Der Vizemeister
empfängt den deutschen Champion – hochklassiger als mit dem Duell zwischen dem
Uhlenhorster HC und dem Club an der Alster könnte die Saison 2018/19 in der
Feldhockey-Bundesliga der Damen nicht beginnen. Vor dem sportlichen
Aufeinandertreffen an diesem Sonnabend nahmen sich die Cheftrainer Claas Henkel
(39/UHC) und Jens George (49) Zeit für ein Gespräch über die Lage der Liga und
die Zukunft ihres Sports.
Hamburger
Abendblatt: Herr George, Herr Henkel, das Derby der beiden Topteams der
vergangenen Saison zu einem so frühen Zeitpunkt – ist das Fluch oder Segen?
Claas Henkel:
Natürlich wäre es schön gewesen, sich für dieses Duell etwas länger einspielen
zu können. Andererseits holt man mit so einem Kracher die Fans gut aus der
Sommerpause ab. Deshalb bin ich positiv gestimmt.
Nach vielen
Jahren der UHC-Dominanz haben Sie mit Alster in der vergangenen Saison das
Double aus Halle und Feld geholt, Herr George. Ist das für Ihr Team Ansporn oder
Druck?
Jens George: Unser
Fokus geht nur nach vorn. Was war, interessiert nicht mehr, denn es hilft uns
nicht. Wir wollen nicht die Titel verteidigen, sondern neue gewinnen. Im Moment
spüre ich, dass die Mannschaft großes Selbstvertrauen ausstrahlt, was sich in
einer sehr guten Vorbereitung widergespiegelt hat. Aber wie es aussieht, wenn es
erneut um Titel geht, ob der Druck dann wächst und wie die Mädels damit umgehen,
bleibt abzuwarten.
Herr Henkel,
jetzt wieder Herausforderer zu sein, weckt das in Ihrem Team neue Motivation?
Henkel: Mein Team
braucht keine Motivation von außen, die Mädels sind von sich aus extrem
leistungswillig und erfolgshungrig. Außerdem sehe ich es auch nicht so, dass
sich die Rangordnung nachhaltig verändert hat. Wir hatten in der vergangenen
Saison einen enormen Umbruch und sind deshalb mit der Vizemeisterschaft auf dem
Feld absolut zufrieden gewesen. Wir standen zehnmal in Folge im Endspiel, und
wir wollen im nächsten Jahr das elfte Finale in Serie spielen.
Dafür wäre ein
Derbysieg zum Auftakt ein wichtiges Zeichen. Welchen Stellenwert hat dieses
Spiel für Sie?
Henkel: Ich glaube,
dass es in dieser Saison nicht mehr so emotional überladen sein wird wie im
vergangenen Jahr, als Lisa Altenburg von uns zu Alster gewechselt war und das
Ganze doch alle ziemlich beeindruckt hat. Wir freuen uns einfach auf die Partie
und wollen es Alster möglichst schwermachen. Fakt ist, dass wir kein
Pseudo-Feindbild brauchen und deshalb auch nicht zu viel in dieses Spiel
hineininterpretieren.
Sie haben sich
punktuell sehr gut verstärkt. Wer sind die Zugänge, die Ihr Team zum
Titelkandidaten machen?
Henkel: Mit Amelie
Wortmann aus Großflottbek und Teresa Martin Pelegrina aus Düsseldorf haben wir
zwei Nationalspielerinnen dazubekommen, dazu mit Nicola Pluta eine
U21-Auswahlspielerin aus Mülheim. Außerdem ist Nationalstürmerin Charlotte
Stapenhorst nach einem Jahr in den Niederlanden zurückgekehrt. Wir werden Zeit
brauchen, um unser neues Gesicht herauszuarbeiten. Wenn uns das gelingt, werden
wir eine gute Rolle spielen können.
