Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Jens George

Mit Feuer dabei bis zum Schluss: Nun geht Jens George zur Jugend.

 

 

 

 

 

 

 

 

"Maus" will wieder mehr Spaß und Freiheit spüren

23 Jahre als Damentrainer beim Club an der Alster enden für Jens George unglücklich im Halbfinale der Deutschen Meisterschaft

Von Frank Heike (aus "FAZ" vom 06.06.2022)

Sieben deutsche Meistertitel, drei Triumphe im Europapokal und nun zurück zu den Wurzeln: Ohne großen Druck will Trainer Jens George künftig auch dem Nachwuchs Leidenschaft und Spaß vermitteln.

Was ihm ganz bestimmt nicht fehlen wird, sind Nachbereitungen vergangener Spiele und Vorbereitungen auf den nächsten Gegner. Am Laptop. So schnell wie möglich. Mit immer neuen Analyse-Tools. Und so aufbereitet, dass jede Spielerin auch ja etwas mitnimmt. Jens George sagt: "Ich kann das. Aber es dauert länger als bei jemandem, der halb so alt ist wie ich."

Der Trainer, den in der Hockeyszene alle nur "Maus" nennen, ist 53 Jahre alt. In die Analyse-Arbeit hat er sich reinfuchsen müssen, und man merkt ihm im Gespräch auf der schönen Terrasse des Vereinsbistros des Clubs an der Alster an, dass er diese Zeit lieber sinnvoller verbracht hätte als am PC – und seine Stärken womöglich besser hätte ausspielen können, nämlich, eine Mannschaft zusammenzuhalten, Teamgeist zu vermitteln, seine Erfahrung einzusetzen.

Die Kabine im Griff

George war immer ein Coach, der die Kabine im Griff hatte. Und das war seit seinem Einstieg als Damentrainer beim Club an der Alster 1999 so. Am Pfingstsamstag endete die Karriere des Alster-Urgesteins nach 23 Jahren – und zwar höchst unglücklich.

Seine Mannschaft unterlag im Halbfinale der deutschen Meisterschaft in Bonn 5:6 nach Penaltyschießen gegen den Düsseldorfer HC. In der regulären Spielzeit hatte Georges Team einen 0:2-Rückstand in ein 2:2 gedreht, war aber trotz zweier Strafecken kurz vor Schluss nicht zu mehr gegen die Titelverteidigerinnen in der Lage.

"Ich gehe ohne Groll"

Es ist also nichts geworden aus dem dritten Feld-Titel nach 2018 und 2019. Siebenmal ist er mit dem feinen Klub aus dem Stadtteil Rotherbaum deutscher Meister geworden (fünfmal in der Halle), hat einmal den Pokal gewonnen und dreimal den Europapokal. "Für mich war es nicht wichtig. Ich hätte es den Mädels gegönnt", sagt George und schiebt nach: "Ich gehe ohne Groll."

Er wird nach der Sommerpause in Alsters Jugendabteilung einsteigen und versuchen, "ganz viele Kinder und Jugendliche in die Leistungsmannschaften hochzuziehen". Allerdings auf seine Art. Ohne übergroßen Druck und Strenge, mit Blick auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Korsett der Ganztagsschule.

Er sagt: "Man muss nicht dreimal die Woche zweieinhalb Stunden trainieren, auch wenn das ehrgeizige Eltern vielleicht wollen." Und, bezogen auf sich selbst: "Für mich gehört nach so vielen Jahren im Damenhockey auch dazu, mir zu beweisen, dass ich Jugend kann. Kann ich sie ausbilden?" Die Arbeit seines Nachfolgers Stan Huijsmans werde er dabei nur als interessierter Zuschauer verfolgen: "Es ist gut, dass ich da komplett raus bin. Ich werde garantiert nicht die Stimme aus dem Off sein."

"Viel größerer Zwang"

Es ist nicht so, dass ihm die Weiterentwicklung des Hockeys gleichgültig wäre. Nur hat er irgendwann gemerkt, dass die Sprache der Spielerinnen eine andere wurde. Nicht mehr seine war. Mehr Fachchinesisch, wo die alten Bezeichnungen doch auch getaugt hätten. "Ich habe vor zwei, drei Jahren gespürt, dass die Mannschaft einen neuen Impuls braucht, eine Veränderung", sagt er.

