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Über Mitglieder des
RRK (2016)
Nicolas Jacobi |
Nicolas Jacobi führt derzeit zwei Leben in
einem: als Hockey-Nationaltorwart und Startup-Gründer |
Wie ein Algorithmus den passenden Mieter findet
Der
Hockey-Nationaltorwart Nicolas Jacobi trainiert für Olympia in Rio de Janeiro
und führt nebenbei ein eigenes Immobilien-Start-up. Damit kann er Mietern wie
Vermietern gleichermaßen helfen.
Von Dennis Betzholz
(aus "Die Welt" vom 14. März 2016)
Das Gute, und das darf im Namen aller entmutigten
Langzeitwohnungssuchenden auch mal geschrieben werden, ist: Selbst ein
Olympiasieger hat Schwierigkeiten, in Hamburg eine Wohnung zu finden. Als Nicolas Jacobi, Hockey-Nationaltorwart, vor vier Jahren
umziehen musste, durchforstete er wochenlang die einschlägigen Immobilienportale
nach einer geeigneten Bleibe, nahm an Massenbesichtigungen teil und erhielt
Absagen. Der ganz normale Wahnsinn eben. Erst der Tipp eines Bekannten führte
nach zwei Monaten zum Erfolg.
Mittlerweile hat
der gebürtige Mainzer Jacobi hier nicht nur eine eigene Wohnung, sondern auch
ein eigenes Büro. Denn aus dem Frust von damals, über all die Ineffizienz und
Intransparenz bei der Wohnungssuche, ist eine Idee geboren und aus der Idee ein
eigenes Start-up namens Immomio: Es hilft Wohnungsunternehmen und
Hausverwaltungen, mithilfe eines Algorithmus neue Mieter für ihre Wohnungen zu
finden – und erspart Letzteren sogleich zeitraubende Massenbesichtigungen.
Nicolas Jacobi
führt deshalb gerade zwei aufreibende Leben in einem: Das des Hockeyspielers vom
Erstligisten Uhlenhorster HC, der im August Olympisches Gold in Rio de Janeiro
gewinnen will. Und das des Jungunternehmers, der nicht nur weitere Kunden,
sondern ganz aktuell auch einen neuen Investor für seine Idee begeistern will.
Beide Pläne, so sieht es derzeit aus, können gelingen. Sollten sie auch, damit
sein erstes Leben mit einem letzten Höhepunkt endet – und das zweite überhaupt
so richtig beginnen kann.
Karriereende mit
30 Jahren – um Geld zu verdienen
Wer spüren will,
wie voll so ein Tag im Leben von Nicolas Jacobi derzeit sein kann und wie
abwechslungsreich noch dazu, der trifft ihn einfach zwischen Tür und Angel. Der
vergangene Montag war so eine Gelegenheit. Es ist zehn Uhr morgens, Nicolas
Jacobi kam zwei Stunden zuvor erst aus Kapstadt zurück. Die Nationalmannschaft
hatte sich dort zwei Wochen lang auf Olympia vorbereitet, bevor am 19. März die
Feldhockey-Saison startet. Deutschland absolvierte binnen vier Tagen drei
Testspiele gegen Südafrika, immerhin Meister seines Kontinents. Alle drei
Partien gewannen die Bundesadler deutlich. Jacobi kassierte in allen Spielen
zusammen nur fünf Gegentore – eine starke Bilanz.
Jetzt könnte er
durchschnaufen, die Füße hochlegen, doch dafür bleibt momentan keine Zeit: In
Hamburg, in seinem neuen Büro in der Neustadt, schaut er nur für wenige Stunden
vorbei. Er muss gleich noch weiter nach Nordrhein-Westfalen. Im Terminkalender
stehen Gespräche mit potenziellen Kunden, wichtige Gespräche.
Ein Hockeyspieler,
sagt Nicolas Jacobi, müsse spätestens mit 30 Jahren seine Karriere als
Nationalspieler beenden, um endlich Zeit zum Geldverdienen zu haben. Er selbst
ist 28, gehört damit zu den Ältesten im Kader. "Das ist eigentlich bitter, weil
30 das beste Hockeyalter ist", sagt er, "aber welcher Arbeitgeber lässt einem
schon über mehrere Jahre derartige Freiräume, für die bis zu 70 Spiele im Jahr,
das Training, die Reisen zu Lehrgängen?" Und Hockey sei eben kein Fußball,
allein der Sport reiche für den Lebensunterhalt auf Dauer eben nicht aus. Es
sind die Nebenwirkungen eines Nischensports.
Nicolas Jacobi (UHC) in
Hamburg-Winterhude. Bei seinem Umzug von Mainz frustrierte ihn Ineffizienz
und Intransparenz bei der Wohnungssuche |
Erst Bank, dann
Startup
Nicolas Jacobi hat
schon früh an später gedacht. Er hat Betriebswirtschaftslehre studiert und
anschließend in einer Hamburger Privatbank als Trainee in der Beratung
gearbeitet. Doch seit seinem Studium hat er mit dem Gedanken gespielt, sein
eigenes Ding zu machen, Verantwortung zu übernehmen, so wie er es seit Jahren
auf dem Platz schon getan hat.
