Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Über Mitglieder des RRK (2020)                                                                   

Pauline Heinz

Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben: Olympia 2021 kann in Tokio hoffentlich ohne Atemmaske stattfinden.

 

 

 

 

 

Unsicherheiten und Unwägbarkeiten

Bundestrainer können nach der Olympia-Verschiebung noch keine neuen Pläne in Richtung Tokio 2021 machen, bleiben aber länger im Amt. Unterschiede beim Hockey und Judo.

Das Interview führte Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 04.04.2020)

KÖLN/ANTWERPEN - Dass erstmals in der 124-jährigen Geschichte Olympische Spiele wegen des Coronavirus verschoben werden mussten, ist nicht nur mit erheblichen finanziellen Folgen verbunden. Müssen zahlreiche Sportlerinnen und Sportler nun überdenken, ob sie den hohen Aufwand bis zum 23. Juli und 8. August 2021 weiter betreiben und die Berufsausbildung hintanstellen können, sehen sich alle Bundestrainer vor die spezielle Aufgabe gestellt, die auf 2020 ausgelegten Planungen zu überdenken. Stellvertretend geben Xavier Reckinger (Damenhockey) und Richard Trautmann (Männerjudo) Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt.

Herr Trautmann, Herr Reckinger – Hand aufs Herz: Als am 24. März feststand, dass Olympia 2020 kein Thema mehr sein würde, haben Sie da Erleichterung oder eher Frust verspürt?

Trautmann: Zuerst waren da gemischte Gefühle. Einerseits war man auf den Termin ja total fokussiert, andererseits hatte sich eine Verschiebung angedeutet. Bei mir hat sich dann aber doch Erleichterung breitgemacht, zumal ja auch recht bald für terminliche Klarheit gesorgt wurde.

Reckinger: Innerlich war im ersten Moment schon Frust da. Aber auf der anderen Seite war es einfach wichtig, dass es nach der aufgekommenen Unsicherheit Ruhe gab. Und natürlich war die Verschiebung alternativlos, wenn es aufgrund gesundheitlicher Risiken nicht möglich ist, so ein Event für die Weltbevölkerung vernünftig zu organisieren.

Muss ihren Olympiatraum ein Jahr zurückstellen: Hockeyspielerin Pauline Heinz

Mit der exakten Terminierung der Spiele in 2021 hat sich das IOC ja noch acht Tage Zeit gelassen. Hätten Sie sich einen früheren Zeitraum gewünscht?

Reckinger: Jeder Termin hätte Vor- und Nachteile gehabt. Dass es Ende Juli in Japan heiß sein wird, wissen wir und werden vorbereitet sein. Wir werden frühzeitig anreisen, und dann dürfte das Klima kein großes Thema sein. Wäre es auf Februar/März hinausgelaufen, hätten wir damit aber auch gelebt.

Trautmann: Für uns ist der Termin und die Verschiebung um fast exakt ein Jahr vollkommen okay. Wir kämpfen ja in voll klimatisierten Hallen, und das Wetter spielt deshalb keine Rolle. Ohnehin sind wir in dieser Jahreszeit oft zu Trainingslagern in Japan. Aber zweifellos wäre Olympia zur Kirschblütenzeit auch schön gewesen.

Wie haben die Ihnen anvertrauten Sportlerinnen und Sportler auf die Verlegung reagiert?

Trautmann: Grundsätzlich hätten alle gerne gehabt, wenn sich das wie geplant hätte durchziehen lassen. Reagiert wurde schon verschieden, bedingt vor allem durch den Qualifikationsmodus. Die gut Platzierten haben relativ entspannt gewirkt. Andere haben nun die Sorge, dass das Qualifikationssystem wieder ganz neu aufgemacht wird. Allgemeiner Tenor war aber, dass eine vernünftige und vor allem faire Vorbereitung aufgrund der unterschiedlichen Ausprägung und Handhabung der Krise nicht mehr gewährleistet war.

Reckinger: Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Manche haben gar kein Problem damit gehabt, die Maßnahme als richtig empfunden und den Blick gleich nach vorne gerichtet. Andere haben schon emotional und enttäuscht reagiert und die persönlichen Auswirkungen durchgespielt. Und bei manchen ist es vielleicht noch gar nicht richtig angekommen, dass Olympia nun erst in 16 Monaten sein wird. Aber ich kann sagen, dass alle Spielerinnen vorbildlich reagiert und sich beispielsweise gleich für das nächste Studiensemester angemeldet haben.

Sie hatten beide ja einen klaren Plan für die restliche Zeit bis zum Sommer. Muss nun alles über den Haufen geworfen werden beziehungsweise haben Sie schon einen neuen Marschplan für die kommenden knapp 16 Monate im Kopf?

