Aus "www.deutsche-handwerks-zeitung.de"
vom 10.03.2015
Michael Jahr nimmt
in diesem Jahr als Betrieb aus dem Kammerbezirk Frankfurt-Rhein-Main an der
Internationalen Handwerksmesse (IHM) in München teil. Jahr hat sich auf
Neuanfertigungen, aber auch auf Umarbeitungen von alten Schmuckstücken
spezialisiert.
DHZ: Sie sind
mit Ihrem Betrieb in Rüsselsheim ansässig – welche Erwartungen haben Sie an die
Messe in München?
Michael Jahr: Die
Präsentation läuft unter dem Motto "Goldschmiedemeister Hessen". Wir wollen die
Bedeutung des Meistertitels in den Vordergrund rücken. Leider ist dieser im
Goldschmiedehandwerk nicht mehr zwingend erforderlich. Aber der Meistertitel ist
immer noch das Gütesiegel mit großer Bedeutung für Deutschland und Europa. Da
wollen wir auch Flagge zeigen. Eine Messe ist in erster Linie eine
Leistungsschau sowie Werbung für den Betrieb und seine Produkte. Durch den
Gemeinschaftsstand der hessischen Aussteller ergeben sich sicherlich
gewerkeübergreifende Synergien. Natürlich freue ich mich auf interessante
Kundengespräche.
DHZ: Was werden
Sie auf der Messe zeigen?
Jahr: Auf der IHM
ist natürlich Schmuck aus meiner Kollektion für Damen und Herren zu sehen. In
diesem Jahr werde ich das Angebot der besonders gefertigten Gehstöcke auf der
Messe ausbauen. Dies geschieht in der Zusammenarbeit mit dem Messebauer der
Schreinerei Kalbfuss. Einer der Höhepunkte wird eine Modenschau sein, an der
sich mehrere Aussteller des Gemeinschaftsstandes gemeinsam beteiligen.
DHZ: Sie haben
auch schon einige Preise für Ihre Kreationen erhalten, was bedeutet das für Sie?
Jahr: An einem
Wettbewerb teilzunehmen ist immer etwas Besonderes – mit einem Preis
ausgezeichnet zu werden, natürlich ein tolles Gefühl.
DHZ: Haben Sie
ein Spezialgebiet, auf dem Sie tätig sind?
Jahr: Von der
Neuanfertigung über Umarbeitungen bis hin zu Reparaturen können wir unseren
Kunden alles anbieten. Was mich reizt, ist, aus dem gelieferten Material etwas
Neues zu fertigen. Mit altem Schmuck oder wertvollen Erbstücken, sind oft viele
Erinnerungen verbunden. Daher ist es eine schöne Sache, wenn dieser in der
Familie bleibt. Das hat auch mit Nachhaltigkeit zu tun.
DHZ: Wenn Sie in
die Zukunft blicken, was wünschen Sie sich für das Handwerk beziehungsweise für
das Goldschmiede-Handwerk?
Jahr: Für das
Handwerk wünsche ich mir, dass handwerkliche Qualität wieder mehr wertgeschätzt
und nicht immer alles nach dem "Tiefpreis-Prinzip" beurteilt wird. Jeder muss
für sich entscheiden, was für ihn das Beste ist. Ich möchte keinen bevormunden –
nur mal Anlass geben, darüber nachzudenken. Man sollte auch wieder Verständnis
entwickeln, dass manche Sachen Zeit benötigen und nicht immer alles griffbereit
im Regal liegt.
DHZ: Welche
Voraussetzungen müssten geschaffen werden, um die Zukunft des Handwerks zu
sichern?
Jahr: An die
Verantwortlichen appelliere ich, nicht alles mit bürokratischen Regeln und
Auflagen zu ersticken. Das ist wie unser Schilderwald auf unseren Straßen: Wenn
man alle wahrnehmen würde, könnte man sich nicht mehr auf den Verkehr
konzentrieren. Es lähmt Betriebe, wenn die administrative Arbeit überhandnimmt.
Darüberhinaus: Nicht jeder muss Abitur haben und studieren. Eine Ausbildung ist
keine Sackgasse, sondern der erste Schritt auf der Karriereleiter. Da ich selber
Vater bin, sollte auch ein Umdenken in den Köpfen von uns Eltern stattfinden.
Manche Kinder benötigen einfach mehr Zeit, sind deswegen aber nicht schlechter
als andere. Wichtig ist, die Qualitäten und Neigungen unserer Kinder zu
erkennen. Natürlich spielt auch das Gehalt eine Rolle – aber das Lehrgehalt darf
nicht der ausschlaggebende Punkt für eine Berufsentscheidung sein. Sonst wäre
ich vermutlich kein Goldschmied geworden. Für mich ist der Spaß an der Arbeit
wichtig. Der Umgang mit Kunden, mit ihnen gemeinsam etwas für die Zukunft zu
erarbeiten.
