Von RAINER BEUTEL
(aus "Frankfurter Neue Presse" am 27. Februar 2016)
Grünen-Fraktionschef Marco Müller ist einer der wenigen in der
Gemeindevertretung, dem bei jedem Satz anzumerken ist, dass er seine Unterlagen
tatsächlich von A bis Z gelesen hat. Er kennt sich aus, weiß, was gerade aktuell
wichtig ist, hält den Kontakt zum Rathaus, fragt und hakt nach, wann immer es
nötig ist, und sucht den Kontakt zu den Bürgern. Er wirkt vermittelnd, pointiert
aber auch seinen Standpunkt und somit den der Grünen.
Das fortwährende
Studium der Sitzungsunterlagen ist bei seinem Anspruch, die Gemeinde
entscheidend voranzubringen, fast schon eine Dauerbeschäftigung. Wichtig für
Müller aber ist das Ergebnis. Er ist überzeugt, dass die Grünen in dieser
Legislaturperiode "viel Input geliefert und maßgeblich dazu beigetragen" hätten,
dass sich die, wie er es nennt, "desaströse Haushaltslage" deutlich gebessert
habe.
Positiv bemerkbar
habe sich gemacht, dass die Grünen wie die übrigen vier Fraktionen in der
Gemeindevertretung keine Koalition eingegangen seien. "Die wechselnden
Mehrheiten haben Nauheim gut getan", bilanziert Müller, der in der ausgehenden
Legislaturperiode den Ausschuss für Bau, Planung und Umwelt geführt hat.
Das Parlament sei
"nach allen Richtungen offen" gewesen, so dass geradezu eine Pflicht zur
Zusammenarbeit bestanden habe. Im Prinzip waren das gute Voraussetzungen für
sein "Hobby", das der seit 2007 verheiratete Familienvater als erfüllend
ansieht. Zeit für Frau Svenja, seine zwei Töchter – geboren 2008 und 2011 –
bleibt auch außerhalb dieser Dauerbeschäftigung.
Dass er gerne Rad
fährt und sich für die Technik neuer Medien begeistern kann, hängt mit dem Wesen
Müllers zusammen. Er sagt von sich: "Ich bin ein Informations-Mensch." Davon
profitieren in Nauheim nicht nur die Stammwähler der Grünen, sondern jeder, der
sich für kommunale Belange interessiert.
Zu beobachten ist
das seit einigen Wochen auf der Homepage der Grünen, die von Müller geführt
wird. Dort gibt es die sogenannten Bürgeranträge. Wer aus der Bevölkerung eine
Idee hat, kann diese dort vorbringen. Die Grünen prüfen das Thema und überführen
es in den politischen Prozess, wenn der Vorschlag Sinn macht. Meist nimmt Müller
in kürzester Zeit mit dem Initiator Kontakt auf und sucht das vertiefende,
informative Gespräch.
Sein intensives
Interesse an der Politik hat sich bei dem 1978 in Rüsselsheim Geborenen mit der
Niederkunft der ersten Tochter ergeben. Als die Ostumgehung urplötzlich zum
holprigen Flickenteppich wurde, spürte er, dass er ins lokale Geschehen
eingreifen müsse. "Reingerutscht" spielt Müller diesen Impuls etwas runter. Die
Auswahl, bei welcher Partei er sich engagiere, sei allerdings begrenzt gewesen.
Bei den Grünen sei er mit offenen Armen aufgenommen worden, erinnert er sich.
Schon bald erwarb
er das Vertrauen, sich um Inhalte der Homepage zu kümmern und diese zu einer
zentralen und dynamischen Plattform für politische Ansichten auszubauen. Dazu
gehört auch Müllers quasi Rundum-die-Uhr-Präsenz bei Facebook. Auch zu Themen
aus dem Umland gibt er regelmäßig seinen Standpunkt preis. Personelle Änderungen
innerhalb der Fraktion führten schließlich dazu, dass er deren Chef wurde.
Für seine
Heimatgemeinde nennt er reihenweise Themen, die ihm und der Partei wichtig sind.
An vorderster Stelle der Haushaltsausgleich samt Schuldenabbau und dem
inzwischen erreichbaren Schutzschirmziel, dann die Bürgerbeteiligung bis zur
Einführung eines offenen Rats- und Informationssystems, schließlich der Ausbau
der Grundschule zu einer freiwilligen Ganztagseinrichtung.
