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Über Mitglieder des
RRK (2017)
Manfred Wolf |
Manfred Wolf wird am Samstag im Garten der
Villa Herrmann auf Meenzerisch lesen. |
Mundart-Fan liest in der Villa Herrmann
Manfred Wolf hat
einen Dauergast im Keller
Manfred Wolf hat
richtig viel zu erzählen. Und das tut er nicht nur auf Hochdeutsch, sondern in
fast jedem Dialekt, den man sich wünscht.
Von DANIELA HAMANN
(aus "Rüsselsheimer Echo" vom 28.06.2017)
Am Gartenzaun ist
keine Klingel. Auch nachdem jeder Winkel der Holzbegrenzung inspiziert ist, es
findet sich keine Möglichkeit, die Bewohner des Hauses in der Böcklersiedlung
auf Gäste aufmerksam zu machen.
Was nun? Einfach
über den Zaun greifen und die Tür aufmachen? Oder drüberspringen? Nein, das
lässt die gute Erziehung nicht zu. Also Handy raus und bei Manfred Wolf, der in
dem klingellosen Haus wohnt, anrufen. Er geht sofort ran. "Ich mache Ihnen auf",
ruft er in den Hörer. Und wenige Sekunden später steht er auf der Treppe vor der
Haustür.
Das Haus wirkt
irgendwie englisch. Dunkles Holz, dunkle Teppiche, dunkle Möbel. Und vor allem:
Ganz viele Bücher. Wolf bittet in sein Arbeitszimmer. Dort dominiert ein
massiver Schreibtisch den Raum. Hier hat der studierte Jurist schon immer viel
Zeit verbracht, obwohl – oder vielleicht – weil er zuletzt als Ministerialrat
bei der Deutschen Bahn die Sozialstrukturen des Unternehmens erst aufgebaut und
dann weiterentwickelt hat.
Alle Wände sind mit
unzähligen Büchern aus den Themengebieten Geschichte, Reise, Krimis und vielem
mehr vollgestellt. Er habe etwa 5.000 Bücher, sagt Wolf. "Sie stehen auch im
Wohnzimmer, Schlafzimmer und im Keller."
Es fällt ein
eigentümlich anmutendes, schwarzes Gebilde ins Auge, das viele jüngere Leute
vielleicht schon einmal in einem Museum gesehen haben. Es hat einen Hörer und
eine Wählscheibe. "Das war mein Telefon bei der Bahn", sagt der Bischofsheimer,
Jahrgang 1938. Die 79 Lebensjahre merkt man Manfred Wolf nicht an. Er ist
energiegeladen und sein Gesicht strahlt, wenn er erzählt. Und er erzählt viel.
Auf ihn trifft das Klischee, dass Männer nicht gerne reden, nicht zu. Seine Frau
sei ruhiger, sagt Wolf und seine Augen lachen.
Überhaupt hat
Manfred Wolf einen ansteckenden Humor. Mittlerweile hat er sich auf dem Balkon
vor seinem Arbeitszimmer niedergelassen. Vom darunterliegenden Garten dringen
Kinderstimmen hinauf. Plansch-Geräusche sind zu hören. Ist das ein Schwimmbad?
"Die Idee hatte meine Frau, als wir dieses Haus 1971 gebaut haben. Eines Tages
kam ich von der Arbeit nach Hause und da war ein riesen Loch im Boden. 'Du
wolltest doch immer ein Schwimmbad’, meinte meine Frau damals. Und seitdem haben
wir einen Pool."
"Glück gehabt"
Er schwimme dort
jeden Morgen, vor allem seit er vor vier Jahren eine vierfache Bypass-Operation
hatte, erzählt Wolf und wird ernst. "Da hatte ich echt Glück, das war ganz schön
knapp." Der Verschluss der Gefäße am Herzen sei nur durch Zufall erkannt worden.
"Mein Arzt meinte dann, ich müsse unbedingt abnehmen. 25 Kilo sind schon weg,
weitere 25 sollen es werden."
Er sei 1938 im
Graben des Legionslagers Mainz geboren worden. Wie bitte? Manfred Wolf lacht
schallend und erzählt: "Mein Vater sah aus wie ein Römer. Er hatte dunkle,
krause Haare." Okay, aber das mit dem Geburtsort ist immer noch nicht klar. "Der
Kreißsaal der Uniklinik ist dort, wo vor vielen Jahrhunderten die beiden
römischen Legionen waren", klärt der Bischofsheimer auf.
Manfred Wolf in jungen Jahren als Ruderer, hier mit dem Jungmann-Achter des RRK 1958
(hinten: Hans-Eberhard Miethge, Heini Voges, Steuermann Ragnar Otto,
Schlagmann Manfred Wolf,
Rudolf Müller, Gerhard Ketter; vorn: Karl Heinz Lotz, Hans-Karl Gerbig,
Klaus Zander) |
Die Römer sind sein
Ding. Das merkt man, wenn man Manfred Wolf zuhört. Und Dialekte sind sein
zweites Steckenpferd. "Ich lerne Dialekte ganz schnell beim Zuhören", sagt er
und spricht plötzlich Sächsisch, dann Oberhessisch. Dann macht er praktisch den
Unterschied zwischen Bischemerisch und Meenzerisch klar. Währenddessen haben die
Kinder unten im Schwimmbad einen Riesenspaß. Man hört sie im Wasser tollen und
auf dem Trampolin springen. "Das ist mein Enkel mit seinen Freunden", meint
Wolf. "Mein Sohn, meine Schwiegertochter und mein Enkel wohnen auch im Haus."
