stets sind sie damit
beschäftigt, die Dinge zu analysieren, zu optimieren und vorzubereiten.
Jens George gehört nicht unbedingt zu
diesem Trainertyp. Der 36-jährige Coach der Hockeydamen des Bundesligisten "Club
an der Alster" führt ein Doppelleben. Kaum ist das letzte Punktspiel
abgepfiffen, verwandelt sich der Junggeselle in einen Globetrotter. Er packt
seinen Rucksack und reist zum Abenteuerurlaub in die weite Welt. Mal verbringt
er eine Woche bei den Indios am Amazonas, mal schwimmt er mit den Walen vor der
argentinischen Halbinsel Valdez.
"Wenn ich ehrlich bin, ist mir der
Rucksack-Tourismus noch wichtiger als Hockey", gesteht Jens George und erzählt,
wie er Weihnachten und Neujahr im Süden Sri Lankas war. Den Heiligen Abend
verbrachte er auf dem Bahnhof einer kleinen Ortschaft und legte sich um
Mitternacht für drei Stunden auf einen Tisch zum Schlafen, um danach mit Sack
und Pack sowie einer Taschenlampe zur Nachtwanderung durch den Dschungel
aufzubrechen.
Sein Ziel nach 18 Kilometern auf
einem engen Pfad war eine Schlucht namens "World's End", wo er auf den
Sonnenaufgang wartete: "Ich bin sehr naturverbunden und suche die Einsamkeit",
erklärt Jens George.
Andererseits lässt es der gute Mann
auch gern mal krachen. Er coacht sein Team derart lautstark, dass ein Krächzen in
der Stimme schon zu seinem Markenzeichen wurde. Mit einer Mischung aus Disziplin
und Spaß formte Jens George sein Team zu einem Titel-Favoriten, revidierte aber
auch den Ruf der Alster-Mannschaft. Während das Team früher, wie er sagt, als
arrogant verschrien war, gilt die Damentruppe heute als offen und umgänglich.
Sein Motto "Spaß muss sein" hat sich
in der Bundesliga herumgesprochen. "Nicht zuletzt deshalb sind Spielerinnen wie
Laura Lembke aus Köln, Karin Blank aus Frankfurt oder Anneke Böhmert von Klipper
zu uns gekommen", glaubt George, der schon als 18-Jähriger eine Mädchenmannschaft
trainierte und somit weiß, wie man auch mit eitlen und kapriziösen Spielerinnen
umgehen sollte. "Klar ist das schwierig", sagt er und lächelt, "du hast deine
Lieblinge, aber du darfst es dir nicht anmerken lassen."
Jens George im RRK-Dress 1991 |
Seine eigene Hockey-Karriere habe
eher zufällig begonnen, sagt George. Der HC Bad Homburg suchte per
Zeitungsanzeige interessierte Jungs und Mädchen, daraufhin meldeten Mutter
Hannelore und Vater Klaus den kleinen Jens probeweise an.
Der stellte sich beim Spiel mit dem
Krummstock nicht gerade untalentiert an, fiel aber vor allem durch sein Äußeres
auf: "Ich war klein, zierlich und hatte zwei große Vorderzähne", lacht George
und findet es nur logisch, dass ihm der Trainer deshalb den Spitznamen "Maus"
verpasste. So wird er bis heute in der gesamten Hockey-Szene genannt.
Zum putzigen Aussehen gesellte sich
aber schnell eine gewisse Begabung für den Sport. Das bemerkte auch sein
damaliger Jugendcoach Berti Rauth, der ihn erst in Homburg förderte und später
mit zum Bundesligisten Rüsselsheimer RK nahm. Dort spielte George zehn Jahre
lang, bevor er für die letzten zwei Jahre seiner aktiven Laufbahn nach Hamburg
zu Alster wechselte.
Für die ganz große Karriere hatte es
nicht gereicht, dafür war Georges Freiheitsliebe zu stark ausgeprägt. "Es gibt
noch etwas anderes im Leben als Hockey", hatte er sich damals schon gesagt, aber
nicht unbedingt das Studium an der Universität in Frankfurt gemeint: "Ich war
zwar 19 Semester eingeschrieben, habe aber eigentlich nur drei davon ernsthaft
studiert", sagt er und erzählt von seiner damaligen Freundin, die ihn an die
Leine nahm und zu einer Schreinerlehre überredete. Diese Ausbildung beendete er
dann tatsächlich nach zwei Jahren.
