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Über Mitglieder des
RRK (2022)
Michael Jahr |
Goldschmied
Michael Jahr geht in seinem Ateliergeschäft in der Haßlocher Straße seinem
Handwerk nach.
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Rüsselsheimer Goldschmied hat "schönsten Beruf überhaupt"
Der
Rüsselsheimer Michael Jahr ermutigt junge Leute zu einer soliden Ausbildung in
seinem Metier.
Von Charlotte
Martin (aus "Main-Spitze" vom 17.06.2022)
Die
Schönheit von Edelsteinen durch klare, schnörkellose Fassungen zur Geltung zu
bringen, ist Michael Jahr auch 35 Jahre nach seiner Gesellenprüfung noch eine
große Freude: "Oft geht es mir so, dass zuerst der Stein da ist und nicht die
Skizze. Der Stein, wenn ich ihn in der Hand halte, inspiriert mich zu der
passenden Fassung", erzählt der Goldschmiedemeister und staatlich geprüfte
Schmuckgestalter beim Gespräch an der Werkbank. Freilich: Das Kreieren eigener
Schmuckstücke sei die Ausnahme in seinem Beruf, der Alltag lasse kaum Zeit
dafür, stellt er klar. "Kreativität und Fingerspitzengefühl sind in dem Beruf
gefragt, aber meist gilt die feinmotorische Arbeit dem Umarbeiten von
Schmuckstücken und der Reparatur", führt er aus.
Entwerfen,
Fertigen, Reparieren
Soeben ist er an
der Werkbank, die im Rüsselsheimer Ateliergeschäft abseits der Vitrinen ihren
Platz hat, damit beschäftigt, einen Ring aufzusägen, um ihn auf Kundenwunsch zu
erweitern. Fräser und Bohrer sind säuberlich aufgereiht, Golddraht liegt bereit.
Michael Jahr, der am 1. Juli den 30. Jahrestag als selbstständiger
Goldschmiedemeister in der Haßlocher Straße feiert, sagt: "Es ist der schönste
Beruf überhaupt."
Dies wolle er gern
jungen Leuten sagen, um sie zu ermutigen, das Handwerk des Gold- oder
Silberschmieds zu lernen. "Dreieinhalb Jahre duale Ausbildung, alles von der
Pike auf erproben – Entwerfen, Fertigen, Reparieren" – das sei ein ungemein
erfüllender Beruf, versichert der Obermeister der Gold- und
Silberschmiede-Innung Frankfurt. Bis August suche die Innung Frankfurt, zu der
heute noch 43 Gold- und Silberschmiedemeister in Hessen zählen, dringend fünf
Auszubildende. Warum fünf? "Für die Ausbildung, die im August startet, gibt es
bisher nur einen einzigen. Damit droht die unmittelbare Schließung der in Hessen
zuständigen Berufsschule für Gold- und Silberschmiede, die in Hanau der
Zeichenakademie angegliedert ist. Es müssen mindestens sechs Ausbildungsverträge
vorliegen."
Kurz: Um das
Handwerk steht es schlecht. Michael Jahr sagt: "Kaum jemand ist mehr bereit, es
zu lernen und konstant dabei zu bleiben. Man braucht Bodenständigkeit,
Kunstfertigkeit, Geduld, kunstgeschichtliche Bildung und Freude an der Ästhetik.
Mancher startet mit hochfliegenden Ideen vom eigenen Design und gibt vorzeitig
auf", führt Jahr aus. Das Einkommen liege bei 2.000 bis 2.700 Euro je nach
Berufserfahrung, sagt er. Und: "Du musst den Beruf lieben, dann hältst du auch
durch, dann übst du und wächst daran."
Dilemma auch der
Politik geschuldet
Das Dilemma in der
Branche sei auch der Politik geschuldet. "2004 kam der Einschnitt: Die
Meisterprüfung für Gold- und Silberschmiede wurde abgeschafft und der Beruf zum
'zulassungsfreien Handwerk', das heißt, zum handwerksähnlichen Gewerbe
heruntergestuft." Seitdem könne quasi jeder sich als Gold- oder Silberschmied
anmelden. Solide ausgebildete Gold- und Silberschmiede schmerze das und lasse
sie mit Sorge in die Zukunft blicken – in der Innung Frankfurt ebenso wie im
Zentralverband der Gold- und Silberschmiede, wo Michael Jahr für die
Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. "Wir müssen den Beruf erhaltenswert machen,
wollen ermutigen, ihn von der Pike auf zu lernen", sagt der mehrfach für seine
Schmuckgestaltung ausgezeichnete Meister. |