Beim
Weggehen streifte sich Denise Klecker ihren weiß-roten Pulli mit
der Aufschrift "Austria" über und eilte zur anderen Spielstätte
hinüber. Dort, in der kleinen Hockeyhalle im riesigen Komplex
der Arena Leipzig, übte sich die 229-malige Nationalspielerin
des Rüsselsheimer RK in den folgenden 45 Minuten im intensiven
Daumendrücken. Mit Erfolg: 15 Sekunden vor Schluss erzielte
Irene Balek per Strafecke ihr zweites Tor zum 2:1-Erfolg
Österreichs im Gruppenspiel der ersten Weltmeisterschaft gegen
die zuvor verlustpunktfreie Auswahl aus Tschechien.
"Das wäre ein Traum, wenn wir und Österreich das WM-Finale
bestreiten würden", so Klecker, deren Affinität für das
südöstliche Nachbarland unschwer nachvollziehbar ist. Einmal
trägt Irene Balek nun schon in der dritten Hallensaison
ebenfalls das Trikot des RRK, zum anderen besteht die
Wohngemeinschaft Klecker/Balek unweit des Rüsselsheimer
Rathauses in der nächsten Woche genau ein Jahr.
"Die Denise wünscht sich viel." Irene Balek, wieder einmal mit
Abstand beste Spielerin im Team Austria, kommentierte die
Visionen ihrer Mitbewohnerin mit einem Lächeln und widmete sich
wieder ihrer Trinkflasche. "Das ist typisch für sie; sie ist
einfach insgesamt ein ruhiger und zurückhaltender Typ", kontert Klecker. Das, findet die 31 Jahre RRK-Spielführerin, habe ihre
sechs Jahre jüngere Teamkollegin aber gar nicht nötig. "Ich bin
stolz darauf, mit der besten Hockeyspielerin aus Österreich
zusammen zu wohnen. In der Halle ist die Irene supergut
geworden." Daher habe sie mit der in Mödling bei Wien
aufgewachsenen Abwehr- und Eckenspezialistin auch schon über die
Möglichkeit gesprochen, ins deutsche Lager überzulaufen. Dass Balek sich dies
"momentan nicht vorstellen kann", hat unerwartet
mit Nationalbewusstsein weniger zu tun: "Ich glaube nicht, dass
der deutsche Bundestrainer mich gebrauchen kann."
Einige Tage später. Blumen für die
erfolgreichen Hallenhockey-Asse des RRK im Bootshaus: Oberbürgermeister
Stefan Gieltowski (Mitte) hatte sich sagen lassen, dass es drei
Weltmeister in Rüsselsheims Sportgeschichte noch nicht gegeben hat, so
in seiner Laudatio auf die Goldmedaillengewinner Christian Domke, Denise
Klecker und Oliver Domke (von links) sowie die für Österreich aktive
Irene Balek (7. Platz). |
In Rüsselsheim besteht daran kein Zweifel. Österreichs
Nationaltrainer Peter Liebeswar ließ zwar leise Kritik an seiner
besten Kraft anklingen ("Früher hat die Irene ihre individuellen
Stärken besser eingesetzt und mehr Alleingänge gestartet. Aber
im Defensivverhalten hat sie sich klar verbessert."), doch nicht
nur RRK-Coach Berti Rauth weiß, was er an der in Trebur tätigen
Büroangestellten hat. "Sie hat sich in der Zeit bei uns so toll
weiter entwickelt, dass sie auch im Verein längst eine tragende
Rolle spielt", sagt Klecker. "Ich spiele deutlich überlegter und
mache viel weniger Fehler als früher", so Baleks
Selbsteinschätzung. Für die Aussagen ihres Nationaltrainers hat
sie abermals nur ein Lächeln übrig: "Dazu sage ich jetzt
nichts."
Nach ihren Zukunftsplänen befragt, gibt sich die beste Spielerin
der Hallen-EM 2000 redseliger: "Wenn es weiter so gut läuft und
so viel Spaß macht, wie momentan, bleibe ich noch lange in
Rüsselsheim", sagt Irene Balek. Schließlich hätten sich durch
den Wechsel von der Donau an den Main sportliche Erfolge
eingestellt, "von denen ich früher allenfalls geträumt habe".
Deutscher Feld- und Hallenmeister ist sie mit dem RRK geworden.
Und in wenigen Wochen soll der dritte Hallen-Europacupsieg
gefeiert werden: "Als zweifacher Titelverteidiger kann man nicht
sagen, dass es okay wäre, wenn man das Halbfinale erreicht".
Dass sie sich rundum wohl fühlt, obwohl das Flair Wiens mit
Heurigen und Prater manchmal fehlt, dazu hat ihr Freizeitjob als
RRK-Kindertrainerin und vor allem die ursprünglich aus einem
Spaß entstandene Dreizimmer-WG entscheidend beigetragen. "Wir
ergänzen uns optimal; jede packt da an, wo es gerade nötig ist",
erzählt Klecker. "Denise wäscht, ich mache den Abwasch",
beschreibt Balek die Arbeitsteilung, die offenbar auch ohne
viele Worte funktioniert. Denn an nicht wenigen Tagen kommt es
vor, dass sich die Mieterinnen im abendlichen Training erstmals
begegnen. "Die Irene geht früher aus dem Haus und nimmt das
Auto; ich fahre mit dem Zug", erläutert Klecker. Und: "Wenn die
Irene noch lange bleibt, werden wir noch lange zusammen wohnen."
Wenn das Duo während der WM-Tage in Sachsen schon nicht im
gleichen Hotel logiert, standen sich die Freundinnen beim
deutschen 8:2-Sieg in der Vorrunde auf dem Spielfeld als
Rivalinnen gegenüber. Obwohl es am Mittwoch nicht zu einem
Händeschütteln vor dem Anpfiff kam, sehen beide darin kein
Problem: "Wir spielen ja auch im Training gegeneinander. Es ist
ein sportlich fairer Zweikampf, wobei ich sie aber niemals
absichtlich foulen würde", sagt Klecker. "Da wir beide in der
Abwehr spielen, kommen wir uns eigentlich nie richtig nahe. Und
wenn, dann würde ich ihr nicht unbedingt auf die Finger
steigen", ergänzt Balek.
Gleichwohl das erhoffte zweite Aufeinandertreffen im Finale
durch Österreichs 2:2 gegen Australien ad acta gelegt war, soll
das WM-Turnier (Klecker: "Eine rundum gelungene Veranstaltung
mit toller Atmosphäre.") gemeinsam in lustigem Rahmen
ausklingen. "Unser Zug geht um 19.22 Uhr, und ich bin für die
Verteilung der Biervorräte zuständig", erläutert Denise Klecker.
Das kurzfristige Ansinnen des Hessischen Rundfunks, sie für den
"Sportkalender" am Sonntagabend zu gewinnen, verknüpfte sie dann
auch unmissverständlich mit der Bedingung, "dass ich nur komme,
wenn ich die Irene mitbringen darf". Dies allerdings nicht
allein aus menschlichen Erwägungen: "Ich glaube nicht, dass wir
zwei Wohnungsschlüssel mitgenommen haben."