Von Michael Wien
(aus "Main-Spitze" vom 16. Mai 2015)
Im Alter von 74
Jahren ist in Hamburg Jonny Brandt gestorben, der erste Geschäftsführer der
Rüsselsheimer Werkstätten für Behinderte. Er starb bereits am 6. Mai, wie
die Familie jetzt bekannt gab. "Von 1974 bis 1992 hat er die Weichen für den
Aufbau unseres sozialen Unternehmens gestellt und die Werkstätten zu einem Namen
in der Region gemacht", heißt es in einem Nachruf von Aufsichtsrat, Vorstand,
Betriebsrat und Mitarbeitern. "Menschen mit Behinderung und angestellte
Mitarbeiter werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren."
Das ist nicht nur
eine artige Verbeugung vor einem Toten. 23 Jahre nach Brandts Ausscheiden gibt
es in Betrieb und Verein etliche Menschen, denen er und sein 18-jähriges Wirken
ein Begriff sind und die nun persönlich betroffen auf die Todesnachricht
reagierten. Brandts Name ist hier untrennbar mit dem der WfB-Begründerin, Herta
Max, verbunden. Die SPD-Sozialpolitikerin hatte Brandt von Beginn an kräftig
gefördert. Der langjährige Betriebsratsvorsitzende, Karl Heinz Mohr, beschrieb
das hier noch vor zwei Jahren so: "Max hatte als Vorsitzende des Vereines wieder
und wieder Geld aufzutreiben, um zu finanzieren, was Geschäftsführer Jonny
Brandt, Werkstattleiter Richard Haus oder auch der Betriebsrat als dringend
notwendig an sie herantrugen."
Hatte Max Visionen,
wie man Menschen mit Behinderung über Beschäftigungstherapie hinaus sinnvoll ins
Leben einbinden konnte, so waren Brandt und Haus Männer, die in einem
fortwährenden Verbesserungsprozess dafür sorgten, dass produktiv gearbeitet
wurde. Tätigkeitsfelder wurden erweitert, bald wurde das Unternehmen auch von
Mitbewerbern nicht mehr belächelt, sondern nicht zuletzt wegen der Qualität der
Arbeit ernst genommen. Das Tandem Max und Brandt galt als unschlagbar gut. Bald
erwirtschaftete man Gewinne, was anfangs außer den Beiden keiner für möglich
gehalten hatte. Mohr: "Brandt sagte ,Wenn wir verdienen, springt mehr für die
Behinderten raus‘." Max habe sich gleichfalls für Lohnerhöhungen eingesetzt. Sie
sah in Brandt so etwas wie einen Ziehsohn. Desto enttäuschter war sie, 1992 aus
der Zeitung zu erfahren, dass er gekündigt hatte und nach Hamburg zog.
Zweifelsohne war diesem Schritt, der vielleicht auch eine Art Abnabelung Brandts
war, eine Entfremdung vorausgegangen.
In späteren Jahren
kehrte Brandt ein Mal zurück, für einen Besuch bei Nach-Nachfolger Ernst Brands.
Zu dessen Bedauern ergab sich kein weitergehender Kontakt. Die Beisetzung
Brandts findet nun im Kreis der Familie in Hamburg statt. Über seinen Tod hinaus
gibt Brandt ein Zeichen der Verbundenheit mit seiner langjährigen Wirkungsstätte
und zeigt Treue zu den Zielen, für die er einst mitgekämpft hatte: Anstelle
zugedachter Blumen wird um eine Spende für die WfB gebeten, IBAN DE45 5085 2553
0001 1123 25 bei der Kreissparkasse Groß-Gerau, Kennwort: Jonny Brandt. Der
Verstorbene hinterlässt Ehefrau, Sohn und Enkel.