Das Thema
Flughafenausbau steht bei Müller und den Grünen nach wie vor kritisch auf der
Agenda, gerade weil Nauheim zu den stark vom Fluglärm betroffenen Kommunen
zählt. Neu hinzu gekommen sei im vorigen Jahr die Flüchtlingspolitik, wobei
Müller feststellt, dass die Integration in erster Linie dank vieler freiwilliger
Helfer im Ort gut funktioniere.
Sein Hobby kann
Müller sogar beruflich ausüben. Er ist
Betriebsratsvorsitzender bei der Firma Schenck in Darmstadt. Sein
gewerkschaftliches Engagement begreift er jedoch nicht als Kampfansage. Er
vertrete zwar die Mitarbeiter, sehe aber auch wie wirtschaftlichen Interessen
eines Unternehmens. Dass er dabei quasi in den Fußstapfen seines Onkels Rudolf
Müller, dem ehemaligen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von Opel, wandelt, ist nur
ein Nebenaspekt. Denn in die Wiege gelegt wurde ihm sein Hobby keinesfalls.
Von "http://www.gruene-nauheim.de"
am 2. Februar 2016
Auch Dienstags
grüßt in Nauheim derzeit das Nutria.
Es geht weiter mit
unserer Kandidatenvorstellung. Diesmal haben wir unseren Fraktionsvorsitzenden
und Spitzenkandidaten Marco Müller mit Fragen versorgt und wollten so einiges
von ihm wissen. Ob er uns auch geantwortet hat? Tja, findet es heraus. Viel Spaß
mit den Fragen und den Antworten:
Marco, Du bist
seit 2011 in der Gemeindevertretung. Erst als normales Fraktionsmitglied und
seit 2012 als Fraktionsvorsitzender der Grünen. Was hat sich für Dich geändert?
Also eigentlich
müsste diese Fragen ja von meinen Fraktionskollegen beantwortet werden, die
müssen schließlich mit mir auskommen. Ich habe versucht die gute Arbeit meiner
Vorgänger fortzusetzen. Mir wäre es insgesamt lieb gewesen, wenn Thomas Kötz
Nauheim nicht verlassen hätte und er weiter Fraktionssprecher geblieben wäre.
Für mich hat sich mit der Übernahme des Amtes der Arbeitsaufwand schon erhöht.
Man trägt jetzt ein wenig mehr Verantwortung, "gewinnt" Aufgaben hinzu und steht
mehr im Mittelpunkt. Mir macht das bisher aber viel Spaß, weil die Fraktion mich
auch tatkräftig unterstützt und wir wirklich richtig gut zusammenarbeiten.
Du hast Dir
einen technischen Beruf ausgesucht. Hat es Dich nie hauptberuflich in die
Politik gezogen?
Mich hat es in
jüngeren Jahren eigentlich nie überhaupt so richtig in die Politik gezogen. Ich
war weder Klassensprecher, noch habe ich mich für Vereinsarbeit (also
organisatorisch oder im Vorstand) interessiert.
Vielleicht war ich
unterbewusst auch immer etwas von meinem Onkel abgeschreckt, der ja als
Betriebsratsvorsitzender der Adam Opel AG und mit vielen Nebentätigkeiten in
Partei, Verbänden und Organisationen sehr stark eingebunden war. Ich habe den
Weg in die Politik erst 2008 gefunden, nachdem unsere erste Tochter geboren
wurde. Damals hat es mich gleich zu den Grünen gezogen und ich habe da relative
schnell Dinge gefunden, bei denen ich mitarbeiten und mithelfen konnte. Schon
die damalige Fraktion war sehr aufgeschlossen für Input von außen und hat mich
sofort integriert.
Auch wenn ich als
Dipl.-Ing. Mechatronik über zehn Jahre hauptsächlich in technischen Berufen
gearbeitet habe, bin ich heute ja sogar als Betriebsrat dann doch in einem
"politischen" Beruf tätig. Irgendwie habe ich die familiären Fußstapfen also
doch gefunden.
Hast Du
überhaupt noch Zeit für Deine Familie, die ihr gemeinsam genießen könnt?
Wenn es nach meiner
Frau geht: definitiv zu wenig.
Andererseits ist ja
auch immer die Frage, wie man seine Freizeit verbringt. Andere Menschen haben
auch Hobbies und engagieren sich in Vereinen, gehen viel aus oder treiben Sport.
Mein Hobby ist die Politik. Außerhalb von Wahlen versuche ich das Wochenende
weitestgehend politikfrei zu halten. Das gelingt nicht immer, aber daran kann
man arbeiten. Wenn meine Frau mir heute sagen würde, ich solle meine Tätigkeiten
reduzieren, würde ich das aber vermutlich tun. Familie geht vor. Bisher
unterstützt sie mich aber und motiviert mich eher mich zu engagieren.
