Von Uli Mayer (aus
"Deutsche Hockey Zeitung" vom 10. Februar 2000)
Dass dem
Bundestrainer etwas unwohl dabei war, als er Oliver Domke den Sonderpreis als
bestem Spieler der Hallen-DM-Endrunde 2000 in Essen überreichte, begründete Paul
Lissek später mit einem Rückblick: "Als 0lli das letzte Mal eine solche
individuelle Auszeichnung erhalten hat, war er danach 18 Monate für mich von der
Bildfläche verschwunden."
Worauf Lissek
anspielte: die freiwillige Pause des Nationalspielers Oliver Domke im Anschluss
an die vergangene Weltmeisterschaft in Utrecht. Am 1. Juni 1998 wurde der
Mittelstürmer der drittplatzierten deutschen Herrenauswahl bei der Siegerehrung
zum besten Spieler der WM gewählt. Die weltweite Journalistenschar hatte mit
ihrem Votum die zumindest in der Vorrunde beeindruckend starke Leistung des
damals 22-jährigen Deutschen gewürdigt.
Einen Zusammenhang
zwischen diesem inoffiziellen Sonderpreis und der Tatsache, dass Domke danach
für sehr lange Zeit nicht mehr das Nationaltrikot überstreifte, gibt es
allerdings nicht. Für den jungen Mann aus Rüsselsheim stand fest, dass im
Anschluss an die Zeit bei der Bundeswehr (als Sportfördergruppenmitglied beinahe
Hockeyprofi) die noch vor der WM begonnene Ausbildung zum Industriekaufmann
Vorrang haben würde. Domke nahm die Sache so ernst, dass er es nach der WM
ablehnte, Freistellungsgesuche des DHB beim Arbeitgeber einzureichen. Und dass
er, wie schon geschehen, für Lehrgänge und Länderspiele den kompletten
Jahresurlaub opfern würde, sah Domke nicht mehr ein. Erst nach Beendigung der
Lehre würde er wieder international zur Verfügung stehen.
Allen Versuchen von
Bundestrainer Lissek, den sportlich dringend benötigten Mittelstürmer im Vorfeld
der EM 1999 für eine vorzeitige Rückkehr zu gewinnen, erteilte der Umworbene
eine klare Absage. Er wolle keine Sonderbehandlung, so Domke zum Lissek-Angebot
eines speziell auf ihn zugeschnittenen Einsatzplanes. Bemerkenswerte
Einstellung.
Mit gleicher
Konsequenz meldet sich Oliver Domke nun wie angekündigt zurück und will um
seinen Platz im Olympiateam kämpfen. Klar, dass er durch seine eineinhalbjährige
Fehlzeit Boden verloren hat und andere, vor allem die Europameister von Padua
1999, derzeit vor ihm stehen, was einen Platz im Sydney-Aufgebot angeht. Aber
Domkes Renommee im Umfeld der Nationalmannschaft hat wenig gelitten. Und der
89-fache Nationalspieler selbst wird es auch gespürt haben, dass er zwar keinen
Freibrief auf das Olympiaticket erhalten wird, auf jeden Fall aber eine faire
Chance, sich in den Kreis der 16 Besten hineinzuspielen. Und dass Domke das
schaffen wird, davon gehen die meisten Beobachter aus. Der 23-Jährige wurde
inzwischen auch wieder offiziell in den A-Kader des DHB aufgenommen.
Am 20. Januar war
der letzte Tag in der Lehrzeit, die geschlaucht hat und oftmals auch die
Motivation fürs Hockeytraining beeinträchtigte. "Jetzt habe ich wieder den Kopf
frei für Hockey und freue mich auch auf die Rückkehr in den Nationalkader",
sagte Domke bei der DM in Essen. Am Tag darauf ging es ja mit dem Trip nach
Ägypten gleich richtig los.
Dort wurde Domke
aufgrund einer notwendigen Verschiebung (gelernte Mittelfeldspieler mussten in
der verletzungsbedingt dezimierten deutschen Abwehr aushelfen) in vier
Länderspielen im Mittelfeld eingesetzt. Die ungewohnte Position füllte Oliver
nicht gerade freudestrahlend, aber guten Willens aus. "Ich war eigentlich ganz
zufrieden mit ihm. Aber natürlich hat man gemerkt, dass die eineinhalb Jahre
internationale Pause nicht ganz spurlos an ihm vorüber gegangen sind", so das
Urteil des Bundestrainers über den Rückkehrer.
In der Zeit bis zu
den Olympischen Spielen im September ist Oliver praktisch Hockey-Profi. Wenn er
mal nicht auf DHB-Maßnahmen weilt, arbeitet er im Rüsselsheimer Hockey-Laden
("Domke Sport & Fashion") seiner Mutter. Im Oktober will er dann ein Studium
beginnen. "Welche Richtung, das weiß ich jetzt noch nicht", so Domke zur
beruflichen Zukunft.
Bei der Hallen-DM
in Essen lieferte der ältere der beiden Domke-Brüder eine bemerkenswerte
Vorstellung ab. Weniger im Endspiel, viel mehr dafür aber im Halbfinale, wo
Oliver alle acht RRK-Tore beim 8:8-Unentschieden (plus 4:3 in der gewonnenen
Siebenmeterausscheidung) gegen den UHC Hamburg erzielte. Das sei ihm noch nie
passiert, und dass jeder zweite Schuss ein Treffer ist, käme auch nicht oft vor.
Die Art und Weise, wie Domke aufspielte und "neue, tolle Elemente ins Spiel
brachte", lobte Paul Lissek, könne "zur Rettung des Hallenhockeys beitragen".
Die starke
Endrundenvorstellung war das (vorläufige) i-Tüpfelchen auf eine positive
Entwicklung beim RRK. "Die ganze Saison hat schon Spaß gemacht", so Oliver Domke
über den Neuanfang beim Rüsselsheimer Traditionsverein, der zuletzt 1981 mit
seinen Herren bei einer Hallen-DM-Endrunde vertreten war und Anfang/Mitte der
neunziger Jahre in die Hallen-Regionalliga absackte.
Eine "Trainermisere
über die letzten drei Jahre hinweg" (Domke) sei zur Hallensaison 1999/2000
beendet worden. Der neue Coach Kai Stieglitz habe die vermisste Autorität an der
Seitenlinie wieder zurück gebracht und laut Domke auch den größten Anteil am
Aufschwung.
"So konnte es nicht
mehr weiter gehen", befand das trotz Weltruhm (siehe WM 1998) sich immer noch in
der Entwicklung sehende Ausnahmetalent über die Mannschaft, aber auch sich
selbst. Die mangelnde Disziplin, bei Domke mitunter in Revanchefouls und
Meckereien ausartend und für manch rote Karte sorgend, "hat mir in den letzten
zwei Jahren ein schlechtes Image eingebracht", so Oliver im Rückblick. Daran hat
er intensiv gearbeitet, viele Einzelgespräche mit dem Trainer und einem
Sportpsychologen geführt. Dass der Prozess noch nicht abgeschlossen ist, zeigte
die jüngste Saison (die einzigen Platzverweis der Bundesliga gab es für Domke)
und auch die Endrunde (gelb). Dennoch unverkennbar, dass der im Herbst zum neuen
RRK-Mannschaftskapitän gemachte junge Mann mit neuer Lust und frischem Drive und
bei der Sache ist.