George: Mir war
zunächst wichtig, dass wir das Meisterteam weitgehend zusammenhalten, denn eine
eingespielte Mannschaft ist immer von Vorteil. Die Abgänge im Sturm von Jessica
Reimann zum Hamburger Polo Club und Mieketine Heyn zum Berliner HC haben wir
durch die Zugänge von Hannah Gablac und der irischen Nationalspielerin Katie
Mullen kompensiert. Dazu kommt noch Englands Nationalspielerin Susannah
Townsend. Die Schwachpunkte, die wir hatten, konnten wir ausgleichen. Wir haben
eine sehr starke erste 16.
Ist Alster der
klare Favorit? Und wie sehen Sie insgesamt den Leistungsstand der Bundesliga?
George: Die Top
vier, also neben dem UHC und uns noch der Mannheimer HC und der Düsseldorfer HC,
haben sich alle gut verstärkt, so dass ich glaube, dass diese vier Teams erneut
die Endrundenplätze belegen werden. Im Abstiegskampf sehe ich vor allem TSV
Mannheim, den Münchner SC und Aufsteiger Zehlendorfer Wespen. Der zweite
Aufsteiger Bremer HC scheint mir stark genug, um drinzubleiben.
Henkel: Sehe ich
fast genauso, mit der Einschränkung, dass ich auf den Berliner HC gespannt bin
und glaube, dass die um die Endrundenplätze mitspielen könnten.
Über die
Qualität der Liga gibt es seit Jahren Diskussionen. Nun hat Bundestrainer Xavier
Reckinger diese angefacht, als er nach dem Viertelfinalaus der deutschen Damen
bei der WM in London Anfang August sagte, selbst den Nationalspielerinnen fehle
es an technischen Fertigkeiten. Wie kommt so etwas bei Ihnen an?
George: Wir saßen
vor zwei Wochen mit den Trainern aller Topvereine zusammen, und alle waren nicht
gerade begeistert von den Aussagen. Die technische Ausbildung in der Bundesliga
ist sehr gut, nicht zuletzt auch, weil wir einen so großen Fokus aufs
Hallenhockey legen. Viele Nationen beneiden uns darum. Wir sollten unsere
Stärken nicht selber schlechtreden.
Henkel: Es ist der
uralte Reflex, die Qualität der Liga zu beklagen, wenn im Nationalteam etwas
schief läuft. Das ist verständlich, aber genauso wenig zielführend wie der immer
wieder angeführte Vergleich mit dem Ausland. Wir wären alle gut beraten, wenn
wir akzeptieren würden, dass Deutschland seinen eigenen Weg des dualen Modells
aus Ausbildung und Leistungssport geht. Daraus das Beste zu machen, das ist die
Aufgabe aller, die im Hockey tätig sind.
Nach
dem Aufstieg in der Halle nun auch 1994 der Wiederaufstieg auf dem
Feld in die Erste Bundesliga, also die 1. Herren des RRK rundherum
wieder erstklassig (hinten: Gerrit Rothengatter, Holger Kraft,
Holger Klein, Klaus Eberts, Jens George, Benny Schröter,
Glenn Eifert, Björn Emmerling, Torwart Christopher Reitz, Trainer
Berti Rauth; vorn: Torben Stalmach, Volker Schädel, Patrick
Honnef, Jan-Erik Reitz, Oliver Domke, Sven Schaefer) |
Reckinger sagt,
er brauche deutlich mehr Zeit für gemeinsames Training mit den
Nationalspielerinnen. Dafür jedoch müsste es, wie in anderen Verbänden, eine
Zentralisierung geben, die mit einer Professionalisierung, sprich einer
Bezahlung der Spielerinnen, einhergehen müsste. Muss Hockey-Deutschland diesen
Weg gehen, um konkurrenzfähig zu bleiben?
Henkel: Die Frage
ist, welches System wir wollen. Die Niederlande sind die große Ausnahme, weil
sie als kleines Land die Zentralisierung umsetzen können und dennoch, weil
Hockey dort Nationalsport ist und es potente Sponsoren gibt, das Ligasystem
stark ist. Deshalb ist Holland auch klar die Nummer eins im Damenhockey. Alle
anderen haben kein funktionierendes Vereinswesen, das bei uns aber die Grundlage
ist und auch bleiben sollte. Großbritannien beispielsweise hat mit der
Fokussierung auf die Nationalteams seine Liga und die Clubs zerlegt. Wir sollten
bei unserem Weg bleiben.
