Von Alex Westhoff
(aus "FAZ" vom 05.05.2020)
Pauline Heinz ist
eine der vielen jugendlichen und erwachsenen Hockeyspieler in Rhein-Main.
Aktuell ist sie aber quasi eine wie keine. Denn seit vergangenem Montag darf die
19-Jährige auf dem Kunstrasen üben – mit Schläger, Bällen und Toren. Eine
Rückkehr, die für die restliche Hockey-Szene noch eine weit entfernte,
schwammige Perspektive darstellt.
Ihr Status als
Olympiakaderathletin hat eine Sondergenehmigung ermöglicht. Und so kommt die
hochveranlagte Pauline Heinz ihrem Sport recht nahe, wenn sie gemeinsam mit
Norman Hahl auf der Anlage am Sommerdamm an Technik und Athletik feilt. Hahl ist
Trainer der Bundesliga-Damen des Rüsselsheimer RK. Den Rest seines Kaders sieht
er nur in kleinen Vierecken auf seinem Bildschirm, wenn sich die Mannschaft
digital zu Fitness- und Stabilisationsübungen trifft. Hahl macht die Übungen
vor, und die Spielerinnen folgen ihm. Man hat sich Regeln gegeben, damit solche
Großgruppen-Chats nicht chaotisch werden. Doch zuletzt hat Hahl zunehmenden
Verdruss bei seinen Spielerinnen darüber registriert, dass hockeyspezifisches
Training in Kleingruppen nicht möglich ist.
Bis mindestens zum
Ende der Sommerpause ruht der Feldhockey-Betrieb hierzulande. Der Deutsche
Hockey-Bund (DHB) ist bemüht, den Erst- und Zweitligavereinen Mitspracherecht zu
geben über den möglichen Fortgang der Saison nach dem Sommer. In Rhein-Main
betrifft das die erstklassigen RRK-Damen sowie in der zweiten Liga die Herren
des SC Frankfurt 1880 und die Damen von Schott Mainz. Bis zum 8. Mai sind die
Klubs aufgerufen abzustimmen, ob die aktuelle Feld-Runde 2019/20 – die Hinserie
ist im vorigen Herbst ausgetragen worden – annulliert werden soll oder nicht.
Sollte sich die Mehrheit für eine – falls in der Krise überhaupt mögliche –
Fortsetzung der Saison im Herbst entscheiden, gibt es verschiedene Szenarien.
Ausgeschlossen ist bislang nur, dass der aktuelle Tabellenstand für
Meisterehren, Aufstieg und Abstieg herangezogen wird.
Von den hessischen
Topklubs haben die Herren des SC 1880 am meisten zu verlieren. Die Frankfurter
führen das Tableau der Zweitliga-Südstaffel mit 22 Punkten nach neun Partien an,
der in den vorigen Jahren meist knapp verpasste Aufstieg sollte in diesem
Frühjahr unbedingt gelingen. Trainer Jon Elliott macht kein Geheimnis daraus,
dass die 80er für eine Fortsetzung der Saison stimmen werden. "Wir haben uns
viel erarbeitet und würden uns gerne dafür belohnen", sagt er. Der Waliser, als
hauptamtlicher Coach angestellt, kritisiert das Prozedere zur
Entscheidungsfindung. "Wenn der DHB die Vereine fragt, ist doch klar, was
passiert. Die Eigeninteressen stehen im Vordergrund, je nachdem, ob man sich im
Auf- oder Abstiegskampf befindet", so Elliott. Der in der internationalen Szene
gut vernetzte Trainer hatte schon konkrete Gespräche geführt mit ausländischen
Spielern, die sich im Falle einer erfolgten Bundesliga-Rückkehr der 80er einen
Wechsel an die Frankfurter Feldgerichtstraße vorstellen können. Diese Planungen
haben sich weitgehend zerschlagen. Elliott sorgt sich auch, dass der ein oder
andere erfahrene Spieler den enormen unbezahlten Hockey-Aufwand nicht mehr
stemmen will, wenn die nahe Bundesligaperspektive fehlt.
Frischen Wind in
den nunmehr großen, 30 Mann starken Kader bringen die Jugendspieler des bei den
80ern starken 2003er Jahrgangs, die nun zu den Herren aufrücken dürfen. Elliott
nutzt die viele Zeit für das Schneiden von Videos für Taktikschulungen und für
Planungen, wie Training in Kleingruppen aussehen könnte, wenn es denn erlaubt
würde. "Ganz ehrlich sehe ich aber keine schnelle Lösung für Kontaktsportarten
wie Hockey", sagt Elliott. Da im Leistungshockey weder TV-Gelder fließen noch
Spieler über Aufwandsentschädigungen hinaus entlohnt werden, sind die direkten
wirtschaftlichen Schäden überschaubar. Dennoch sorgen sich die Vereine um ihre
Ehrenamtlichen, um aufgebaute Strukturen und um mögliche Austritte von zahlenden
Mitgliedern.
Bei den
Rüsselsheimer Bundesliga-Damen sieht man der Abstimmung beim DHB gelassen
entgegen. Der Aufsteiger hat in der Hinrunde überraschend stark agiert und hätte
bei Fortsetzung der Runde gute Chancen auf den avisierten Klassenverbleib, der
ihnen bei Saisonabbruch sicher wäre. RRK-Coach Hahl ist im Hauptberuf
Gymnasiallehrer in Rüsselsheim und im Moment auf all seinen Feldern digital sehr
gefordert. Die Online-Fitnesskurse mit seinen Spielerinnen könnten sogar nach
Corona als beispielsweise Schlechtwetteralternative eine Option bleiben, sagt
Hahl. "Aber in der Schule wie im Hockey lautet die Erkenntnis in diesen Wochen:
Es ist nicht alles online möglich."