Keine drei Wochen nach dem
Wiederaufstieg in die Hallen-Bundesliga präsentiert die Hockey-Abteilung des
Rüsselsheimer RK einen neuen Trainer: Martin Müller löst Fritz Schmidt ab. Was
für die Verantwortlichen und die Mehrzahl der Vereinsmitglieder offensichtlich
schon seit einiger Zeit kein Geheimnis mehr ist, dürfte beim distanzierten
Anhänger dieser rasanten und technisch anspruchsvollen Ballsportart doch für
größere Verwunderung sorgen. Zwar hat man sich im Laufe der gut 20-jährigen
"Dienstzeit" des nach wie vor berühmtesten Hockeysohnes der Stadt, "Schimmi" Schmidt, an zeitweilige Eskapaden
und kurzzeitige Abwesenheiten des Spielers, Spielertrainers und Coaches Schmidt
gewöhnt, doch − nicht zuletzt aufgrund der jüngsten Erfolge (Klassenerhalt auf
dem Feld/Wiederaufstieg in der Halle) − nicht mit einer derartigen Entwicklung
rechnen können.
Was sich nun aber oberflächlich betrachtet als Rüsselsheimer Hockeykrise
darstellen mag, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine rundum durchdachte
und daher reine Vernunftentscheidung. "Seit einigen Jahren spannen mich Beruf
und Geschäft doch derart ein, dass dies zu Lasten der ersten Herrenmannschaft
ging. Gerade bei den sicher schwierigen kommenden Aufgaben ist ein
100-prozentiges Engagement vonnöten − von Spielern wie Trainer gleichermaßen −
ein Aufwand, den ich in meiner Person nicht mehr garantieren kann." So in etwa
beschrieb Schmidt seine Gedanken, die ihn zur Flucht nach vorne veranlassten.
Allein unter der Voraussetzung, dass sich niemand anderes bereit finden würde,
den Trainerstuhl zu besetzen, hätte Schmidt seine Arbeit fortgesetzt, allerdings
dann unter den oben beschriebenen Handicaps. Indes, lange dauerte die Suche nach
einem Nachfolger nicht, der im übrigen die gleichen Verwurzelungen mit dem RRK
aufweist wie sein Vorgänger Schmidt. Martin Müller hatte noch in der letzten
Feldsaison als Spieler maßgeblichen Anteil am Ligaverbleib. Zwar kann Müller im
Vergleich zu Schmidt kaum internationale Erfahrung aufweisen, gehört aber im
Bundesligaalltag ebenfalls zu den Männern der ersten Stunde.
Für Fritz Schmidt,
Martin Müller
und den RRK 1968 die erste Deutsche Feldhockey-Meisterschaft
(hinten: Fritz Schneider, Debu Paul, Coach Josef Schnur, Bodo
Schäfer, Walter Leichtweiß, Wolfram Jirzik, Manfred Liebig,
Rainer Seifert, Helmut Köhler, Fritz Schmidt,
Abteilungsleiter Alfred Rausch; vorn: Hans Hermann, Frieder
Fleck, Thomas Blivier, Peter Kraus, Randolf Renker, Martin
Müller, Michael Heuß) |
Doch auch sein Ja-Wort war an eine Bedingung geknüpft, hatte Müller doch erst
vor einem Jahr mit großem Erfolg den Posten des Jugendleiters übernommen.
Nachdem der Abteilungsvorstand aber hier mit Fritz Hoffmann für adäquaten Ersatz
sorgen konnte, stand dem Trainerengagement Müllers nichts mehr im Wege, der auch
mit seinen Erwartungen für die in rund fünf Wochen beginnende Feldsaison nicht
hinter dem Berg hält. "Für uns gilt allein der Klassenerhalt", lautet die sicher
realistische Einschätzung des "Neuen", der sich im übrigen verstärkt um den
Einbau des lange Zeit vernachlässigten Nachwuchses in die erste Garnitur kümmern
will.
So gehören mit Volker Schädel, Holger Klein, Gerrit Rothengatter und Kai
Stieglitz drei (Noch-)Jugendliche zum erstaunlich großen Herren-Kader, dem
allerdings gegenüber der Vorsaison auch fünf Abgänge gegenüberstehen. Die beiden
Frankfurter "Einwanderer" Thomas Krauss und Stefan Morales verabschiedeten sich
still und heimlich, wie sie gekommen waren, dazu fehlen die beiden "Oldtimer"
Müller und Liebig, wobei man bei Letztgenanntem immer sehr vorsichtig sein muss.
Zumindest auf dem Feld wird man auch Damencoach
"Berti" Rauth nicht mehr
erleben, der seine beruflichen Ambitionen als Trainer nicht mehr mit einem
weiteren spielerischen Engagement koordinieren kann. Neben dem kompletten
weiblichen Jugendbereich beim Ruder-Klub betreibt Rauth auch bei der
finanzstarken Spvgg. Bad Homburg hockeyspezifische Entwicklungshilfe und − was
seine Fähigkeiten als Trainer wohl am ehesten unterstreicht − ist zudem seit
Anfang diesen Jahres Honorartrainer beim Deutschen Hockey-Bund. Rauth kümmert
sich dort um die männliche Jugend B.
Der Kader, so ließ auch Trainer Müller verlauten, ist indes noch nicht
geschlossen. Noch sind einige Namen − vermehrt aus dem unter
Auflösungserscheinungen leidenden Limburger Raum − im Gespräch. Momentan traben
sich die RRKler unter Leitung von Alfred Segner warm, wollen aber − sobald es
die Witterung zulässt − mit dem Balltraining auf den Plätzen am Sommerdamm
beginnen. Für Anfang April steht dann das erste Freundschaftsspiel bei der TG
Frankenthal auf dem Programm. "Erst einmal gar nix machen" will dagegen Fritz
Schmidt, doch hat den alten "Haudegen" deswegen der Ehrgeiz noch lange nicht
verlassen. "Wer so lange dabei war, bekommt nicht so schnell Abstand", fühlt
Schmidt sich nach wie vor mit seinem RRK verbunden, mit dem er insgesamt acht
nationale Meistertitel einheimste. "Der Martin und ich werden selbstverständlich
kooperieren, und auch die Seniorenmannschaft kann weiter mit mir rechnen", deckt
Schmidt seine Absichten für die nähere Zukunft auf.
Doch wer den "Schimmi" kennt, der wartet förmlich auf einen Knaller: Und schon
sprudelt das überraschende Geheimnis über die Lippen des verschmitzt lächelnden
Konditorfachmanns: "Vielleicht wage ich aber auch noch einmal ein Comeback als
Spieler." − Wie bitte? "In der zweiten Mannschaft natürlich", flachst Schmidt
und kann sich ob des verdutzt dreinschauenden Fragers das Lachen nur schwer
verkneifen. "Hockeyverrückt halt." − Eben.