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Über Mitglieder des
RRK (2013)
Karin Dietzschold |
Gabriele Engler und Karin Dietzschold
teilen sich die Mediatoren-Stelle |
Täter übernehmen
Verantwortung,
heilsam für Opfer
Prinzessin
Lillifee zum Ausgleich
Aus
"Diakonie-Magazin, Böblingen" vom 26. April 2013
Faustschläge,
Beleidigungen, Graffitischmierereien und anderes mehr. Deswegen kommen die 14-
bis 21-Jährigen in die Böblinger Talstraße 37, in das große Haus mit der
riesigen blauen Hand auf der Giebelseite. Sie sind Täter. Leicht fällt es ihnen
bestimmt nicht, über die Schwelle des Vereins für Jugendhilfe zu gehen, dessen
Emblem die ausgestreckte blaue Hand ist – denn hier werden sie mit denjenigen
konfrontiert, denen sie Leid zugefügt haben, ihren Opfern.
"Täter-Opfer-Ausgleich ist aber immer
freiwillig", erklärt Gabriele Engler, die sich zusammen mit ihrer Kollegin Karin Dietzschold die Mediatoren-Stelle teilt.
"Bei uns übernehmen die Täter
Verantwortung für das, was sie getan haben – und die Opfer empfinden es als
heilsam, dass sie hier einen aktiven Part haben, dass sie zum Beispiel Schmerzensgeld
fordern können. So finden sie aus ihrer Opferrolle." Von ihrem Büro aus haben
die Pädagoginnen den perfekten Ausblick auf den Böblinger Busbahnhof und damit
ihre Klientel bestens im Blick.
Die RRK-Hockeydamen 1975 (hinten: Trainer Hans "Hennes"
Hermann, Annette Hund, Marga Blivier, Karen Joisten, Ursula Kraus, Cornelia
Grossmann, Martina Walz, Ursula Alt, Irene Willnow; vorn: Michaela
Scherbaum, Ulrike Gräff, Marina Günzler, Karin Dietzschold, Marion Boch) |
Mit dem Opfer
ins Kino
Im Vorgespräch
leisten sie Präventionsarbeit: "Wir vermitteln, wie man mit anderen Mitteln
Konflikte löst", erklärt Engler. Im eigentlichen Ausgleichsgespräch sind die
Frauen nur Moderatorinnen – die Jugendlichen handeln selbst aus, womit sie
einverstanden sind, "denn wenn ich etwas selbst erarbeitet habe, kann ich es
tragen", weiß Dietzschold. Die Kolleginnen kontrollieren, ob eingehalten wird,
was vereinbart wurde. "Hätte ich nur gewusst, was die Konsequenzen sind, hätten
die mich nur beim ersten Mal erwischt", meinen manche reumütig. Es gibt einen
Opferfonds, der zinslose Darlehen gewährt; manchmal können entstandene Schäden
aber auch abgearbeitet werden: "Letztes Jahr hatte die Polizei zwölf Jugendliche
ausgemacht, die Graffiti auf Wände gesprüht hatten; sie kamen auf einen Schaden von 58.000 Euro.
Für die Putzaktion gingen die Sommer- und die Herbstferien drauf", schmunzelt Dietzschold. In einem Fall musste ein 15-Jähriger mit einem kleinen Mädchen, das
er bedroht hatte, ins Kino: Es lief Prinzessin Lillifee. Getränk und Popcorn für
die Kleine gehörten zum Ausgleich dazu. Die größte Herausforderung für
Dietzschold und Engler ist, dass manche sprachfähig sind und manche nicht. "Wenn
man den Sprachgewandten dafür sensibel macht, dass der andere ja will, und wenn
man den anderen stützen kann – das ist sehr befriedigend", berichtet Dietzschold,
"es ist so beeindruckend zu sehen, wie sie sich die Hand geben", und Engler
ergänzt: "Manchmal gelingt's, manchmal nicht. Aber wenn es gut gelungen ist,
einen geschützten Raum zu schaffen, in dem Sachen zugelassen werden, die sonst
nicht gehen, wenn man Dankbarkeit spürt – das sind Glücksmomente."
Der
Täter-Opfer-Ausgleich
Der
Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) ist ein Mediationsverfahren. Opfer einer Straftat
können Wut, Angst oder Ärger dem Täter gegenüber artikulieren – und die Täter
sehen die Konsequenzen ihrer Tat bzw. können erklären, wie es dazu kam. Am Ende
stehen die Entschuldigung des Täters und seine Wiedergutmachung. Im Landkreis
Böblingen bietet der Verein für Jugendhilfe seit 1990 jugendlichen Delinquenten
und deren Geschädigten TOA an.
Ca. 80 Prozent
aller Verfahren können gütlich abgeschlossen werden; das waren im Jahr 2012 99
Verfahren mit 177 Beschuldigten und 160 Geschädigten. Meistens ist es die
Staatsanwaltschaft, die geeignete Fälle für den TOA vorschlägt; das
Strafverfahren wird daraufhin in der Regel eingestellt.
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