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Über Mitglieder des
RRK (2020)
Liz Meneghello de Abreu |
Die Brasilianerin Liz Meneghello de Abreu
fühlt sich im Trainingsanzug und auf der Anlage des RRK pudelwohl. |
Von Rio nach Rüsselsheim
Südamerikanisches Flair im Hockeysport: Die Brasilianerin Liz Meneghello de
Abreu ist die erste weibliche Trainerin der 1. Herrenmannschaft des RRK
Von Rüdiger
Koslowski (aus "Frankfurter Neue Presse" vom 16.11.2020)
Wer an Brasilien
denkt, dem kommen schnell Copacabana, Samba, der Karneval und freilich Fußball
in den Sinn. Aber Hockey? Brasilien taucht mit Feldhockey in der Weltrangliste
nur unter "Ferner liefen" auf. Wer derzeit über das Hockey des Rüsselsheimer
Ruder-Klubs spricht, kommt indessen nicht daran vorbei, auch an Brasilien zu
denken. Denn die neue Trainerin der 1. Herrenmannschaft kommt aus dem Land des
Zuckerhuts. Nicht nur das Herkunftsland ist ein Novum, sondern auch, dass eine
Frau die Herrenmannschaft trainiert.
Liz Meneghello de
Abreu heißt die 33-jährige sympathische Frau mit den pechschwarzen langen
Haaren; der Trainingsanzug des RRK steht ihr gut. Eigentlich ist es nicht
üblich, dass Frauen Herrenmannschaften trainieren. Das weiß sie auch, schaut
aber bei der Frage dennoch ein wenig irritiert drein. "Das Training ist keine
Frage des Geschlechts, sondern des Charakters und der Persönlichkeit",
versichert sie. Sie habe klare Regeln und sei gut organisiert. Sie sei eine
ehrliche Trainerin, lobe und kritisiere. Derzeit nimmt Meneghello de Abreu jeden
Werktag an einem dreistündigen Online-Sprachunterricht teil. Deutsch sei eine
schwere Sprache, stellt sie mit einem fröhlichen Lachen fest. Am deutschen Brot
hat sie dagegen erst einmal deutlich mehr Geschmack gefunden.
Meneghello befand
sich bereits im vergangenen Jahr für einen kleinen Abstecher beim RRK und
unterstützte sechs Wochen die erste Damenmannschaft. Sie wollte den damaligen
Co-Trainer der ersten Herrenmannschaft, den Engländer Amarjeet Soar, besuchen,
den sie bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro kennengelernt hatte.
Internationale
Erfahrung
Vor ihrem Besuch
hatte sie anderthalb Jahre in Sydney/Australien beim Spitzenclub Ryde Hunters
Hill District Hockey Club als Athletik- und Video-Trainer gearbeitet. Sie wollte
das Hockey in Europa, in Deutschland kennenlernen. Beim Abholen vom Flughafen
und einem Getränk mit dem Leiter der männlichen Jugend, Dennis Schwarz, kam der
Gedanke auf, sie könne doch mal beim RRK reinschnuppern. Der Verein und
Meneghello einigten sich daraufhin auf eine Zusammenarbeit ab dem Jahr 2020.
Dies auch, weil Spielerinnen, Spieler, Trainerkollegen und Vorstand von ihren
Qualitäten überzeugt gewesen seien.
Nachdem einige
bürokratische Hürden überwunden waren, begann sie im Frühjahr ihre Arbeit im
Trainerstab. Weil Soar, inzwischen Cheftrainer, wegen Corona vorzeitig nach
England zurückkehrte, übernahm sie die 1. Herrenmannschaft. Meneghello de Abreu
kam erst als 18-jährige junge Frau zu dem Hockeysport. Sie war damals
Leichtathletin. Der Fitnesstrainer der Hockey-Nationalmannschaft war ihr
Leichtathletiktrainer. Sie sei schnell, sie solle es doch mal mit Hockey
probieren, habe er vorgeschlagen.
Darin sah sie
Möglichkeit, ihr Land zu repräsentieren, sagt sie. Schon nach einigen Monaten
stand sie im Nationalaufgebot. Das sei in Brasilien nicht so schwer, es gebe nur
20 Clubs, sagt sie bescheiden. Brasilien habe keine große Hockeytradition, wie
beispielsweise Argentinien durch die frühere spanische Kolonialherrschaft. Ob
Ausrüstung oder Platzqualität, der Hockeysport werde in Brasilien nicht
gefördert. Sie ist denn auch ganz begeistert von der Anlage des RRK.