Die Führung des
Deutschen Hockey-Bundes scheint das nicht so zu sehen. Für die vom Weltverband
ab Januar 2019 eingeführte Hockey Pro League (HPL) sollen möglicherweise die
Ligen verkleinert oder den Auswahlspielern die Teilnahme an der
Hallen-Bundesliga verwehrt werden. Ziehen im Hockey wirklich alle an einem
Strang?
Henkel: Nein, und
das ist das große Problem. Die Kommunikation mit dem Bundestrainer ist offen und
gut, aber überlagert vom Verhältnis zwischen dem Verband und den Vereinen.
Reckinger weiß, dass die Abstellung aller Nationalspielerinnen für jedes
HPL-Spiel weder notwendig noch praktikabel ist. Ein Beispiel: Alster und wir
spielen über Ostern im Feld-Europacup, das ist für alle das absolute Highlight.
Nach Ostern sind aber vier HPL-Spiele angesetzt. Keine Nationalspielerin wird
dieses Programm durchziehen, und der Bundestrainer weiß das. Aber er darf es
nicht offen sagen, weil der DHB die HPL als absolutes Highlight deklariert.
Das muss er aber
doch, schließlich fordert der Weltverband für seine neue Serie eine dauerhafte
TV-Präsenz, Austragungsorte mit mindestens 5.000 Zuschauern und zwei Drittel
überdachten Sitzplätzen. Dafür muss man Sponsoren finden, und die wollen ein
Spitzenprodukt.
Henkel: Genau das
ist der Geburtsfehler. Geplant war eine Profiliga, für die aber leider kein Geld
da ist. Was bleibt, ist Überforderung an allen Enden. Ich werfe das niemandem
vor, aber gerade dann wäre es wichtig, dass alle zusammen versuchen, Kompromisse
zu finden, anstatt immer neue Grabenkämpfe auszufechten. Es wird nicht die
Superlösung geben, aber alles auf die HPL auszurichten, kann nicht der richtige
Weg sein. Wir brauchen mehr Ehrlichkeit in dieser Diskussion.
Was genau fehlt
Ihnen denn?
George: Ein
Beispiel aus unserer Praxis: Wir richten im Februar den Hallen-Europapokal aus.
Natürlich ist es für unseren Verein sehr wichtig, dass wir dann unsere besten
Spielerinnen aufbieten. Zu der Zeit allerdings ist die Nationalmannschaft in der
HPL in Neuseeland, Australien und Argentinien unterwegs. Wenn ich dafür alle
meine Auswahlspielerinnen abstellen muss, geht das voll zu Lasten des Vereins.
Das kann es nicht sein. Der Bundestrainer kommt am Wochenende nach Hamburg, dann
werden wir das besprechen. Aber ich fürchte, es wird schwierig, eine Einigung zu
finden.
Henkel: Vor allem
stört mich, dass nicht ehrlich kommuniziert wird, dass die HPL, bei der es außer
Punkten für die Weltrangliste nichts zu gewinnen gibt, in Wahrheit nur eine
großartige Vorbereitung auf die beiden wirklich wichtigen Termine für die
Nationalmannschaft ist. Das sind die EM im August und die Olympiaqualifikation
Anfang November, die man sich sogar spart, wenn man Europameister wird. Die
Regelung ist so, dass zur Olympiaqualifikation die besten zwölf Teams der
Weltrangliste antreten, die nicht Kontinentalmeister sind, und in sechs Duellen
die sechs noch freien Plätze für Tokio 2020 ausspielen. Die besten sechs haben
sogar zweimal Heimrecht. Das heißt, dass sich Deutschland in zwei Heimspielen
gegen einen Gegner aus der Kategorie Italien behaupten müsste. Bei allem
Respekt: Das sollte machbar sein. Und dafür soll ein funktionierendes System
über den Haufen geworfen werden?