Die C-Knaben des Rüsselsheimer Ruder-Klubs
gewinnen 1990 in Bad Homburg ein Hockeyturnier mit sechs teilnehmenden
Mannschaften durch einen 2:0-Endspielsieg über den Offenbacher RV (hinten:
Betreuer Jupp Braumann und Dr. Rolf Schmuck; davor: Christian Braumann,
Tolga Özkol, Marco Müller, Tim Schmuck, Steffen Dreisbach und Björn Fuchs;
vorn: Torwart Nico Hosang) |
Ganz profan: Ab
welcher Wetterlage fährst Du mit dem Fahrrad statt der Bahn zur Arbeit?
Wir haben als
Familie nur ein Auto. Die Regel ist: wenn meine Frau es braucht, kann ich es
nicht haben. Dann nehme ich erst einmal das Fahrrad. In manchen Wochen fahre ich
2x mit dem Rad in anderen kann es aber auch die ganze Woche sein. Im Sommer eher
mehr, als im Winter.
Ich habe mir im
Sommer 2014 ein Pedelec gekauft und versuche so viel wie möglich der Strecke zur
Arbeit mit dem Rad zu erfahren. Bei Regen, Kälte oder Dunkelheit fahre ich die
Teilstrecke vom Nauheimer Bahnhof bis nach Darmstadt mit der Bahn. So trifft man
mich derzeit morgens oft am Bahnhof.
Insgesamt habe ich
meine Radkilometer pro Jahr aber schon auf über 3.000 km gesteigert. Die
Verbindung nach Darmstadt ist sowohl von der Radstrecke, als auch mit der Bahn
gut. Zu den Hauptverkehrszeiten fährt die RB75 halbstündig, die Fahrradmitnahme
ist kein Problem. Ich bin sehr gespannt, wie es läuft, wenn ab Dezember 2018 die
Hessische Landesbahn die Strecke übernimmt. Vielleicht kann man den Streckenplan
sukzessiv noch erweitern. Wir wollen ja, dass eine Direktverbindung nach
Frankfurt über Groß-Gerau zumindest getestet wird.
Sind in Deiner
Familie alle so redegewandt wie Du?
Du findest mich
redegewandt? Ich muss bei anderen Veranstaltungen gewesen sein. Eigentlich rede
ich gar nicht gerne vor Leuten. Ich diskutiere lieber. Das muss so eine
'Müller-Krankheit‘ sein, bei der es auf Familienfeiern und Veranstaltungen
durchaus mal lauter werden kann.
Gibt es noch so
was wie Lampenfieber, vor einer Rede bzw. einem mündlichen Beitrag im Parlament?
Definitiv. Mal
mehr, mal weniger. Da hilft nur durchatmen, versuchen ruhig zu bleiben und gute
Vorbereitung.
Was machen, wenn
ein politischer Gegner persönlich wird oder mit dem Kopf schüttelt?
Ich bin ja selbst
eher impulsiv. Ich hoffe dann immer, dass mich einer meiner Fraktionskollegen
wieder einfängt. Das gelingt bisher ganz gut.
Was ist
eigentlich der "Ältestenrat"?
Da sitzen die
Greise der Gemeindevertretung zusammen und beratschlagen, wie man die anderen
Gemeindevertreter mal wieder richtig ärgern kann.
Nein, natürlich
nicht. Der Ältestenrat ist die Zusammenkunft des Gemeindevertretervorstehers,
der Fraktionsvorsitzenden und dem Bürgermeister als Gast. Der Ältestenrat
bereitet sensible Themen vor und unterstützt den Gemeindevertretervorsteher bei
der Ausübung seiner Tätigkeit. Also auch solche Sachen wie den jährlichen
Sitzungskalender, den Ablauf von Sitzungen, die Sitzordnung selber und so
weiter. Der Ältestenrat kann dabei keine bindenden Beschlüsse fassen.
Findest Du, dass
die Nauheimer Parteien die neuen Medien sinnvoll nutzen?
Nein. Es gibt ein
breites Spektrum an "Zuständen" in Nauheim. Auf der einen Seite Homepages, die
den frühen 2000ern entsprungen zu sein scheinen, aber eine hohe
Informationstiefe im Detail haben. Auf der anderen Seite Homepages, die als
reiner Presseverteiler fungieren und dann noch die, die keine Homepage haben,
alles ist vertreten. Insgesamt ist es aber mehr Präsentation, denn
Kommunikation.