Reckinger: Wir werden einen ganz neuen Plan A machen, müssen aber noch abwarten, da viele Dinge sehr unsicher sind. Ende Mai etwa steht noch eine Maßnahme in Argentinien auf dem Programm, von der ich ausgehe, dass sie abgesagt wird. Was wird mit der Bundesliga, der EM oder dem internationalen Spielverkehr? Dazu wollten wir mit dem besten Team die Hallen-WM 2021 bestreiten, wozu wir uns nun auch eine neue Strategie überlegen müssen, da die Olympiakandidatinnen in diesem Winter ja bewusst auf Hallenhockey verzichtet hatten. Die Früchte hat man übrigens sehen können, denn die waren so fit wie nie. Das Einzige, was wir jetzt schon richtig planen können, ist, dass wir wieder neun Tage vor Beginn der Olympischen Spiele anreisen und dort noch zwei Testspiele bestreiten wollen. Stand jetzt, soll elf Tage nach Olympia eine Feldhockey-EM stattfinden...

Trautmann: Einen neuen Plan habe ich noch nicht erstellt. Keiner weiß ja, wie lange die Krise geht und wann wieder in einen geregelten Trainingsbetrieb eingestiegen werden kann. Sollte es Oktober werden, beschäftigt mich aktuell eher die Frage, was machen wir bis dahin? Und was wird etwa aus der EM Ende November, und fließt das in die Olympia-Qualifikation mit ein? Es gibt einfach noch sehr viele Unwägbarkeiten. Sollte es irgendwann ‚normal‘ weitergehen, dann gibt es gegenüber dem bisherigen Plan nur wenig zu korrigieren. Aber natürlich sind wir auch davon abhängig, dass andere Nationen bei Trainingslagern oder Wettkämpfen in gleicher Weise mit uns kooperieren.

Können Sie sich vorstellen, dass es Leute in Ihren bisherigen Kadern gibt, die den zeitlichen und finanziellen Aufwand nicht weitere zwölf Monate auf sich nehmen können oder wollen?

Trautmann: Grundsätzlich ist es ja so, dass es bei uns nicht um wirklich viel Geld geht. Keiner unserer Olympiakandidaten nagt am Hungertuch, alle werden gut durch die Sporthilfe gefördert und erfahren breite Unterstützung bei ihrer Ausbildung durch Bundes- und Landespolizei oder die Bundeswehr. Manche Studenten müssen vielleicht einen neuen Plan stricken, aber auch da bin ich zuversichtlich. Dass Freistellungen nicht automatisch verlängert werden, ist klar, aber da sind wir in guten Gesprächen, zumal dieses Programm ja aufgelegt worden ist, um olympische Medaillen zu holen. Von der Bundeswehr sind schon klare Signale gekommen, und bei der Polizei werden sich bestimmt Kompromisse finden lassen.

Reckinger: Bislang habe ich keine Absage aus meinem vorläufigen Olympiakader bekommen. Sicherlich haben es manche einfacher als andere, für sich eine optimale Vorbereitung zu gewährleisten. Ich gehe aber fest davon aus, dass mehr als 95 Prozent der Spielerinnen das durchziehen werden.

Das IOC hat durchklingen lassen, dass der Ist-Zustand in Sachen Qualifikation möglichst beibehalten werden soll. Deckt sich das mit Ihrer Haltung und können Sie das eins zu eins umsetzen?

Reckinger: Jetzt gibt es überhaupt keine Grundlage, neue Leute dazuzunehmen. In Deutschland wird ja seit Ende Oktober kein Feldhockey mehr gespielt. Und ich bin vollkommen überzeugt, dass der 24er-Kader die besten Spielerinnen umfasst. Alle bleiben also weiter dabei, und es wird auch vorerst niemand gestrichen. Ich kann und will aber nicht ausschließen, dass sich eventuell jemand mit tollen Leistungen aufdrängt. Da wäre ich schlecht beraten, das zu ignorieren. Möglich ist auch, dass die Gruppe gegen November hin wieder etwas größer wird.

ZU DEN PERSONEN

 

Der 36 Jahre alte Xavier Reckinger hat zwischen 2002 und 2014 in 326 Länderspielen das Nationaltrikot Belgiens getragen. Der Abwehrspieler, in Brüssel geboren und in Antwerpen zu Hause, wurde 2012 Olympia-Fünfter und ein Jahr später in seinem Heimatland EM-Zweiter. Seit Oktober 2017 betreut der zweifache Familienvater das deutsche Damen-Nationalteam und führte es bei der EM 2019 in Belgien zu Silber sowie in der Folgezeit souverän nach Tokio.

Richard Trautmann zählte als Superleichtgewichtler Mitte der 90er-Jahre zu den besten deutschen Judoka. Der gebürtige Münchner erkämpfte sich bei den Olympischen Spielen 1992 und 1996 sowie bei der WM 1993 jeweils die Bronzemedaille. Nach Stationen als Vereins-, Landes- und DJB-Jugendtrainer stieg der 51-Jährige am 1. Januar 2017 zum Männer-Bundestrainer auf. Seither hält er sich häufig in Köln auf, da sich dort das DJB-Bundesleistungszentrum befindet.