Warum nimmt
Deutschland dann überhaupt an der HPL teil?
Henkel: Weil die
Olympiaqualifikation sonst etwas komplizierter werden würde, da dann drohen
könnte, in der Weltrangliste so zurückzufallen, dass man in den
Qualifikationsspielen zweimal auswärts gegen einen stärkeren Gegner spielen
müsste. Und weil es ums Prestige geht. Ich kann das verstehen und stehe auch
grundsätzlich hinter der Teilnahme. Aber man soll ehrlich sein und sagen, dass
es nicht so wichtig ist, dass man in jedem Spiel die Topspielerinnen braucht. Am
Ende droht sonst das, was eigentlich alle verhindern wollen: Dass die
Spielerinnen zerrissen werden zwischen dem Pflichtgefühl ihren Vereinen
gegenüber und der Pflicht, die ihnen der Verband auferlegt.
George: Dieses
Programm voll durchzuziehen, das ginge nur, wenn man Profi ist und auch
entsprechend bezahlt wird. Diese Voraussetzungen haben wir nicht, auch weil sich
die Regierung seit Monaten nicht zu der in der Leistungssportreform ermittelten
Fördermittelerhöhung durchringt. Was mich ärgert: Man hätte das Thema HPL längst
klären können. Aber erst jetzt, da es in wenigen Monaten losgeht, wird alles
übers Knie gebrochen.
Henkel: Die Liga
muss über Konsequenzen nachdenken, im Verband aber gibt es noch keine Planung
darüber, wie das Team für die HPL aussehen soll, wer das Funktionsteam bildet,
es stehen weder Ausrichter noch Sponsoren fest. Das ist unprofessionell und ein
Zeichen für die Überforderung. Diese Einsicht fehlt mir allerdings im Verband.
Wir brauchen endlich Faktenklarheit.
Wenn der Verband
seine Pläne so durchzieht wie angekündigt: Welche Konsequenzen fürchten Sie
dann?
George: Ich
fürchte, dass die Spielerinnen dann noch früher ihre Karrieren beenden, als es
jetzt schon der Fall ist. Diese Belastung kann man nur wenige Jahre durchhalten.
Henkel: Ohne die
Überlastung der Auswahlspielerinnen kleinzureden, wird mir zu wenig über das
Problem gesprochen, dass die meisten Vereine, die gar keine Nationalspielerinnen
stellen, schon jetzt nur über wenige Monate im Jahr Bundesligahockey anbieten
können. Verkleinerte man die Liga, würde es perspektivisch noch mehr weiße
Flecken in Deutschland geben, und das können wir uns einfach nicht erlauben,
weil wir mehr Talente brauchen, um unseren Platz in der Weltspitze zu behaupten.
Ist dieser Platz
wirklich gefährdet, oder wird aus dem Versagen im WM-Viertelfinale beim 0:1
gegen Spanien zu viel Negatives abgeleitet?
Henkel: Die WM war
mitnichten eine Vollkatastrophe, die drei Siege in der Vorrunde haben gezeigt,
welches Potenzial das Team hat. Und das Viertelfinale gegen Spanien gewinnen wir
bei neun von zehn Versuchen auch. Dass es 0:1 verloren ging, obwohl wir es 4:1
gewinnen müssen, zeigt, woran zu arbeiten ist. Natürlich ist die Spitze im
Welthockey breiter geworden, aber wir gehören weiter dazu.
George: Mich hat
bei der WM nichts überrascht, weil das Team stark ist und große Qualitäten hat,
zu denen aber nicht zählt, als Favorit ein Spiel machen zu müssen. Gewundert hat
mich nur, dass das einige überrascht hat, obwohl es uns bei der EM 2017 im
Halbfinale gegen Belgien schon einmal passiert war. Das hat aber nichts mit der
Ausbildung zu tun, sondern mit der mentalen Stärke, und daran kann man arbeiten.
Deshalb bleibe ich dabei: Wir sollten unseren Weg gemeinsam weitergehen und
aufhören, uns ständig nach anderen zu richten.