverletzung, die operiert werden musste", erzählt er. Seine Fußballerkarriere musste Peter Kraus an den Nagel hängen. Nach seiner Genesung ging er 1959 zur Hockey-Abteilung des Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK), wo er mit dem Hockeyspielen begann ‒ und das sehr erfolgreich. Schnell wurde Kraus, der beruflich bei Opel tätig war, Stammtorwart der ersten Mannschaft.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass der RRK früher einmal so etwas wie der FC Bayern München des Hockeysports war: Zwischen Ende der 1960er und Ende der 1970er Jahre wurde der Verein mehrfach Deutscher Meister.

In die Nationalmannschaft wurde Peter Kraus erst 1969 zu einem Turnier in Pakistan berufen. "Um mitreisen zu können, musste ich bei Opel eigens unbezahlten Urlaub nehmen", erinnert sich die Hockey-Legende noch bestens.

Um die Einbußen auszugleichen, nahm Kraus damals finanzielle Sporthilfe in Anspruch. Die steigerte sich von zunächst monatlich 100 D-Mark auf 375 D-Mark. Zudem spendierte die Sporthilfe damals täglich eine Mahlzeit. "Dazu musste ich mir die Quittungen geben lassen, die ich dann eingereicht habe", beschreibt Peter Kraus diese Unterstützung, die heute wohl belächelt würde.

1970 gehörte Kraus zum Aufgebot, das die erste Hockey-EM gewann. Bei der ersten Feldhockey-WM 1971 belegte die deutsche Mannschaft den fünften Platz. Peter Kraus musste als Torwart damals allerdings Wolfgang Rott den Vortritt lassen. "Das hat mir allerdings nichts ausgemacht. Dabei sein zu dürfen, war das Wichtigste."

Bei den Olympischen Spielen 1972 in München war Peter Kraus dann Stammspieler. Zwei Ereignisse warfen allerdings einen dunklen Schatten über den sportlichen Erfolg: Das Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelische Olympiamannschaft mit zahlreichen Opfern bekamen auch Peter Kraus und seine Teamkollegen hautnah mit. Doch die Spiele sollten ja weitergehen.

Und die Pakistani entpuppten sich nach der Finalniederlage als äußerst schlechte Verlierer: Verächtlich und demonstrativ lustlos nahmen sie die Silbermedaillen entgegen, verweigerten beleidigt die Ehrerbietung an die Gewinner. Der Lohn für den Olympiasieg der Deutschen war übrigens neben der Goldmedaille (Materialwert keine 100 D-Mark) immerhin eine hochwertige Schweizer Uhr, die jeder Spieler entgegennehmen durfte.

Die Begeisterung ist geblieben

Zudem wurde das Hockey-Team zur "Mannschaft des Jahres" gekürt. Und auch das ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft kurz zuvor Europameister geworden war. Nach dem Olympia-Triumph beendete Peter Kraus seine Karriere bei der Nationalmannschaft. In Rüsselsheim blieb er bis 1979 aktiv.

Die Begeisterung für Hockey ist freilich geblieben. Wann immer im Fernsehen ein Spiel gezeigt wird ‒ Peter Kraus schaut zu.

Zusammen mit seiner Ehefrau Ursula, denn sie war ebenfalls lange Jahre Hockeyspielerin. Und das ist längst nicht alles aus der Hockey-Familie Kraus: Mutter Wilhelmine Kraus nahm 1927 am ersten Damen-Hockeyspiel in Rüsselsheim teil. Neun Jahrzehnte später ist es Anna Kraus, eine der Enkelinnen von Peter Kraus, die die Hockey-Tradition in der Familie fortsetzt.

Gut möglich, dass zum 80. Geburtstag in der reichlich zu erwartenden Fanpost auch hie und da ein anderer Peter Kraus gemeint ist ‒ nämlich der bekannte Schlagersänger. "Das kommt immer mal wieder vor", lacht der ehemalige Hockeyspieler Peter Kraus, der dann auch diese Fanpost freundlich beantworten wird.