"En Halwe, des is
en halwe Schobbe. Unn alle Wirte sollt mer verklobbe, die wejem Rebbach in
dreister Weise, mit null Komma zwaä die Leit bescheiße...", zitiert Wolf
plötzlich aus seinem "selbst gedichteten, selbst verlegten und selbst
bebilderten" Buch mit dem Titel "Es Cheval im Monder", aus dem er am Samstag ab
11 Uhr im Garten der Villa Herrmann lesen wird. Es ist seine allererste Lesung
überhaupt.
Puppe als
Party-Gag
"Mal sehen, wie das
wird", meint Wolf und zwinkert mit den Augen. Dann geht er die Treppe hinunter
in den Keller. "Schauen Sie mal hier hinein", sagt er und zeigt auf eine Tür mit
zwei Griffen, auf jeder Seite einen. Bloß da die Tür links nach innen aufgeht,
fragt man sich, was der rechte Griff soll. Drinnen ist eine Toilette. Und gleich
neben dem Klosett steht ein Mann. Beim Hinsehen stellt sich heraus, dass der
Mann eine männliche Schaufensterpuppe ist. "Ich schicke meine Gäste hier gerne
aufs Klo. Letztens kam einer meiner Freunde zurück in den Partyraum und sagte:
Rechts ist immer besetzt und links steht ein Mann und hört nicht auf zu
pinkeln."
Kleine Anekdoten
in schönstem Meenzerich
Manfred Wolf
stellt sein Buch "Es Cheval im Monder" in der Villa Herrmann vor
Aus "Main-Spitze"
vom 05.07.2017
(hele). Wenn
Manfred Wolf erzählt und liest, erstehen die alten Zeiten von Mainz wieder auf.
So beginnt er mit, angelehnt an Carl Zuckmayer, der großen Völkermühle, der
Kelter Europas, erzählt vom "Flehlappe" und wie sein Name entstand. Wolf wurde
gerufen und "Wolf kimmt" in die Buchhandlung in der Villa Herrmann, und man
erfährt in schönstem Meenzerisch, warum sein Buch "Es Cheval im Monder" heißt.
Auf Einladung der
Freunde der Villa Herrmann waren viele Besucher gekommen, die eigentlich hätten
im Garten sitzen wollen, die aber Inhaber Hans J. Jansen lieber in die
Innenräume führte, des unbeständigen Wetters wegen. Dort spielten zwischen den
Passagen der Lesung Mina Atanasova, Lehrerin, am Klavier und Johannes Gutmann,
Schüler der Musikschule Mainspitze, am Cello romantische Stücke von Schubert,
Schumann und Mendelssohn-Bartholdy.
Gaul landet mit
Hinterteil in Auslage einer Metzgerei
Durchaus als
Mainzer fühlt sich Manfred Wolf, der Bischofsheimer, geboren in der Mainzer
Uniklinik 1938 an der Stelle etwa, wo sich einst das von Drusus erbaute
Legionslager befand. Die Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg brachte nicht nur
eine starke Militarisierung der Stadt mit sich. 12.000 Mann stationierten die
Franzosen allein in Mainz, über 5.400 in den umliegenden Kasernen von Amöneburg,
Kastel, Kostheim, Gonsenheim und Weisenau. Auch die Sprache wurde beeinflusst,
und es entstanden die vielen aus dem Französischen stammenden Dialektwörter wie
"Monder", das heute kaum einer mehr kennt. Monder kommt von montrer, französisch
zeigen, und bedeutet so viel wie Schaufenster. Das Cheval ist bekanntlich das
Pferd, und so kam es, dass in der Mainzer Altstadt ein Gaul mit dem Hinterteil
in der Auslage einer Metzgerei landete.
Altstadtkneipe
heißt nach einem Kissen
Die Geschichten
liest Manfred Wolf gereimt und erzählt, ebenfalls in schönstem Meenzerisch, wie
er so manche Anekdote im "Flehlappe" in der Quintinsgass' aufgeschnappt hat. Die
Altstadtkneipe heißt nach einem Kissen, das den Gästen, die zwischendurch zur
Beichte wollten, zum bequemeren Knien gereicht wurde. Und Manfred Wolf erklärt:
"Das Kisse war der Lappe, un Fleh sin Fleh."
Die Reime sind in
sympathischer, typisch Mainzer Art gestaltet und suchen die Eigenheiten
herauszuheben. Sie handeln von der geteilten Stadt, von den verlorenen
AKK-Gemeinden, zu denen Bischofsheim eigentlich gehören müsse, befindet er als
Bischofsheimer. Und in Wiesbaden, – "man geht zur Toilette un nit aufs Klo" –
kann man im Theater ein Werk für Gießkann‘, Kreissäg‘ und Flöte hören.
Der Mainzer lacht
gern über andere, aber er lacht auch über sich selbst. Der Papstbesuch in
Finthen, die 15 Halwe des Erzbischofs oder der Schinderhannes, die Geschichten
sind vielfältig und witzig – so nebenbei kann man außerdem etwas über die
Mainzer Geschichte erfahren. |