Das Zweifeln begann schon 2020, als Alster den Titel nicht verteidigen konnte. Auch die Konstellation mit dem heutigen Damen-Bundestrainer Valentin Altenburg, der als Georges Assistent einstieg, ließ ihn grübeln. Es knirschte zwischen den beiden. Denn die Kommunikation, die Altenburg bei den Spielerinnen einsetzte, sowie die Taktik, die er spielen lassen wollte, hatten wenig mit Georges Verständnis von Hockey zu tun.

Und vielleicht passt es wirklich nicht mehr in die Zeit, wenn ein Freigeist wie er morgens noch als Tischler arbeitet und nachmittags anspruchsvolle Nationalspielerinnen trainiert. Er sagt: "Der größte Unterschied zu meinen Anfängen liegt darin, dass heute eine viel größere Ernsthaftigkeit und ein viel größerer Zwang herrschen." Spaß und Freiheit blieben auf der Strecke.

Immer auch Exot

Dass der Hockey-Sport sich in den vergangenen 23 Jahren wenigstens eindrucksvoll weiterentwickelt habe, kann er nicht feststellen. Weder auf Vereins- noch auf Verbandsebene. Das Damen-Finale auf den Sonntagabend nach dem Spiel um Platz drei der Herren zu platzieren, empfand er als Schlag gegen die Gleichberechtigung. Eine größere Sichtbarkeit in den Medien erkennt Jens George jedenfalls nicht. "Oder sind da etwa viel mehr Zuschauerinnen und Zuschauer bei den Spielen als früher?", fragt er rhetorisch.

Der Spitzentrainer blieb immer auch Exot. Er bereiste die Welt als Rucksacktourist (98 Länder!), tauchte im Sommer regelmäßig in exotische, insbesondere arme Regionen ab, blieb seinem Job als Tischler und Bauingenieur treu und passte schon rein optisch gar nicht in die schnieke Hamburger Hockey-Szene. Andererseits verdankte er Alster ein geregeltes Auskommen – auch wenn er mit Blick auf die Protzkarossen auf dem Parkplatz oft nur den Kopf schüttelte. "Es war schon eine heiße innere Gratwanderung", sagt Jens George, "aber ich habe immer versucht, bei mir selbst zu bleiben."

Nun wird er Ende Juli erst einmal mit seiner zukünftigen Frau Sandra Milena in deren Heimat Kolumbien reisen und sie dort heiraten; eine anschließende Amazonastour natürlich inklusive. Dass er irgendwann, nach einer gewissen Zeit im neuen Job beim Alster-Nachwuchs, doch wieder zu den Damen zurückkehrt, will er nicht ausschließen: "Vielleicht finde ich eine junge, aufstrebende Mannschaft aus der zweiten oder dritten Liga." Dort würde vielleicht keine großartige Videoanalyse gefragt sein. Seine reichhaltigen Erfahrungen als Trainer und Mensch sollten vollkommen ausreichen.


ABSCHIED NACH 23 JAHREN

George: "Ich bin durch keinen Titel reicher geworden"

Jens George ist mit sich im Reinen. Nach 23 Jahren hängt er den Trainerjob im Hockey an den Nagel.

Von Björn Jensen (aus "Hamburger Abendblatt" vom 27.05.2022)

Er ist gelernter Tischler, studierter Bauingenieur. Seine größten beruflichen Erfolge aber feierte Jens George als Hockeytrainer. Sieben deutsche Meistertitel holte der 53-Jährige, den alle „Maus“ nennen, mit den Bundesligadamen des Clubs an der Alster. An diesem Wochenende nun erlebt der Lebenskünstler, der in der Hockeyszene für seine ausgefallenen Reiseziele bekannt ist, sein letztes Heimspiel. Am Pfeilshof trifft sein Team im Play-off-Viertelfinale am Sonnabend und, falls es verliert, im entscheidenden dritten Spiel am Sonntag auf den Stadtrivalen Uhlenhorster HC. Und wer weiß, dass George der letzte verbliebene Bundesligatrainer aus dem alten Jahrtausend ist, der kann ermessen, warum ein ausführliches Abschiedsgespräch Pflicht ist.

Herr George, wenn für Sie spätestens nach der Final-Four-Endrunde in Bonn am ersten Juniwochenende alles vorbei ist, wohin geht dann die erste Reise?

Die wird eine ganz besondere. Ich fliege nach Kolumbien, wo ich am 30. Juli meine Frau Sandra Milena Lopez Jimenez kirchlich heiraten werde. Da ist ein großes Familienfest geplant, zu dem auch aus Deutschland 20 Freunde kommen. Denen möchte ich etwas bieten, wir machen eine Amazonas-Tour und eine Jeep-Tour an der Karibikküste. Ganz besonders freut mich, dass meine Mutter für vier Wochen mitkommt. Die ist 83 und hat sich extra die Hüfte operieren lassen, damit sie noch Salsa tanzen kann.