Aus "www.echo-online.de"
vom ...2015
Goldschmiedemeister
Michael Jahr hat seine Kunst kürzlich bei der Internationalen Handwerksmesse
(IHM) in München präsentiert. Er vertrat dort den Kammerbezirk
Frankfurt-Rhein-Main. Beim Besuch erzählt er vom schwierigen Alltagsgeschäft der
Branche sowie von neuen Trends und Hoffnungen.
Hübsch wäre die
Geschichte vom Goldschmied zu erzählen, der schon als Bub die Edelsteine der
Mama bewunderte und davon träumte, selbst Schmuck zu fertigen. Doch Märchen
schreibt das Leben selten: Goldschmied Michael Jahr, stellvertretender
Obermeister der Gold- und Silberschmiedeinnung, ist ein Künstler und Handwerker
mit Bodenhaftung. "Ich wollte Technischer Zeichner werden, aber in dem Modeberuf
der Achtziger war ein Ausbildungsplatz kaum zu bekommen. Das Arbeitsamt schlug
mir deshalb vor, Goldschmied zu lernen", erzählt er in seinem Laden- und
Werkstattraum in der Haßlocher Straße.
Seit Michael Jahr
sich mit seinem Meistertitel 1992 selbstständig machte, ist er dort ansässig,
kreiert eigenen Schmuck, arbeitet antiken Schmuck oder auch Exponate von
persönlichem Erinnerungswert um, bietet seine Unikate, aber auch ein Sortiment
ausgesuchten Schmucks und Uhren anderer Hersteller sowie Reparaturen an. "Das
Kreieren eigener Stücke ist das Sahnebonbon im täglichen Geschäft. Häufig bleibt
wenig Zeit dafür. Wer in meiner Branche bestehen will, darf nicht abheben",
erläutert der Meister.
Goldschmiedin
Anette Stentzler arbeitet seit fünf Jahren an Werktisch und im Geschäft mit,
eine Frau, die nicht nur handwerkliches Können, sondern auch ein
Philosophiestudium mitbringt. Michael Jahr: "Wir arbeiten eng Hand in Hand,
sodass das Miteinander absolut harmonieren muss." Ohne große Worte, sondern mit
Ruhe in der Kundenberatung und mit Konzentration an der Werkbank, sorgen die
beiden für eine Atmosphäre, die Kreativität schaffen kann.
Leise plätschert
die Umwälzanlage eines Aquariums. Messwerkzeug, Zangen, Feilen und Sägen sind an
der Werkbank griffbereit aufgereiht – Metallstaub im "Fell", dem Abfallbeutel,
zeugt vom eifrigen Tun. "Erst heißt es bedienen, bedienen. Kundenservice geht
vor, dann kommt die Kunst", so Michael Jahr.
In hohen Vitrinen
sind neben Standardware ("Die gehört heute dazu") edler Bernsteinschmuck von
Stentzler sowie Einzelstücke des Meisters ausgestellt: Etwa der grüne
Achatapfel, umrahmt von zwei fein ziselierten Goldblättern – eine paradiesische
Kette. Die Ringe von Michael Jahr sind wuchtig, doch fein ausgearbeitet: Ein
großer Aquamarin wird von zwei Silberflügeln umfasst. Dezent mag er’s nicht:
"Schmuck soll das Auge erfreuen." Blickfang sind auch die Gehstöcke, die in
Kooperation mit einem Schreiner gefertigt werden: Geschmeidig liegt der Knauf
aus Mondstein in der Hand, elegant wirkt der Spazierstock als Accessoire, das
bis ins 20. Jahrhundert ein Muss stilvollen Auftretens war.
Als Michael Jahr
seine Schmuckstöcke im März bei der Internationalen Handwerksmesse (IHM) München
vorstellte, fanden sie reges Interesse: "Die Bestellungen boomen." Überhaupt sei
der fachliche Austausch zur Zukunftssicherung und Wertschätzung der Gewerke
sowie die Publikumsresonanz in München ermutigend gewesen: "Es scheint, Qualität
rückt wieder in den Fokus." Dass aber der Meistertitel für Goldschmiede
mittlerweile nicht mehr zwingend erforderlich ist, bedauert Michael Jahr sehr.
"Er ist ein europaweit anerkanntes Gütesiegel."
Praktikantin
Jessica Töpfer will möglichst als Auszubildende anfangen. Feilen, Sägen, Biegen,
Löten, Ziselieren, Gravieren, Fassen – all dies gilt es zu lernen, um vielleicht
eine eigene Handschrift der Schmuckgestaltung zu entwickeln.
"Die Vergütung ist
schlecht, wir stehen mit Friseuren auf einer Stufe, wobei diese noch ihr
Handgeld bekommen", sagt Jahr. Überhaupt: Sich neben dem allgemeinen Trend zum
Schnellkauf nach "Tiefpreisdevise" zu behaupten, sei kein Leichtes. "Auch
Interneteinkauf macht zu schaffen", sagt der bei Wettbewerben bereits mehrfach
hoch dekorierte Goldschmied.
Jetzt aber hat er
an der Werkbank Platz genommen, widmet sich zwei Eheringen, die eine Kundin nach
dem Tod des Mannes zu einem Ganzen verarbeiten lässt. Sorgsam wird das Weißgold
geschliffen.