Trotz der lockeren Lebensweise
schaffte er 1993 den Sprung in die Nationalmannschaft, was er allerdings einer
bürokratischen Panne des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) zu verdanken hatte. "Ich
war schon überrascht, als der DHB mich als 29-Jährigen zu einer Länderspielreise
nach Malaysia einlud, obwohl ein Neuaufbau mit jungen Spielern geplant war",
sagt George. Da stimmt doch etwas nicht, dachte er und flog dennoch zum
Treffpunkt. Nach Malaysia wollte er immer schon.
George sollte Recht behalten. Beim
DHB hatte man die Namen zweier Alster-Spieler verwechselt. Gemeint war der
24-jährige Philip Georgi, der längst aufgehört hatte, Hockey zu spielen.
Adressiert aber war die Einladung an Jens George.
Es gab ein großes Hallo auf dem
Frankfurter Flughafen. Die Teamkameraden, mit großen Sporttaschen und mehreren
Hockey-Schlägern ausgestattet, grinsten nur, als sie ihn da stehen sahen, mit
seinem kleinen Rucksack, nur einem Schläger, aber mit Taucherbrille und
Schnorchel. Eingeladen war nun mal eingeladen, also kam George nicht nur zu
einer Fernostreise, sondern auch zu drei Länderspielen.
Er hat sich seine Unbekümmertheit
erhalten, ist aber reifer geworden. Er kümmert sich jetzt sogar um seine private
Altersversorgung und hat sich eine kleine Immobilie zugelegt. Einen Traum hat er
auch noch. Wenn es mit dem Trainerjob beim Club an der Alster mal vorbei sein
sollte, will er endgültig in die weite Welt entfliehen: "Vielleicht eröffne ich
dann in Südamerika ein kleines Hotel für Backpacker." So ein Rucksack-Tourist
möchte Jens George für immer bleiben.
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Jens George
nach dem Abschiedsspiel "Naturrasen" am 20. Oktober 1990 am Rüsselsheimer
Sommerdamm im Kreise junger und älterer Hockeyspieler des RRK (hinten:
Schiedsrichter Manfred Dittmar und Willibald Schmitt, Bodo Schäfer, Glenn
Eifert, Jan-Erik Reitz, Harald Eisenacher, Manfred Liebig, Volker Schädel,
Martin Müller, Marcel Janson, Ralf-Peter Rausch, Paul Anagnostou, Fritz
Schmidt, Gerrit Rothengatter, Klaus Eberts, Tobias Frank, Thomas Bischoff,
Norbert Boll, Walter Leichtweiß, Jens George, Fritz Schmidt jr., Roland
Segner; vorn: Berthold Rauth, Thomas Susenburger, Rainer Seifert, Kai
Stieglitz, Holger Kraft, Peter Kraus, Wolfgang Beck, Thomas Blivier, Klaus
Held, Dr. Christoph Krehl, Alfred Segner, Georg Otto) |
Aus "hockeyzeit" vom 07.03.2006:
"Wir waren am
hungrigsten"
Jens George feierte in
Elmshorn seinen ersten Titel mit den Alster-Damen
Wie haben Sie die
Atmosphäre in Elmshorn empfunden, waren Sie mit der Veranstaltung insgesamt
zufrieden?
Als wir am Donnerstag
zum ersten Mal in der Halle trainiert haben, hatte ich so meine Zweifel. Wir
hatten noch keine Bretter in den Toren, so das ich mir dachte, dass kann ja noch
heiter werden. Doch am Samstag habe ich die Halle kaum wiedererkannt. Da wurde
viel verändert und für die Endrundenteilnehmer eine Menge getan. Es fehlte den
Spielerinnen letztendlich an nichts. Für uns war der Standort natürlich ein
Vorteil, da viele unserer Hamburger Fans anreisen konnten. Besonderen Dank gilt
den ersten Herren, die uns lautstark unterstützt haben. So kam während der
Spiele eine tolle Atmosphäre auf. Alles in allem war es eine gelungene
Veranstaltung. Ich glaube, dass jedes Team lieber eine kleine, volle Halle hat,
als vor einer großen leeren Tribüne zu spielen.
Wie feiert Ihr Euren
ersten Hallentitel?
Wir werden mit unseren
Fans natürlich ausgelassen im Alster-Clubhaus feiern bis zum Openend. Morgen
fahren die meisten Spielerinnen in den verdienten Skiurlaub. Ich fahre auch mit
Herrentrainer Jo Mahn für eine Woche nach Lech zum Ski fahren. Danach bereiten
wir uns auf die Rückrunde der Feldsaison vor. Ich hoffe, dass wir jetzt mit
gestärktem Selbstvertrauen noch ordentlich Punkte nachlegen und uns von der
unteren Tabellenhälfte absetzen können.