Ihr Faible für Reisen ist in Hockeykreisen legendär. Was treibt Sie an?

Ich habe nach der Schule damit begonnen, weil ich ein großes Interesse an Kulturen hatte, an Tieren in freier Wildbahn und an unberührter Natur. Reisen ist für mich wie eine Droge geworden, von der ich nie losgekommen bin. In erster Linie ist es dieses Gefühl von grenzenloser Freiheit, das mich packt. Ich buche meist nur die Flüge, alles andere ergibt sich. Auf diese Art habe ich so viele unglaubliche Dinge erlebt.

Sie reisen vorwiegend in ärmere Länder in der Dritten Welt. Was reizt Sie an dem harten Kontrast zu unserem behüteten Leben in Deutschland?

Es erdet mich, wenn ich erleben kann, mit wie wenig viele Menschen auf der Welt zufrieden sein können. Ich zähle nicht zu denen, die dauernd auf Deutschland schimpfen. Natürlich nervt mich die Bürokratie auch manchmal, derzeit zum Beispiel, weil meine Frau kein Visum erhält, obwohl wir seit fünf Monaten standesamtlich verheiratet sind und sie ohne das Visum ein halbes Jahr lang nicht einreisen darf, wenn sie ausreist. Aber dank meiner vielen Erlebnisse weiß ich durchaus zu schätzen, wie gut es uns in Deutschland geht und wie glücklich wir sein sollten, hier zu leben.

Sie werden das garantiert oft gefragt. Dennoch: Gibt es eine Reise, deren Erinnerung Sie um nichts in der Welt missen möchten?

Mir fällt es unglaublich schwer, da eine herauszuheben. Ich habe 98 Länder bereist, und in jedem habe ich Dinge erlebt, die ich nicht missen möchte. Aber um ein Beispiel zu geben: Einmal, das ist 20 Jahre her, wollte ich auf dem Wasserweg von Brasilien nach Kolumbien und bin in einem Dschungeldorf im Amazonas stecken geblieben. Mit den Indios dort Zeit zu verbringen hat mich total fasziniert. Nach zehn Tagen habe ich mir über Funk ein Flugzeug gerufen, weil ich meinen Rückflug erreichen musste. Die Dorfbewohner haben extra für mich die Landepiste freigeschaufelt, die ewig nicht benutzt worden war. Als Gegenleistung habe ich drei malariakranke Kinder in die nächstgrößte Stadt mitgenommen.

Gibt es vielleicht eine Reise, die Sie lieber nicht hätten machen sollen? Wo war es besonders gefährlich?

Es gab sicherlich ein paar Touren, die ich rückblickend so nicht mehr machen würde. Fünf Jahre nach der Amazonas-Tour wollte ich zu Fuß von Bolivien nach Chile. Ich war allein unterwegs, als es auf 4.500 Meter Höhe plötzlich zu schneien anfing. Es war mindestens zehn Grad unter Null. In der Nacht wäre ich erfroren, wenn ich nicht drei eingeschneite Lastwagen entdeckt und in einem der Führerhäuser übernachtet hätte. Ein anderes Mal war ich mit einem Guide in Venezuela in einem Sumpfgebiet unterwegs, da haben wir nach Anakondas gesucht. Ich sollte mit einem Holzstock im Sumpf herumstechen. Etwas Hartes wäre ein Kaiman gewesen, aber die tun nichts, die wollen nur spielen. Auf einmal traf ich etwas Weiches, kurz darauf schoss der Kopf einer Riesenschlange neben mir aus dem Wasser. Wir haben die dann gepackt und in eine zoologische Station gebracht, wo sie vermessen wurde. Acht Meter war die lang. Das war schon krass.

Warum suchen Sie solchen Nervenkitzel?

Ich finde, dass es in unserer Gesellschaft weltweit schwieriger wird, ein Gefühl von totaler Freiheit zu erleben. Das ist es, was ich immer wieder gesucht habe. Deshalb habe ich nur selten in Hotels übernachtet, sondern oft in der Natur in Hängematten, auf der Straße, auch mal bei wildfremden Menschen. Aber ich gebe zu, dass ich in den vergangenen Jahren doch etwas bequemer geworden bin. Ich glaube, das kommt mit dem Alter.

Der Trainer hört beim Club an der Alster auf und spricht im Abschiedsinterview über Reisen, Karriere im Hockey und seine neuen Pläne.

