Von Helmut Popp (aus
"Rüsselsheimer Echo" vom 29. Januar 2011)
Was die Anzahl der Erfolge auf
nationaler und internationaler Ebene anbelangt, stellt die Hockeyabteilung des
Rüsselsheimer RK seit Jahrzehnten unbestritten das sportliche Aushängeschild
der Opelstadt dar: Im Feld und in der Halle feierten Frauen und Männern
insgesamt 19 Triumphe in europäischen Pokalwettbewerben sowie 24 deutsche
Meistertitel. 27 Deutsche Meisterschaften in verschiedenen Altersklassen der
Jugend sind zudem Beleg für eine intensive wie gelungene Nachwuchsarbeit.
Vor mittlerweile 52 Jahren wurde beim
RRK ein echter Rüsselsheimer Bub Mitglied, der im Laufe der Zeit maßgebliche
Kapitel dieser Erfolgsgeschichte mitschreiben sollte. Sei es als Spieler, als
Trainer, als Jugendleiter, als Organisator bei Endrundenturnieren in der
Köbel-Halle oder, wie seit 1999, als Chef der Hockey-Abteilung − Martin Müller
hatte stets seine Hände im Spiel, wenn die Krummstockartisten des Ruderklubs für
Schlagzeilen im Sportteil der Presse sorgten.
Dass Martin Müller mit zehn Jahren
seine sportlichen Aktivitäten beim RRK begann, war praktisch vorprogrammiert:
"Ich stamme aus einer richtigen RRK-Familie, da kam für mich eigentlich gar kein
anderer Verein in Frage." Überraschend dagegen die Sportart, für die sich der
damalige Parkschüler begeisterte. Betätigten sich Opa und Vater nämlich im Boot
auf dem Wasser des Mains als leidenschaftliche Ruderer, so bevorzugte der
jüngste Spross der Familie Müller auch im Sport doch eher festen Boden unter den
Füßen. Er wollte lieber mit dem Hockeyschläger in der Hand der kleinen
Filzkugel, die seinerzeit tatsächlich noch aus diesem Material hergestellt
wurde, hinterherjagen. Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut hat.
Und nicht zuletzt eine Entscheidung,
von der nicht nur der Rüsselsheimer RK, sondern auch die damals noch als etwas
elitär geltende Sportart Hockey auf vielen Ebenen profitieren sollte. Allen
großartigen Erfolgen der deutschen Nationalmannschaften bei Welt- und
Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen zum Trotz, steht Hockey
allerdings bis heute nur selten im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, muss
vielmehr noch immer mit dem Ruf einer Randsportart leben.
Für Rüsselsheim mag dies nicht
zutreffen. 1968 jedenfalls erlebte Martin Müller als Spieler der ersten
Männermannschaft des RRK seinen ersten sportlichen Höhepunkt. Mit 19 Jahren war
er als Außenstürmer Mitglied des Teams, das auf dem Feld Hessenmeister wurde und
sich danach über die süddeutsche Qualifikationsrunde in die Endrunde auf
Bundesebene vorkämpfen konnte.
Auch dort waren die lauf- und
spielstarken Rüsselsheimer, darunter Torwart Peter Kraus, der unvergessene Hans
Hermann als ruhender Pol in der Abwehr, Mittelfeldmotor Fritz Schmidt, der
flinke Stürmer Rainer Seifert und eben das 19-jährige "Nesthäkchen" Martin
Müller, nicht zu bremsen. Sie schafften den Einzug ins Endspiel um die deutsche
Meisterschaft am 7. Juli vor 5.000 begeisterten Zuschauern am Sommerdamm. Gegner
Schwarz-Weiß Köln war chancenlos, als ihn der RRK mit 4:1 schlug. Zwei der vier
Treffer zum ersten Titelgewinn erzielte Martin Müller.