Ausgebildete
Rettungssanitäterin
Nicht zuletzt wegen
der mangelnden Infrastruktur verließ sie Brasilien in Richtung Argentinien,
spielte dort Hockey und absolvierte eine dreijährige Ausbildung als
Rettungssanitäterin. Weitere Schritte führten sie in die USA, dann nach
Australien. Dort fing die studierte Sportwissenschaftlerin als Trainerin an.
Jetzt ist in
Deutschland wegen Corona erst einmal die Zwangspause angesagt, was Meneghello
bedauert, denn sie hätte jetzt gerne die Hallensaison kennengelernt. "Aber das
ist auch nicht das Ende der Welt", sagt sie. Den Kopf will sie jedenfalls nicht
in den Sand stecken. In die Feldsaison startete sie in der zweiten Regionalliga
zum Abschluss der Hinserie mit zwei Siegen erfolgreich.
In Rüsselsheim
fühlt sie sich bereits wohl und sicher, sagt sie. Sie mag kleine Städte. Der
Club habe sie sehr freundlich aufgenommen, es herrsche eine sehr familiäre
Atmosphäre.
Nur für die Kälte noch keine Strategie
Die
Hockeyspieler des Rüsselsheimer RK haben mit der Brasilianerin Liz Meneghello de
Abreu erstmals eine Trainerin. Dieser erlebt diesen Samstag ihre Feuertaufe im
Stadion am Sommerdamm.
Liz Meneghello de Abreu |
Das Interview
führte Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 18.09.2020)
Die
frühere Bundesligaspielerin und Jugend-Nationaltrainerin Lisa Jacobi – seit
vielen Jahren beim DOSB tätig – hat ab und an schon mal im Hintergrund
mitgewirkt. Was an diesem Samstag ab 16 Uhr am Sommerdamm Realität wird, das
freilich hat es in der langen und ruhmreichen Geschichte des Rüsselsheimer RK
noch nie gegeben: Mit der Brasilianerin Liz Meneghello de Abreu werden die
Hockeyspieler erstmals von einer Frau trainiert. Die 33-Jährige hätte eigentlich
als Assistentin von Amarjeet Soar anfangen sollen, doch da der Brite zurück in
seine Heimat gegangen ist, steht die Ex-Auswahlspielerin ihres Landes im
Heimspiel der Zweiten Regionalliga Südwest gegen den TFC Ludwigshafen nun vor
ihrer Feuertaufe am Sommerdamm.
Frau Meneghello
de Abreu, haben Sie schon ein bisschen Deutsch gelernt?
Ja, ein bisschen,
um während des Spiels wenigstens etwas sagen zu können. Sehr gut, super, nein
zum Beispiel. Ich plane aber in den nächsten Wochen richtig Deutsch zu lernen.
Es wird gut sein, irgendwann mit den Spielern in ihrer Muttersprache zu
kommunizieren.
Woher kommt Ihre
Begeisterung für Hockey in einem Fußball verrückten Land wie Brasilien?
Natürlich ist
Feldhockey ist in Brasilien längst nicht so groß wie in Deutschland. Aber
seitdem ich zehn Jahre alt bin, spielt Sport eine große Rolle in meinem Leben.
Damals hat mich der brasilianische Nationaltrainer beim Laufen beobachtet und
gefragt, ob ich nicht mal diesen neuen Sport ausprobieren wolle – Hockey. Da
habe ich gesagt, warum nicht?
Wo haben Sie zum
Beispiel gespielt?
Ich habe für die
Nationalmannschaft gespielt, etwa bei den pan-amerkanischen Spielen 2007 und den
Südamerika-Spielen 2008. Zuletzt, also im Jahr 2019, habe ich für Ryde in Sydney
gespielt.
Wie sind Sie
beim Rüsselsheimer RK gelandet und ist dies Ihre erste Trainerstation?
