Das Gespräch führte
Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 12.11.2011)
Martin Müller ist seit
1999 Abteilungsleiter der Hockeysparte im Rüsselsheimer Ruder-Klub (RRK). Auch
wenn in den zurückliegenden Jahren nicht alles rund und wunschgemäß gelaufen und
das eine oder andere graue Haar des 63-Jährigen aus der Vorstandsarbeit heraus
entstanden ist, so bot das sportliche Abschneiden der Damen- und Herrenteams
doch überwiegend Grund zur Freude. Davon kann in diesem Jahr und speziell in der
zweiten Hälfte nicht die Rede sein: Damen und Herren überwintern gemeinsam als
"Schlusslichter" in Erster und Zweiter Bundesliga.
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Herr Müller, erstmals überhaupt
sind die beiden Hockey-Topteams des RRK nach dem ersten Teil der Feldrunde
Tabellenletzter. Kann der Abteilungsleiter trotzdem noch ruhig schlafen?
Das beschäftigt mich nicht derart,
dass mein Schlaf dadurch beeinträchtigt wäre. Bei den Damen sieht es ja auch so
aus, als sollten sie sich auf die Distanz gesehen selbst aus der misslichen Lage
befreien können. Eine Prognose, wie es im Frühjahr wirklich aussieht, kann ich
nicht abgeben; da kann sich noch einiges tun. Es ist aber schon richtig, dass
wir generell in einer schwierigen Lage sind.
Täuscht es, oder bereiten Ihnen
die Männer mehr Sorgen?
Natürlich ist das die deutlich
schwierigere Geschichte, zumal vieles vom Abschneiden der Südvereine in der
Ersten Bundesliga abhängt. Für mich hat es so ausgesehen, als habe die
Mannschaft die Zweite Liga wohl etwas unterschätzt und hat deshalb den einen
oder anderen Punkt liegen gelassen. Ich denke aber schon, dass die Möglichkeit
besteht, sich vom letzten Platz zu befreien und Vorletzter oder auch
Drittletzter zu werden.
War die Entwicklung und diese
Schieflage so absehbar?
Im Großen und Ganzen konnte man schon
vermuten, dass es hier wie da nicht leicht wird. Aber dass es so dramatisch
werden und das Männerteam derart absacken würde, hatte niemand erwartet.
Natürlich macht man sich da seine Gedanken, wobei wir für das Loch im
Nachwuchsbereich selbst verantwortlich sind.
Beide Teams haben aus
unterschiedlichen Gründen in diesem Jahr sehr viele Leistungsträger verloren.
Wie bewerten Sie das?
Andere Klubs haben mit solchen
Fluktuationen schon länger zu tun, uns hat es jetzt eben auch erwischt. Durch
die altersbedingten Differenzen bei den Damen ist die Truppe jetzt sehr jung,
und wenn da andere Dinge einreißen, ist der Betreuerstab gefordert. Man kann zu
Irene Balek stehen, wie man will, aber sie hat die Abwehr einfach
zusammengehalten. Nach vorne hatten wir ja schon länger Probleme. Dass nach dem
Abstieg der Männer Spieler, die sich weiterentwickeln wollen, zu erstklassigen
Vereinen wechseln, ist normal.
Seit vielen Jahren erfreuen sich
viele Bundesliga-Konkurrenten an spielstarken Zugängen aus Rüsselsheim. Fällt es
schwer, angesichts der aktuellen Lage darin eine Anerkennung der eigenen
Ausbildungsqualität zu sehen?
Das hilft mir persönlich nicht
weiter, wobei man schon daraus ableiten könnte, dass es so schlimm in
Rüsselsheim nicht sein kann. Natürlich ist es schade für uns, wenn Leute gehen,
aber ich trauere niemandem nach; das muss jeder für sich entscheiden.
Kann ein Verein eigentlich
dauerhaft in der Bundesliga bestehen, der sich personell fast ausschließlich aus
sich selbst heraus speist?
Uhlenhorst Mülheim ist das beste
Beispiel dafür, wie gut das gelingen kann. Kürzlich haben die mit allen drei
männlichen Jugendteams den Titel geholt. Die haben allerdings auch das Glück,
einige positiv verrückte Leute in ihren Reihen zu haben, die als
Nachwuchstrainer arbeiten. Wenn man so will, wie früher Berti Rauth bei uns.
Warum gelingt es dem RRK nur
selten, für externe Kräfte interessant zu sein?
Einmal ist das Provinz hier, und dazu
können wir keinerlei finanzielle Anreize bieten. Und auch bei den Möglichkeiten,
Studienplätze zu besorgen, sind wir sicherlich nicht ganz vorne. Das sind alles
große Handicaps für uns, obwohl wir wirklich immer wieder kämpfen. Andere
Vereine verfügen zumindest über Kontakte im Umfeld, die bei Ausbildungsplätzen
etwas möglich machen. Hier sind leider viele in provinziellem Denken verwurzelt
und sehen nicht über den Horizont hinaus.
Haben Sie noch Hoffnung, dass sich
daran etwas ändern lässt und die Vereinsarbeit von der hiesigen Wirtschaft
besser gewürdigt wird?
In dieser Richtung Hoffnung zu haben,
ist schwierig. Ich denke, daran wird sich sehr wenig ändern lassen. Wir bemühen
uns immer wieder aufs Neue um Kontakte zu potenziellen Sponsoren und loten die
Möglichkeiten aus. Aber es ist und bleibt ein hartes Brot. Wer keine
Verbindungen zu Leuten hat, die sich aus persönlichen Motiven für eine Sache
starkmachen, ist ein Stück weit aufgeschmissen.
Am Wochenende beginnt die
Hallenrunde. Was erwarten Sie?
Das kann bei den Männern auch eine
ganz enge Sache werden. Sie müssen aufpassen, nicht sofort in die gleiche Lage
zu kommen wie auf dem Feld. Die Damen haben zweifellos Potenzial, aber im
Viertelfinale sehe ich sie nicht.
Gesetzt den Fall, die Männer
steigen in der Halle sowie auf dem Feld und dazu die Damen aus der
Feld-Bundesliga ab − wäre dies das Ende des Hockeys auf hohem Niveau in
Rüsselsheim?
Das kann ich nicht sagen. Die
entscheidende Frage wird dann sein, wer bringt sich in dem Team ein, das bereit
ist, die notwendige Knochenarbeit zu leisten. Ich kann mir vorstellen, dass ich
mithelfe. Als Leader sehe ich mich nicht mehr; das müssen Jüngere machen. Aber
ich weiß auch, dass es keine Leute gibt, die Führungsarbeit machen wollen.