Trautmann: Wenn sich niemand verletzt, wird es bei den gleichen Leuten bleiben. Wir müssen allerdings abwarten, was die IJF (Internationale Judo-Föderation, Anmerkung der Redaktion) für den Qualifikationszeitraum beschließt, der sich eigentlich von Mai 2018 bis Mai 2020 erstreckte. Sollte das auf drei Jahre ausgeweitet werden, könnten sich über Grand-Prix-Turniere zwangsläufig Veränderungen in der Weltrangliste und Olympia-Qualifikation ergeben.

Von den beiden Rüsselsheimer Tokio-Kandidaten war Eduard Trippel ja bereits vom Deutschen Judo-Bund fest nominiert, während Pauline Heinz sich noch mit 23 weiteren Hockeyspielerinnen um 18 Plätze streiten musste. Bedeutet das, dass Trippel weitgehend beruhigt sein kann, während Heinz sich weiterhin voll reinhängen muss?

Trautmann: Der Eduard kann schon relativ entspannt sein, da es in seiner Gewichtsklasse national aktuell noch keine so große Konkurrenz gibt. Die entscheidende Frage ist, ob die Olympia-Qualifikation noch einmal aufgemacht wird, aber selbst dann ist es aufgrund seiner hohen Punktzahl ziemlich unwahrscheinlich, dass er da noch rausfallen könnte. Für ihn bringt die Verschiebung zudem zwei Vorteile mit sich: Er hat ein Jahr Zeit, sich zu entwickeln, und er weiß länger, um wen es in Tokio geht und wie er sich taktisch mit den Gegnern auseinandersetzen muss. Was seine Ausbildung bei der Polizei angeht, sollte er die frei gewordene Zeit dazu nutzen, Dinge jetzt vorzuziehen und etwa mal ein achtwöchiges Praktikum zu machen.

Reckinger: Pauli soll einfach genauso weitermachen wie bisher und sich körperlich weiterentwickeln. Sie weiß, was sie tun und üben muss. Für eine junge Spielerin ist der Zeitgewinn sicherlich kein Nachteil, aber auf der anderen Seite bleibt Olympia für sie weiterhin das erste große Turnier.

In beiden Sportarten steht aktuell in den Sternen, was aus der Bundesligasaison wird. Spielt das für Sie im olympischen Kontext überhaupt eine Rolle?

Reckinger: Eine qualitativ hochwertige Bundesliga ist aufgrund der wöchentlichen Belastung das wichtigste Zusatzelement für mich. Und das Nationalteam und die Bundesliga befruchten sich bei gutem Niveau ja gegenseitig. Ich hoffe deshalb sehr, dass das alles vernünftig geplant werden kann und die Vereine, die ja auch schwere Zeiten durchmachen, die Bundesliga genießen können. Selbstverständlich steht Olympia über allem, denn wenn das deutsche Hockey dort Erfolge feiert, dann ist das für die Fördergelder enorm wichtig.

Trautmann: Die Bundesliga ist uns Bundestrainern ein Dorn im Auge. Da unsere Topathleten so wahnsinnig viele internationale Wettkämpfe haben, ist es uns wichtig, dass sich alle erholen, wenn sie denn schon mal zu Hause sind und sich nicht durch das Abnehmen für die Bundesliga zusätzlich stressen. Wir haben uns darauf verständigt, dass die Topleute erst nach den Saisonhöhepunkten für ihre Vereine antreten, wenn etwa die Finalrunden anstehen.

Das Olympiajahr und das Abschneiden dort sind ja häufig an die Vertragslaufzeiten der Bundestrainer gekoppelt. Kann es sein, dass sich die Verschiebung für Sie unter diesem Aspekt sogar gelohnt hat?

Trautmann: Das ist momentan schwer zu beantworten, aber unserem Präsidium ist schon klar, dass etwas passieren muss. Unsere Verträge laufen normalerweise immer im Olympiazyklus, mit Option auf Verlängerung. Ich gehe davon aus, dass der Ende des Jahres auslaufende Vertrag erst einmal um ein Jahr verlängert wird. Grundsätzlich würde ich gerne weitermachen. Es ist zwar ein anstrengender und nicht unbedingt familienfreundlicher Job, macht aber auch sehr viel Spaß.

Reckinger: Tatsächlich läuft mein Vertrag am 31. August 2020 aus, aber wir sind schon seit Dezember in sehr gute Gespräche für die Zeit danach eingestiegen. Das läuft beim DHB wirklich sehr wertschätzend und vorausschauend. Es sind noch einige administrative Dinge zu klären, da ja auch nicht hauptamtliche Leute zum Staff gehören und berufliche Dinge regeln müssen. Aber Stand jetzt, fahren wir mit der gleichen Gruppe 2021 nach Tokio. Ich freue mich, weiter mit den Mädels arbeiten zu können.