Zur Person
Die Stars in ihrer Heimat heißen Marta oder Formiga
und spielen Fußball in der Selecao. Liz Meneghello de Abreu, Ende Juni 1987
in der knapp 500.000 Einwohner zählenden Stadt Florianopolis an der
Südwestküste Brasiliens geboren, hat mit zehn Jahren ihr Herz an den
Hockeysport verloren. Dem damaligen Nationaltrainer der aktuellen Nummer 38
der FIH-Weltrangliste hatte ihr Laufstil gefallen. Nach einer intensiven
Aktivenzeit im In- und Ausland arbeitet die 33-jährige Ex-Nationalspielerin
inzwischen fest als Trainerin und hält sich sonst gerne in der Natur auf. |
Nach dem Saisonende
in Australien im September 2019, habe ich die Entscheidung getroffen, es in
Deutschland zu versuchen. Ich habe einen Freund, der hier in der Region
Männerteams trainierte, und über ihn bin ich auf Deutschland gekommen. Wir haben
gemeinsam bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio gearbeitet. Ich hatte
Bewerbungen an Clubs geschrieben, einige waren sehr an meiner Arbeit
interessiert. Letztlich bin ich dank Amo (der Brite Amarjeet Soar; Anm. d. Red.)
aber beim RRK gelandet, bei dem ich mich sehr gut aufgenommen fühle. Ich habe
dann beim ersten Damenteam assistiert, Statistiken geführt und Video-Analysen
vorgenommen. Ich arbeite ja schon recht lange im Hockey, zunächst vor allem im
Fitness-Bereich, mittlerweile aber in allen Aspekten des Spiels.
Aufgrund der
Corona-Krise war es Ihnen lange nicht möglich, Brasilien zu verlassen. Wie sind
Sie mit der Situation umgegangen und wie ging es Ihnen dabei?
Ich versuche, immer
das Positive zu sehen. Natürlich wäre ich gerne früher nach Deutschland
gekommen, um mit dem RRK-Team arbeiten zu können. Aber die Arbeit aus der Ferne
hat uns zusammengeschweißt. Die Unterstützung, die Disziplin und der Wille,
online zu trainieren, haben mich noch zuversichtlicher gemacht. Jetzt setzen wir
das Kapitel hier zusammen fort. Das Team kennt mich, ich kenne das Team – wir
haben ein Ziel, und ich freue mich sehr auf die Saison.
Wie sieht Ihre
Spielphilosophie aus und gibt es Teams, die Sie besonders beeindruckt haben?
Meine Philosophie
ist es, immer geschlossen als Team aufzutreten. Wir arbeiten und kämpfen
zusammen und bringen unsere beste Leistung auf den Platz. Die australische
Spielweise ist ein Stil, der mich beeindruckt und mit dem ich mich gut auskenne.
Diese offensive Spielweise und der Fitness-Level sind schon besonders.
Die Vorfahren
der aktuellen Mannschaft waren neun Mal Deutscher Meister, aber am Samstag geben
Sie gegen den TFC Ludwigshafen Ihr Debüt als RRK-Trainerin in der vierten Liga.
Spüren Sie Erfolgsdruck?
Nein, ich verspüre
keinen Erfolgsdruck, da ich vollstes Vertrauen in meine Mannschaft habe. Wir
haben viel Qualität, viel Erfahrung durch die Routiniers und viel Enthusiasmus
durch die Jungen – das ist eine perfekte Kombination. Es geht darum, unsere
beste Leistung zu zeigen. Und ich bin mir absolut sicher, dass wir am Samstag
unsere beste Leistung zeigen werden. Jeder Spieler für sich und zusammen als
Team, um den Sieg landen zu können. Ich freue mich, dass es losgeht.
Riskieren Sie
einen Tipp, wie das Spiel ausgeht?
Nein, besser nicht.
Ich sage nur so viel: Es wäre schön, wenn wir nach dem Spiel lächeln und uns
freuen könnten.
Im November soll
die Hallensaison beginnen. Haben Sie mehr Respekt vor der Indoor-Variante, die
in Ihrer Heimat ja weitestgehend unbekannt ist, oder doch eher vor der
winterlichen Kälte in Deutschland?
Ich habe keine
Angst vor Hallenhockey – auch wenn man in Brasilien längst nicht so weit ist wie
in Deutschland. Aber es geht darum, zu lernen und denjenigen zu vertrauen, die
es besser wissen. Das Team und der Verein werden mir helfen. Ich bin offen für
jede Art Hilfe und möchte so viel lernen wie möglich. Ich liebe solche
Herausforderungen, sie treiben mich an. Und die Kälte? Das wird sicherlich der
schwierigste Part und ich gebe zu, dass ich dafür noch keine richtige Strategie
habe.
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