Gemeinsam mit
seinem Kommilitonen Nico Vogelsberger entwarf er nach den Vorlesungen das ein
oder andere Geschäftsmodell und verwarf jedes Einzelne wieder. Erst durch seinen
Umzug im Jahr 2012 stieß er auf eine Idee, die er und sein Kumpel für
erfolgversprechend hielten: Wie wäre es, wenn Hausverwaltungen und
Wohnungsunternehmen die Suche nach neuen Mietern weitestgehend digital abwickeln
könnten, ohne Makler und trotzdem mit möglichst wenig Arbeit?
Der Vermieter
müsste nur angeben, welche Eigenschaften der potenzielle Mieter am liebsten
aufweisen sollte, zum Beispiel die Höhe des Einkommens, der Familienstand oder
ob es sich um einen Nichtraucher handeln soll. Die Bewerber würden anschließend
im Internet ihre Selbstauskunft ausfüllen. Ein Algorithmus gleicht schließlich
beide Profile ab und übersendet dem Vermieter die passendsten von oft bis zu 200
Bewerbern. Das spart beiden Seiten Zeit: Denn der Wohnungsuchende erfährt
umgehend, wie hoch seine Erfolgsaussicht auf das gewünschte Objekt ist.
Dank des
Bestellerprinzips startete Immomio durch
Das Problem, das
die beiden jungen Männer zunächst übersahen, war: Die Hausverwaltungen hatten
gar keinen Bedarf an dieser Dienstleistung. Sie setzten seit jeher Makler ein,
schließlich kostete sie das nicht einmal viel Geld, denn der Großteil der
Courtage wurde in aller Regel auf den späteren Mieter abgewälzt. Also verschwand
das Konzept für Immomio wieder in der Schublade, vorerst.
Als Jacobi aber
zwei Jahre später erfuhr, dass der Staat ein Gesetz einführen will, das
Bestellerprinzip heißt und bei dem derjenige die Rechnung für den Makler zahlen
muss, der diesen beauftragt, kündigte er seinen Job bei der Bank und setzte mit
Vogelsberger sowie dem Programmierer Johannes Hiemer seine Pläne um. "Wir
wussten, dass jetzt der Bedarf da ist", sagt Jacobi. Mitte vergangenen Jahres
trat das Gesetz in Kraft, und Immomio startete durch. Zwei private Investoren,
sogenannte Business Angels, sorgten für die Anschubfinanzierung.
Mittlerweile hat
das junge Unternehmen nach eigenen Angaben Kunden mit insgesamt 10.000
Wohneinheiten. Rechne man all jene Unternehmen mit, die den Dienst gerade
testweise nutzen, steigt die Zahl auf 150.000 Bestandswohnungen, sagt Jacobi.
Etwa jede zehnte Wohnung, so rechnet der Gründer vor, werde jedes Jahr neu
vermietet – da kommt einiges zusammen.
Rio steht über
allem
Die Zunft der
Makler dürfte diese Entwicklung mit Sorge beobachten, doch als Sargträger einer
ganzen Branche sieht sich Nicolas Jacobi keineswegs. "Das Kind ist für die
Makler schon durch das Bestellerprinzip in den Brunnen gefallen", sagt Jacobi.
Außerdem habe er es in erster Linie nicht auf die privaten Vermieter abgesehen,
sondern auf die großen Unternehmen mit mehreren Wohnungen. Sein Start-up sieht
er sogar eher als eine Art Heilsbringer für die Makler: Seit das
Bestellerprinzip greift, erhalten diese vom Vermieter nämlich meist nur eine
Monatsmiete als Courtage. "Das kann nur rentabel sein, wenn die Makler den
Aufwand für jedes einzelne Objekt gering halten. Wir geben ihnen dafür das
geeignete Hilfsmittel."
Das Start-up sucht
gerade einen weiteren Geldgeber, um die Mitarbeiterzahl zu vergrößern und als
Unternehmen weiter zu wachsen. Im Prinzip, sagt Nicolas Jacobi, sei es als
Unternehmer nicht anders als im Sport. "Du schuftest jahrelang, entbehrst auch,
durchlebst Berg- und Talfahrten, und weißt nie, ob du am Ende zum Ziel kommst."
Nur jedes zehnte Start-up, zitiert er die Statistik, habe Erfolg. Aber die
Wahrscheinlichkeit, der beste Torwart Deutschlands zu werden und Gold bei
Olympia zu gewinnen, dürfte deutlich geringer sein? "Deshalb glaube ich auch
fest an den Erfolg."
Und das trotz der
Doppelbelastung. Rio stehe über allem, sagt er. Er will Gold holen, unbedingt.
Er will seinen Stock und notfalls auch seinen Kopf hinhalten, wichtige Bälle
halten. Wie 2012, als der Uhlenhorster HC sowohl das Halbfinale als auch das
Endspiel der Euro Hockey League, dem Pendant zur Champions League der Fußballer,
im Penaltyschießen entschied – und Jacobi mit vier gehaltenen Penaltys zum
Helden wurde. Ein paar Wochen später holte er olympisches Gold in London. Und
irgendwann dazwischen kam er auf die Idee für Immomio. Irgendwie typisch für
einen Sowohl-als-auch-Typ wie Nicolas Jacobi. |