Aus "Frankfurter
Neue Presse" vom 7. Dezember 2017
Im Schatten des
Opelwerks erhebt sich das für öffentliche Augen verschlossene Mausoleum der
Familie Opel. Wir haben es für Sie geöffnet.
Geschmeidig dreht
sich der gar nicht historisch anmutende Vierkantschlüssel im ersten Schloss am
goldenen Eingangsgitter, dann öffnet der andere, ebenfalls schnörkellose
Bartschlüssel die zweite Tür aus metallverkleidetem Holz. Das Opel-Mausoleum ist
offen, und das ist etwas Besonderes: Der Zutritt ist eigentlich nur
Familienmitgliedern vorbehalten.
Im Mausoleum, einem
klassizistisch anmutenden Bau von 1924 auf dem Alten Friedhof beim Opelwerk in
Rüsselsheim, ist es kalt und ziemlich dunkel. Von der gewölbten Decke baumelt
ein alter, zweistufiger Kronleuchter. Halb abgebrannte Kerzen stecken darauf,
Spinnweben zieren die eisernen Ornamente.
Die Wände aus rotem
Marmor zieren goldene Inschriften. Zuerst fällt der Blick auf die Grabtafel von
Adam und Sophie Opel in der Mitte. Die Bronze-Büste des Firmengründers steht auf
einem Sockel, eingerahmt von zwei marmornen Frauenplastiken. Jemand hat einen
Brief auf das Grab gelegt, ein dünner Film Staub bedeckt ihn. Zwei alte Stühle
stehen zum Innehalten in den Ecken.
Frauenfiguren sind
an den kurzen Seiten des Mausoleums zu sehen, die oberen Wandbereiche schmücken
christliche Symbole. Der vom Frankfurter Architekten Otto Linnemann entworfene
Innenraum lässt einen ehrfürchtig zurück; der Bedeutung der Familie für die
Stadt wird er fraglos gerecht.
Alle fünf
Opel-Söhne liegen hier, dazu noch viele weitere direkte Nachfahren der Familie.
Die Inschriften auf den Grabplatten zeugen von fast 30 Begrabenen, die tief
unter dem Mausoleum in der Gruft ruhen.
Unter dem schweren
Perserteppich in der Mitte des Innenraums befindet sich versteckt der Zugang,
aber "das ist ein Riesenaufwand, da rein zu kommen", erklärt Carsten Rückert von
"Aenne Blumen Floristik". Erst einmal war er
in der Gruft, die schweren Steinplatten werden nur bei Begräbnissen angehoben.
Durch eine Wand wird der Grabraum mit den Särgen von jenem mit den Urnen
getrennt. Wie genau es dort aussieht, bleibt also für Normalbürger der Fantasie
überlassen.
Der floristische
Betrieb von Rückerts Großmutter hat schon immer den Auftrag, das Mausoleum zu
pflegen und mit Blumen auszustatten. Zu dieser Jahreszeit sind es Christrosen,
Silberdraht und frisches Grün, mal in Gestecken, mal in Pflanzschalen. Wie oft
sie betrachtet werden und Trost spenden, weiß keiner – aber sie sind da, und das
ist wichtig für mögliche Besucher.
Zugang haben nur
wenige Personen – darunter natürlich auch die Nachfahren der Familie. Gunter
Sachs, der Sohn von Elinor Kirchner von Opel, kam regelmäßig, Carlo von Opel,
der in Mainz lebt, ist heute noch öfter dort. "Das Mausoleum führt die weit
verstreute Familie zusammen, es ist der gemeinsame Punkt", sagt er.
Dass die
Gedenkstätte auch für Rüsselsheimer und Touristen interessant wäre, bestreitet
er nicht. "Der Andrang war immens", sagt auch die Kunsthistorikerin Dr. Cordula Steffen-Hammes, die im Frühjahr 2017 durchs Mausoleum führte.
Vielleicht würde
das Mausoleum damit aber auch seine verwunschene Atmosphäre verlieren,
schließlich verschönert Fantasie die Realität ganz erheblich. Dennoch: Die
Gedenkstätte gehört zur Rüsselsheimer Stadtgeschichte. Ein kanadisches
Touristenpaar, das zufällig vorbeikam, als Carsten Rückert im Mausoleum
arbeitete, stellte ganz erstaunt und treffend fest: "Hey – this is history!"
Der Zutritt zum Mausoleum der Familie Opel
ist eigentlich nur Familienmitgliedern vorbehalten. |
Aus "Frankfurter
Neue Presse" vom 28. März 2017
Besonders viele
Grabsteine sind auf dem Alten Friedhof in Rüsselsheim nicht mehr zu finden. Die
noch vorhandenen Grabmäler aber geben Zeugnis der vergangenen Zeit.
