Von Sarah Neder
(aus "https://www.op-online.de" vom 08.08.2015)
Offenbach - Ein
kühles Bier stillt den Durst. Doch es kann noch mehr. Beim diesjährigen
Offenbacher Bierfest erläutert der Bier-Sommelier Meinhard Wicht, dass der
Konsum des Gerstensafts ein echter Genuss sein kann – wenn man es denn richtig
anstellt.
Treffpunkt:
Augustinerstand. Meinhard Wicht, Glatze, randlose Brille, Genießerbauch, eilt an
einen Stehtisch. Dort im Schatten warten sie schon, seine Schüler. In den
nächsten eineinhalb Stunden sollen sie lernen, was er schon nicht mehr sein
lassen kann: Bier trinken mit allen Sinnen. Seit 2011 ist Wicht ausgebildeter
Bier-Sommelier, mag und trinkt jede Sorte, Tabus gibt es nicht. Selbst
Light-Bier sei okay, sagt er. Auch seit vier Jahren führt er über das
Offenbacher Bierfest, lässt kosten, erklärt Geschmacksnuancen. Unter Wichts Arm
klemmt ein Einkaufskorb, er nimmt zur Hälfte gefüllte Einmachgläser heraus und
lässt sie einmal reihum gehen. Malz, Karamalz, normaler Hopfen und welcher mit
Zitrusduft: Sensibilisierung der Nase, Vorbereitung auf das, was gleich kommt.
Sechs verschiedene
Sorten hat Wicht ausgewählt, um Bier in seiner ganzen Bandbreite zu
präsentieren: Weizen und Pils, Dunkles und Helles, Kölsch und Alt. Doch bevor
das Gebraute in die durstigen Rachen fließt, lehrt der Profi-Verkoster "die
Kunst des Trinkens", wie er sagt. Dabei steht das "Trinken" ganz am Ende seines
Rituals. Zunächst packt Wicht das tulpenförmige Glas am Stiel, reckt es in die
Luft und beäugt den Inhalt. "Tolle Farbe. Elfenbein", sagt er, und die
Tour-Teilnehmer, darunter auch Gewinner einer Verlosung unserer Zeitung, staunen
und nicken. Zweiter Schritt: ins Bier hören. "Manchmal will es mit einem reden",
meint Wicht, dreht seinen Kopf und steckt sein rechtes Ohr ins Glas. Nun das
Riechen. Das Bier schwenkend schnappt der Sommelier seinen Duft auf. Die anderen
tun es ihm nach. Und dann die Kür: das Bier richtig in den Mund kippen. Das
klingt nur für Amateure profan. Wicht beobachtet die Verkostungsgäste und rät,
das Getränk nicht schwungvoll in sich hinein zu schütten, sondern es langsam auf
der ganzen Zunge zu verteilen. Der studierte Brautechniker macht’s vor, nippt
nur mit spitzem Mund. Alle anderen ziehen nach.
Im Zick-Zack von
Stand zu Stand, vom Aliceplatz bis zum Stadthof, hüpft der Sommelier samt Gruppe
über das Bierfest. Dank der kleinen Gläser lallen die Tour-Teilnehmer nicht
schon nach Bier Nummer drei. Je 0,1 Liter dienen nur zum Probieren, nicht zum
Betrinken. Dazwischen rät der Fachmann, Wasser zu trinken. Gemeinsam entdeckt
die Gruppe die Aromenwelt aus dem Glas: Bier kann zitronig, säuerlich, trocken,
nach Banane, süß oder schmal schmecken. Was Fans des Gerstensafts sonst als
lecker oder nicht lecker kategorisieren, reicht bei der Verkostung nicht aus.
Bier als Genuss abseits der Kneipe zu verstehen, ist die Devise. Eine Stange
Kölsch als Partner zum Salat, ein Glas Urstoff als Begleiter zum saftigen Steak.
Neben den einzelnen Brauverfahren hat Wicht für die Teilnehmer nützliche
Hinweise: "Wenn Sie zu Hause mal ein Bier kosten wollen, nehmen Sie ein
dünnwandiges Glas mit Stiel, zum Beispiel ein Rotweinglas. Kippen Sie nur
zweifingerbreit ein. So kann sich das Aroma gut entfalten", empfiehlt er.
Außerdem warnt der
Feinschmecker vor schwarzen Schafen unter Gastwirten. Ein Pils ohne Schaumkrone,
in Fachkreisen der Feldwebel, würde er sofort zurückgehen lassen, rät er. Ein
ebenso großes No-Go sei, wenn Wirte an ihrer Zapfanlage die sogenannte
Schaumtaste betätigten. Drücke man gegen den Hebel, sprudele das Bier samt
Sauerstoff ins Glas. Dabei entstehe kein schöner Schaum, und Bakterien könnten
in den Zapfhahn und somit auch in das Getränk gelangen, erklärt Wicht. Dann rät
der Kenner ebenfalls zum Protest. Auch wenn das Bier nur den Durst löschen soll.