Nach 1973 und 1976 auch im
Jahr 1979 Deutscher Hallenhockey-Meister nach einem Sieg im Endspiel in
Heidelberg über den Gladbacher HTC (hinten: Rainer Seifert, Martin Müller,
Berthold Rauth, Norbert Boll, Manfred Liebig, Karl-Jürgen Manthei, Fritz
Schmidt, Coach Walter Leichtweiß; vorn: Wolfgang Molitor, Masseur Karl-Heinz
Bog, Thomas Dauner, Dr. Randolf Renker, Christoph Krehl, Alfred Segner) |
Logisch, dass Müller während der bis
Anfang der 80er Jahre anhaltenden Glanzzeiten des Rüsselsheimer Männerhockeys
unzählige Tore zu den weiteren Titelgewinnen beisteuerte. Seine Karriere als
Nationalspieler war indes nur von kurzer Dauer. Ein einziges Länderspiel hat er
bestritten. Im Frühjahr 1969 war er von Bundestrainer Hugo Budinger für ein
Turnier im pakistanischen Karachi in die Nationalmannschaft berufen worden. Dort
wurde Müller allerdings von "Montezumas Rache" gequält, weshalb er lediglich bei
der 0:1-Niederlage gegen Malaysia mitwirken konnte. "Mein damals schon recht
loses Mundwerk, vor allem aber auch die starke Konkurrenz durch den
Frankenthaler Ausnahmespieler Peter Trump, führten dazu, dass ich hinsichtlich
der Olympischen Spiele 1972 in München bei den Planungen des neuen Trainers
Werner Delmes nie eine Rolle spielte", erinnert sich Müller ohne Wehmut. Für den
Rüsselsheimer RK ist Martin Müller dagegen auch nach Beendigung seiner
Spieler-Laufbahn stets unverzichtbar geblieben.
Als Nachfolger von Fritz Schmidt
trainierte er zwei Jahre die Bundesliga-Männer, übernahm danach den Posten des
Jugendleiters und steht seit mittlerweile zwölf Jahren an der Spitze der
Abteilung. Nebenbei ging er natürlich noch seinem regulären Beruf als
Maschinenbau-Ingenieur im örtlichen Automobil-Unternehmen nach. Seit drei Jahren
braucht der heute 62-jährige Müller dies allerdings nicht mehr zu tun. Als
Vorruheständler hat er mehr Zeit für seine vielfältigen Aufgaben als
Hockeyfunktionär. Über den Verein hinaus führt Martin Müller als kommissarischer
Vorsitzender den Hessischen-Hockey-Verband, ist als Interessenvertreter der
Bundesligavereine zudem Vorstandsmitglied des Deutschen Hockey-Bundes.
An diesem Wochenende wird er den
Frauen seines RRK bei der DM-Endrunde tüchtig die Daumen drücken. Vielleicht
kann der eh schon stattlichen Sammlung im Bootshaus ja tatsächlich der nächste
blaue Wimpel eines Deutschen Meisters hinzugefügt werden. Als 25. Exemplar wäre
es dann ein Jubiläumswimpel. Müller traut den Rüsselsheimerinnen einiges zu,
schätzt allerdings auch die Konkurrenz hoch ein: "In kämpferischer Hinsicht kann
unseren Mädchen sicherlich niemand etwas vormachen. Letztlich werden die
Tagesform und ein intaktes Nervenkostüm entscheiden."
Die Tatsache, dass der RRK angesichts
eines Einspruchs erst im Laufe der Woche Klarheit erhalten hat, ob nun TuS
Lichterfelde oder der Harvestehuder THC heute im Halbfinale der Gegner ist (es
ist Lichterfelde), sieht er zwar als Nachteil an, will diesen allerdings nicht
allzu hoch bewerten: "Unser Trainer Benedikt Schmidt-Busse hat beide möglichen
Konkurrenten bei ihrem direkten Aufeinandertreffen beobachtet."
Auf die Zukunft des Hockeysports beim
RRK angesprochen, reagiert Martin Müller weit weniger gelassen. Angesichts der
immer spärlicher fließenden Sponsorengelder sind ihm jedenfalls spontan keine
allzu optimistischen Töne zu entlocken. Sicherlich sei es erfreulich, dass trotz
eines knapp bemessenen Budgets weiterhin sportliche Erfolge zu verzeichnen
seien. "Genau dies könnte uns aber auch negativ ausgelegt werden. Nämlich dann,
wenn potenzielle Geldgeber sich sagen, die brauchen ja gar kein weiteres Geld,
die sind ja auch ohne erfolgreich", gibt der Hockeychef des RRK zu bedenken.