Von Martin Krieger
(aus "Main-Spitze" vom 19.03.2020)
Eigentlich hatte
sich Pauline Heinz für diesen Donnerstag eine Menge vorgenommen. Nach elf
offiziellen Länderspielen im Damenteam des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) in
Argentinien, Südafrika und Spanien wollte sich die 18-jährige Hoffnungsträgerin
des Rüsselsheimer RK heute Abend in Mönchengladbach erstmals vor den DHB-Fans
unbedingt von ihrer besten Seite zeigen und im ersten von sechs geplanten
ProLeague-Heimspielen ihre Olympia-Chance wahren.
Wie alle anderen
Hockeyspielerinnen und -spieler bundesweit kann "Pauli" aufgrund der Coronakrise
derzeit nur ganz wenig mit Krummstock und Hartplastikball hantieren. "„Am Montag
war ich mal in Mannheim auf dem Platz und wir haben zu dritt trainiert",
berichtet die Studentin, "aber ansonsten konnte ich zuletzt eigentlich nur
laufen und mal zum Physiotherapeuten nach Frankfurt fahren". Das letzte RRK-Vereinstraining war am vergangenen Freitag abgebrochen worden, nachdem die
Stadt alle in ihrer Verantwortung liegenden Sportstätten dichtgemacht hatte.
"Und der RRK-Kraftraum war auch zu. Aber da kann ich zum Glück jetzt alleine
rein."
Um nicht weiterhin
die rund 75 Kilometer nach Mannheim abspulen zu müssen, um auf Kunstrasen am
Ball sein zu können, hofft Rüsselsheims frischgekürte Sportlerin des Jahres
inständig, "dass ich am Sommerdamm auf den Platz darf – am besten mit unserem
Trainer Norman Hahl". Die Anlage ist geschlossen und ein Plakat weist daraufhin,
dass das Betreten untersagt ist. "Ich werde mal beim Sportamt nachfragen", sagt
Heinz, muss aber damit rechnen, dass ihr Ansinnen abgelehnt wird. "Natürlich ist
das für sie dramatisch. Aber das Problem ist, dass andere das sehen und
Begehrlichkeiten geweckt werden", erklärt Anette Tettenborn, Leiterin des Amtes
für Sport und Bewegung, die missliche Lage.
Trotz der massiv
beeinträchtigten und mindestens bis 15. April unterbrochenen Vorbereitung mit
Blickrichtung Tokio (25. Juli bis 7. August) mag "Pauli" ihren Olympia-Traum
keinesfalls abhaken. Grundsätzlich positiv gestimmt sei sie zwar nicht
("Manchmal so und manchmal so"), aber das ganz große Ziel vor Augen "möchte ich
das jetzt noch nicht aufgeben". Dabei sei ihr schon bewusst, "dass ich zum Glück
noch etwas jünger bin und eine Absage andere Athleten viel härter träfe. Wir
waren alle richtig im Fluss, und auf einmal ist alles wie abgeschnitten."
Keine Frage ist es
für das jüngste Kind von Barcelona-Silbermedaillengewinnerin Bianca Heinz
(Weiß), trotz schwieriger Bedingungen so gut es geht weiter zu trainieren. "Es
fängt ja irgendwann wieder an, und dann hilft das ja trotzdem", sagt "Pauli".
Dass man in diesen Tagen zu Hause bleiben und Kontakte minimieren soll, versteht
sie vollkommen. "Bei dem tollen Wetter kann man ja immerhin in den Garten gehen,
und ich werde wohl mal wieder ein bisschen Klavier spielen."
Sollte sich die
Situation rund um das Coronavirus – wider Erwarten – bald entspannen, dann
erwartet Bundestrainer Xavier Reckinger den noch 24-köpfigen Olympiakader am 21.
April zu einem viertägigen Lehrgang mit Testspielen gegen die U21-Juniorinnen in
Köln. In diesem Team hatte Heinz im Herbst 2018 als 17-Jährige debütiert und die
Länderspielreise nach China seinerzeit in vollen Zügen genossen. Kaum
vorstellbar, dass das in diesem Sommer in Japan überhaupt noch möglich sein
kann.