Von Martin Krieger
(aus "Main-Spitze" vom 25.03.2020)
Die Anzeichen
hatten sich mit der weltweit ausufernden Coronakrise verdichtet, aber der Moment
der Entscheidung an einem herrlichen Frühlingstag ging dann doch massiv unter
die Haut: Auf Bitten der japanischen Regierung hat das IOC beschlossen, die vom
24. Juli bis 9. August geplanten Olympischen Spiele in Tokio ins Jahr 2021 zu
verschieben. Die Liste bitter enttäuschter Sportlerinnen und Sportler, die zum
Teil vier Jahre auf dieses Event hingearbeitet, private oder berufliche Dinge
zurückgestellt haben und bis zuletzt auf eine reguläre Austragung gehofft
hatten, ist lang. Und sie beinhaltet auch zwei Rüsselsheimer Namen, deren
besondere Fähigkeiten sich kürzlich in der Wahl zum Sportler des Jahres in der
Opelstadt niedergeschlagen hatten – Hockeyspielerin Pauline Heinz vom RRK und
Judoka Eduard Trippel vom JCR.
Doch aufgeschoben
ist bekanntlich besser als aufgehoben. Unter dieser Prämisse wollen die beiden
heimischen Spitzenathleten auch weiterhin alles dafür tun, sich ihren großen
Traum "Olympia" dann eben 2021 zu erfüllen. Auch wenn das Reden unmittelbar nach
dem Beschluss des IOC hier wie da hörbar schwerfiel.
Eduard Trippel:
Vom Deutschen Judo-Bund (DJB) bereits fest für Tokio nominiert, bezeichnet der
angehende Polizeikommissar die Verschiebung "als schlimmstes Szenario. Da ist,
bei allem Verständnis, für mich schon eine Welt zusammengebrochen. Jetzt muss
ich mich ein ganzes Jahr länger qualifizieren, und da kann so viel passieren."
Vor einer Woche vom gemeinsamen Trainingslager der Olympia-Kandidaten in
Lanzarote zurückgekommen, werde Judo nun fürs Erste zurückgestellt und mehr an
Ausdauer, Kraft und Physis gearbeitet: "Es gibt ja bis auf Weiteres auch gar
keine Wettkämpfe mehr." Wie es mit dem Studium an der Polizeihochschule
Wiesbaden weitergeht, sei ebenfalls noch offen: "Mein Chef hat mir aber schon
gesagt, dass die auf ein Jahr angelegte Freistellung nicht automatisch
weitergeht." Unterkriegen will sich "Edu" trotz allen Frustes aber keinesfalls
lassen: "Ich werde jetzt eher noch mehr machen."
Pauline Heinz:
Obwohl erst im November A-Nationalspielerin geworden und in dem Wissen, sich
beim Kampf um die 18 Plätze im DHB-Kader noch gegen 23 Mitbewerberinnen
behaupten zu müssen, war die Enttäuschung bei der 18-Jährigen kaum weniger
ausgeprägt: "Mein erster Gedanke, als ich das gehört habe, war – das ist ja
richtig blöd. Irgendwie hatte man das zwar im Hinterkopf, aber man hat halt
gehofft, dass es schon stattfinden wird. In Gedanken habe ich mich schon auf dem
Spielfeld gesehen und auch ein kleinwenig an eine Medaille gedacht." Die
Verschiebung empfindet sie als "wirklich mega schade, aber dadurch ist
gewährleistet, dass wirklich alle Nationen ihre Topleistungen bringen können".
Wie es jetzt konkret weitergeht, darüber habe sie sich noch keine Gedanken
gemacht – auch was das Studium angeht. "Obwohl der Druck jetzt erst mal weg ist,
werde ich mit der Athletik genauso weitermachen. Die Bundesliga wird ja
irgendwann wieder anfangen."
Zur erstmaligen
Verschiebung in der 124-jährigen Geschichte Olympischer Spiele bezogen auch
frühere Rüsselsheimer Ex-Größen Stellung, wobei die Maßnahme hier unisono und
vorbehaltlos begrüßt wird.
Fritz Schmidt
(77/Hockey-Olympiasieger von 1972): Für den früheren Rüsselsheimer
Bäckermeister wäre es "total unfair gewesen, wenn das zum bisherigen Zeitpunkt
stattgefunden hätte. Einige Länder waren in der Vorbereitung stark, andere
weniger betroffen. Für die olympische Idee ist es absolut richtig, das zu
verschieben, und der Thomas Bach hat für mich da viel zu lange rumgeeiert." Was
das für die Sportler bedeutet, weiß der 146-malige Nationalspieler des RRK ganz
genau: "Wegen der vielen Arbeit, die da drin steckt, ist das im ersten Moment
natürlich extrem hart."
Britta Becker
(46/Ex-Nationalspielerin und einstige DHB-Vizepräsidentin): Die 231-malige
Auswahlspielerin, die mit ihrem Heimatverein RRK elf DM-Titel feierte, findet
die Entscheidung "in der jetzigen übergeordneten Situation aus menschlicher und
sportlicher Sicht vollkommen richtig. Faire Wettkämpfe hätte es nicht mehr
gegeben", sagt die Hamburgerin. Als dreimalige Olympia-Teilnehmerin (1992 bis
2000) kann sie "gut verstehen, dass das schwer zu akzeptieren ist, wenn man so
lange darauf hin gearbeitet und viele Sachen hinten angestellt hat".