Wie haben Sie als extrem freiheitsliebender Mensch die Einschränkungen der Corona-Pandemie erlebt?

Als hysterisch. Ich bitte das nicht falsch zu verstehen, es ist immer traurig, wenn Menschen sterben. Aber wenn man sieht, an was für Krankheiten in armen Ländern Kinder jeden Tag sterben, dann ist Corona eine Lappalie. Ich bin ein Schicksalsmensch, ich bin überzeugt davon, dass es passiert, wenn es passieren soll. Ich habe zwar meine Basisimpfungen, aber habe nie Malaria-Prophylaxe oder Ähnliches gemacht. Und ich hatte das Glück, dass nie etwas passiert ist.

Wer 98 Länder bereist hat, will bestimmt die 100 vollmachen. Was sind für Sie Traumziele? Und gibt es Länder, die Sie gar nicht interessieren?

Es war nie mein Ziel, irgendeine Zahl zu erreichen. Japan würde ich sehr gern sehen, das wollte ich bei den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr abhaken, aber dann wurden Zuschauer ausgeschlossen. Äthiopien steht weit oben auf meiner Liste. Aber mein größter Traum ist es, einmal in die Antarktis zu kommen. Aber nicht mit einem Kreuzfahrtschiff, sondern mit einem kleinen Postschiff. Was mich gar nicht interessiert, sind touristische Hotspots. Luxusinseln wie die Malediven zum Beispiel, oder auch Ibiza. Da war ich noch nie, auf Mallorca nur einmal. Ist einfach nicht mein Ding.

Nun sind Sie verheiratet. Teilt Ihre Frau Ihre Reiseleidenschaft?

Wir haben uns auf einer Reise kennen gelernt, insofern teilt sie diese Leidenschaft absolut. Aber wir werden sehen, wo es uns hintreibt. Wer so viel individuell unterwegs war wie ich, der muss sich an ständige Gesellschaft auf einer Reise erst einmal gewöhnen.

Ihre sportliche Reise findet spätestens am ersten Juniwochenende ihr Ende, zumindest vorerst. Manche finden, dass der noble Hamburger Traditionsclub Alster zu Ihnen als Persönlichkeit gar nicht passt. Warum hat diese Verbindung so lange gehalten?

Das ist eine interessante Sichtweise. Ich denke, dass auch hier Freiheit die Hauptrolle gespielt hat. Die Freiheit nämlich, die ich bekommen habe, mir meine Teams immer wieder neu zusammenzustellen und meinen eigenen Weg zu gehen. Man hat mir die Damen vor 23 Jahren überlassen und gesagt: Mach was draus. Es gab keine große Erwartungshaltung. Mir hat das gefallen. Außerdem war der Job für mich auch eine sichere Bank. Ich wusste, dass ich hier eine Basis hatte, zu der ich immer zurückkehren konnte, wo ich das Geld verdiente, das ich für meine Reisen brauchte. Und wo man mich so genommen hat, wie ich bin.

Gab es nie Konflikte aufgrund Ihres Freiheitsdranges?

Einmal hat mich der Club abgemahnt, weil ich zwei Wochen länger im Sommerurlaub war als vorgesehen. Da habe ich sofort gekündigt, weil ich es als respektlos empfand, dass man mir die vielen Überstunden, die jeder Trainer im Leistungssport macht, nicht vergütet, aber dann vorhält, ich hätte meine Urlaubszeit überschritten. Die Abmahnung wurde dann zurückgenommen.

Als Sie 1999 Cheftrainer der Ersten Damen wurden, hatten Sie sich da ein Zeitlimit gesetzt? Einer, der auf jeder Reise etwas Neues probiert, hat doch sicherlich nicht das Ziel, dienstältester Trainer der Hockey-Bundesliga im selben Club zu werden.

Das Ziel hatte ich nicht, aber vielleicht ist genau diese Beständigkeit der Gegenpol zu dem, was ich in meiner Freizeit tue. Es war am Anfang schwer für mich, mich an die Anforderungen im Frauensport zu gewöhnen. Aber irgendwann habe ich den Schlüssel gefunden, mich auf die Mädels einzulassen. Für mich war jede Mannschaft wie ein neues Kind, das ich großziehen wollte. Es zum Laufen zu bringen und wachsen zu sehen hat mich über all die Jahre total erfüllt. Und es war eine tolle Herausforderung, die Gleichberechtigung zu erkämpfen, die die Damen verdienen. Es hat lang gedauert, bis ich, genau wie die Herren, mit meinem Team zur Vorbereitung nach Spanien fliegen durfte. Heute ist das Usus.