Kunsthistorikerin
Cordula Steffen-Hammes führte über die Grünanlage, die auch das Opel-Mausoleum
rahmt. Den Teilnehmern der Führung über den Alten Friedhof war sogar ein Blick
ins sonst verschlossene Mausoleum der Opel-Familie versprochen.
1941 war die letzte
Urnenbestattung auf dem Alten Friedhof. Rüsselsheimer waren früher nicht
innerhalb der eigenen Stadtmauern beigesetzt worden, denn sie gehörten wie auch
die Haßlocher zur Gemeinde Seilfurth, wo es einen Kirchhof auch für die
Rüsselsheimer Verstorbenen gab. 1476 brannte Seilfurth ab und wurde nicht mehr
aufgebaut. Die Bewohner siedelten nach Rüsselsheim. Nur die Kirche des Ortes
wurde weiterhin genutzt. Der Seilfurther Torbogen erinnerte auf dem Alten
Friedhof bis heute an die einstige Verbindung zum Nachbarort.
Mit dem Ausbruch
der Pest während des Dreißigjährigen Krieges wurden ein vom Ort abseits
gelegenes Grundstück zur Beisetzung der Pesttoten gesucht. Ein Mörfelder Schäfer
hatte in seinem Pesttestament verfügt, dass sein Acker (das Gelände des Alten
Friedhofes) zur Beisetzung der Toten genutzt werden könne. Der Schäfer fand
sodann auch als erster Pesttoter auf dem Gelände seine letzte Ruhe.
1919 wurde
beschlossen, dass auf dem Friedhof keine neuen Bestattungen mehr vorgenommen
werden. Lediglich Zubestattungen in vorhandene Gräber waren noch erlaubt. 1918
war bereits der Generalplan für den Rüsselsheimer Waldfriedhof geschaffen
worden. 1939 erging dann der Erlass, die Grabstätten zu räumen. Zahlreiche
Familie ließen ihre Verstorbenen auf den Waldfriedhof umbetten. Metallene
Einfriedungen kamen damals in die Eisenverwertung.
Steffen-Hammes
erklärte die Symbolik der Grabmäler, wies auf Eichen- und Efeublätter als
Zeichen der Ewigkeit hin. Zu manchem Überrest eines Grabmales zeigte sie
Fotografien, um einen Eindruck von den heute fehlenden Kreuzen, Urnen und
Amphoren zu geben. Einige umgefallene Grabsteine würden im Lapidarium des Stadt-
und Industriemuseums aufbewahrt.
Der Friedhof war in
seiner Geschichte mehrfach erweitert und in den 1950er Jahren zur Grünanlage
erhoben worden. In den 1970er Jahren wurde ein Spielplatz auf der ehemaligen
Grabstätte errichtet, was Diskussionen über die Achtung der Grabstätte aufkommen
ließ.
Zum 100. Todestages
von Adam Opel war der Versuch unternommen worden, den Alten Friedhof in seiner
Relevanz noch einmal aufzuwerten. Die Planungen wurden niemals umgesetzt.
Lediglich die Wege seien vor einiger Zeit noch einmal erneuert worden. So findet
sich mancher Grabstein heute auch nur noch ganz verdeckt unter einer großen
Eibe. "Auf diesem Friedhof finden Sie alle Grabmalformen des 19. Jahrhunderts",
erklärte Steffen-Hammes, welche die Besucher zu Stelen- und Pfeiler-, Platten-
und Naturgrabmälern führte. Louise Hessemer, die Gründerin des ersten
Kindergartens im Gebiet Hessen-Darmstadt, ist ebenso auf dem Alten Friedhof
begraben wie auch ihr Vater und Bürgermeister Georg Hessemer.
Steffen-Hammes
zeigte Grabstätten von Gastwirten und Industriellen wie dem Gründer der
Zichorienfabrik Engelhardt, Johann Christian Volbrecht. Auch das mittig
aufgestellte Kriegerdenkmal fand Beachtung beim Friedhofsrundgang.
Im Jahr 1924 ließ
die Opel-Familie das Mausoleum als Familiengrabstätte errichten. Adam Opel war
zu dem Zeitpunkt schon fast 30 Jahre tot, doch wurde er mit Fertigstellung der
Familiengrabstätte umgebettet. Auch die das alte Grab schmückende Büste zog ins
Mausoleum um.
Nach Aufschluss der
Pforte traten die Führungsteilnehmer in die Andachtshalle ein und bekamen einen
Eindruck von der monumentalen Grabstätte. Im Mausoleum wurden neben Adam und
Sophie Opel, ihre fünf Söhne und deren Ehefrauen, sowie die neun Enkel und zwei
Urenkel beigesetzt. Die letzte Urne wurde 2014 in die Familiengruft unterhalb
der Andachtshalle gebracht.