Auch bei uns ist
nicht alles gut. Die Pflege einer Homepage erfordert schon auf der
administrativen Seite viel Aufwand, da sind noch keine Artikel geschrieben. Als
ich 2009 die Homepage übernommen habe, musste ich auch erst einmal alles
umkrempeln. Wir setzen heute auf die Homepage mit WordPress und Facebook als
gemeinsames System, um den administrativen Aufwand zu senken. Damit bleibt uns
dann etwas mehr Zeit "Neues" zu probieren, wie jetzt die BürgerAntrags-Plattform.
Gerade hier haben wir in den letzten Wochen sehr gute Kontakte in die
Bürgerschaft bekommen und auch Rückmeldungen von Personen bekommen, die nicht
als Grünnah gelten. Insgesamt wird das sehr positiv aufgenommen. Wir hoffen auf
viele weitere Anregungen und daraus folgend aufgenommene Gesprächsfäden.
Die Kommunikation
auf Facebook haben wir in den letzten Wochen intensiviert und auch auf mehreren
Schultern verteilt, dass macht sich jetzt auch in den Reaktionen bemerkbar. Auch
hier beginnt sich eine Kommunikation zu etablieren.
Weitere Ideen habe
ich noch viele, leider lässt sich nicht immer alles gleich umsetzen. Ein Teil
davon betrifft die Themen Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung. Ich setze
darauf, dass das neue Rats- und Bürgerinformationssystem bald kommt. Mit der
Prüfung ist ein erster Schritt getan, jetzt muss die Verwaltung aber auch
liefern.
Würdest Du an
einer Marsmission teilnehmen, wenn Du könntest?
Auch wenn ich
großer Fan von Star Trek bin und mir auch andere Science Fiction gerne ansehe:
Ich glaube nicht. Wenn Reisen im Weltraum mal zu einer Normalität wie bei
Raumschiff Enterprise würde, schon eher. Ich glaube aber bei aller
Entwicklungsgeschwindigkeit in der Technologiesierung der Welt nicht, dass dies
noch zu meinen Lebzeiten passiert.
Wenn Du auf die
vergangenen 5 Jahre zurück blickst, gibt es irgendwas, was Du heute anders
machen würdest?
Eigentlich bin ich
der Meinung, dass wir vieles richtig gemacht haben. Ich selbst denke, dass ich
auch beim Thema Kommunikation den richtigen Weg gegangen bin, da ich immer
versucht habe, alles so transparent wie möglich zu machen – und dies nicht erst
nach dem Beschluss zur Erhöhung der Grundsteuer B.
Ich würde heute in
der Lokalpolitik noch mehr versuchen "Farbenlogiken" herauszuhalten. Dass wir
2011 den Sitz für den Regionalverband für rot-grün gesichert haben, ist solch
ein Beispiel. Heute würde ich diesen Sitz an den Bürgermeister geben. Nicht,
weil ich der Auffassung bin, dass Michael Wagner-Straub schlechte Arbeit
leistet, ganz im Gegenteil. Nur bin ich der Auffassung, dass der Bürgermeister
die Gemeinde hier alleine aus seiner Position als Hauptamtlicher noch besser
ausüben können müsste, als ein ehrenamtlicher 1. Beigeordneter. Alleine weil er
insgesamt sehr tief in den Themen drin steckt. Wichtig ist: Solche Positionen
dürfen nicht missbraucht warden.
Den Posten des 1.
Beigeordneten würden wir nach der Wahl im Übrigen gerne wieder an Michael
Wagner-Straub geben. Wir glauben, dass er sehr gute Arbeit geleistet hat und das
Vertrauensverhältnis zwischen dem Bürgermeister und ihm sehr gut ist. Gewachsene
Bindungen sollte man nicht zerstören.
Und wenn Du 5
Jahre nach vorne blicken könntest: Wo wird Nauheim da stehen?
Auf der Seite der
gesunden Kommunen mit ausgeglichenem Haushalt und angemessenen
Investitionsvolumen mit einer streitbaren und diskussionsfreudigen
Gemeindevertretung, die ohne Koalitionsvereinbarungen zum Wohle der Gemeinde
arbeitet.
Das war diesmal
ein richtig langes Interview. Wir bedanken uns für die Antworten auf die Fragen
und wünschen Dir und den anderen Kandidaten weiter viel Erfolg für die Wahl.