George: "Ich werde sicher Tränen verdrücken

Was bedeutet Ihnen sportlicher Erfolg? Ist das eine Kategorie, die Sie für wichtig erachten?

Meister zu werden ist schon etwas Schönes, aber es ist keine Bedingung, damit ich mich glücklich fühle. Ich bin durch keinen der sieben Titel finanziell reicher geworden. Mir geht es um den Spaß, um das gemeinsame Erleben. Zu spüren, dass eine Gruppe zu einer verschworenen Gemeinschaft wird, das ist das Schönste. Der intensivste Titel war deshalb der in der Halle vor ein paar Jahren, den wir ohne die Nationalspielerinnen geholt haben.

Wie haben Sie gespürt, dass Ihre Reise im Sport an ihr Ende kommt? Mit 53 muss man ja nicht aufhören…

Zum einen ist es die Beziehung zu meiner Frau, die mir gezeigt hat, wie schön es ist, abends oder am Wochenende auch mal frei zu haben und nicht sogar im Urlaub immer auf Abruf erreichbar sein zu müssen, denn das hat in den vergangenen zehn Jahren auch im Hockey extrem Einzug gehalten. Zum anderen war es die Erfahrung, den heutigen Damen-Bundestrainer Valentin Altenburg als Co-Trainer zu haben. Er hat eine ganz andere Art, die Spielerinnen zu erreichen, und mir hat das die Augen geöffnet, dass das nicht mehr das ist, was ich will. Ein Trainer, der vormittags als Tischler arbeitet anstatt mit den Nationalspielerinnen auf dem Platz, ist im heutigen Leistungssport nicht mehr zeitgemäß.

Können Sie denn einfach so aufhören? Haben Sie keine Angst, dass Sie den ganzen Zirkus schnell vermissen?

Ich höre ja nicht einfach so auf, ich steige im Jugendbereich ein und habe große Lust darauf, daran mitzuarbeiten, dass wir ganz viele Kinder und Jugendliche in die Leistungsmannschaften hochziehen können. Vermissen werde ich sicherlich das Training auf höchstem Niveau. Aber ich möchte, dass der Spaß weiterhin nicht zu kurz kommt. Ist das nicht der Fall, muss ich etwas ändern, ich werde mich keinen Zwängen unterziehen. Klar ist aber auch: Wenn Hilfe gebraucht wird, werde ich da sein, wo auch immer es nötig ist.

Gibt es in diesen 23 Jahren etwas, das Sie bereuen? Nie im Ausland gearbeitet zu haben, nicht Bundestrainer geworden zu sein?

Gar nichts, wirklich nicht. Ich fühle mich unglaublich wohl mit dem, was gewesen ist. Ich war zweimal als Co-Trainer bei der Nationalmannschaft und habe gespürt, dass das nicht das Richtige für mich wäre. Ich bin absolut glücklich, wie es gelaufen ist.

Wie stellen Sie sich Ihren Abschied vor?

Unspektakulär, was meine Person angeht. Ich werde mit Sicherheit einige Tränen verdrücken. Aber ich möchte kein Brimborium um meine Person. Ich wünsche mir, dass wir zum Abschluss noch einmal deutscher Feldmeister werden, aber nur, weil die Mädels es sich verdient haben. Für mich ist das nicht wichtig. Außerdem bleibe ich ja im Club, es ist kein Abschied für immer.

Können Sie sich denn ein Leben ganz ohne Hockey vorstellen? Ist es eine Option, mit Ihrer Frau in deren Heimat zu leben? Und was ist mit dem Hostel in den Anden, von dem Sie träumten?

Meine Frau würde zunächst gern ein bisschen in Deutschland leben und Geld verdienen, die wirtschaftliche Situation in Kolumbien ist gerade nicht so rosig. Außerdem möchte ich meine Mutter nicht im Stich lassen. Aber grundsätzlich kann ich mir gut vorstellen, in Kolumbien zu leben. Ein Hostel in den Anden bleibt eine reizvolle Idee. Vor ein paar Jahren habe ich in Indonesien eine abgelegene Insel entdeckt, wo überhaupt kein Tourismus war. Da habe ich eine Hütte, leider war ich seit Corona nicht dort. Vor Kurzem rief mich ein Freund an, der dort lebt, und sagte mir, dass auf der Insel drei Luxusresorts gebaut worden sind. Also war es das leider mit dem Paradies. Aber es werden sich neue Türen öffnen. So war es immer in meinem Leben. Nicht zu wissen, was am nächsten Tag ist, das hält jung.