Von Christian Stör
(aus "Frankfurter Rundschau" vom 15.04.2009
Im Februar war die
Welt beim Rüsselsheimer RK noch in Ordnung. Da hatten die Südhessen nach dem
guten zweiten Platz bei der deutschen Hallenhockeymeisterschaft noch einen
draufgesetzt und den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Doch wer gedacht
hatte, in Rüsselsheim herrsche nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte
eitel Sonnenschein, sah sich getäuscht. Noch vor dem Wiedereinstieg in die
Feldhockeysaison am nächsten Samstag musste Erfolgstrainer Kai Stieglitz seinen
Hut nehmen.
Der Vorstand
entsprach einem Wunsch der Mannschaft, die mehrheitlich dafür war, die
Zusammenarbeit zu beenden. "Wenn das Team nicht mehr will, dann bleibt einem
nichts anderes übrig", sagt Abteilungsleiter Martin Müller, der vom Ausmaß des
Widerstands überrumpelt wurde: "Das haben wir nicht geahnt." Es ist aber kein
Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen Trainer und Team schon länger belastet
war. "Wir haben in den letzten Jahren mehrmals mit Kai gesprochen, um unsere
Kritik deutlich zu machen", betont Mannschaftskapitän Jan Petersen.
Letztlich wurde
Stieglitz zum Verhängnis, dass er keinen Draht mehr zu den Spielern fand. "Er
hat zu wenig mit uns geredet", sagt der Kapitän, der zudem "organisatorische
Probleme" während der Trainingsarbeit erwähnt. "Da ist vieles schiefgelaufen."
Weil sich daran nichts geändert habe, so Petersen, "haben wir uns entschieden,
etwas zu unternehmen" ‒ auch deshalb, weil die Frustration im Team zu groß
geworden sei.
Für Stieglitz, der
das Traineramt seit zehn Jahren innehatte, ist das Kapitel Rüsselsheim damit
aber noch nicht beendet. Der 42-Jährige ist derzeit nur von der Betreuung der
ersten Mannschaft freigestellt. Er wird noch bis Ende August die
Regionalligamannschaft sowie die A- und D-Jugend trainieren. Dann läuft sein
Vertrag aus. Ob Stieglitz seinem Heimatverein danach weiter die Treue halten
wird und ob der ihm das möglich macht, steht noch nicht fest.
Auf einen neuen
Trainer muss die erste Mannschaft, die in der Zweiten Bundesliga Süd um den
Aufstieg in die Erstklassigkeit kämpft, verzichten. "Das Geld haben wir nicht",
sagt Martin Müller, der nach dem Ausstieg von Hauptsponsor Opel auf der Suche
nach einem neuen Geldgeber ist. "Wir sind in Verhandlungen, es ist aber noch
nichts spruchreif", so Müller.
Aufgrund der
angespannten finanziellen Lage muss die Mannschaft das Training vorerst also
selbst organisieren. Derzeit läuft die Arbeitsaufteilung wie folgt ab: Christian
Domke und Marcel Nold sind für das Techniktraining verantwortlich, Christian
Minar und Mirco Fuchs für das Fitnessprogramm, Jan Petersen für die
Kabinenansprachen. "Die Spieler müssen nun beweisen, dass sie auch ohne
Stieglitz den Aufstieg schaffen können", sagt Müller, "es gibt keine Ausreden
mehr, die Mannschaft ist jetzt in der Pflicht."
Als Dritter liegt
der RRK einen Punkt hinter dem TC Blau-Weiss Berlin und sogar drei Zähler hinter
dem Münchner SC. Die Gefahr, zum dritten Mal hintereinander den angestrebten
Aufstieg in die Erste Bundesliga zu verpassen, ist also durchaus vorhanden.
Dessen ist sich
auch Jan Petersen bewusst, der deshalb für die Spiele am Wochenende im Stadion
am Sommerdamm gegen die Stuttgarter Kickers und den
Dürkheimer HC eine klare Vorgabe hat: "Da müssen zwei Siege
her."