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Über Mitglieder des
RRK (2020)
Holger Kraft |
Für Holger Kraft ist das Radio das am meisten
unterschätzte Medium im Land. ©Vollformat |
"Wir hatten schon extrem Lust" auf Radio Rüsselsheim
Vor 25 Jahren ist der Sender ins Leben gerufen worden. Mitgründer Holger Kraft
spricht über die Anfangszeit, die besondere Atmosphäre und sein Verhältnis zur
Rundfunkstation heute.
Das Interview
führte Markus Jäger (aus "Main-Spitze" vom 12.08.2020)
Vor
25 Jahren während des Kultursommers ging "Radio Rüsselsheim" erstmals in der
Opelstadt auf Sendung. Als einer der sieben Gründer des Trägervereins "K2R" war
Holger Kraft ein Mann der ersten Stunde. Im Interview spricht der Schauspieler
von der Anfangszeit des Senders, der besonderen Atmosphäre unter den Akteuren
und seinem Verhältnis zu dem Sender heute.
Herr Kraft, wie
kam es eigentlich zur Gründung des Trägervereins und dem Radioprojekt "K2R"
während des Kultursommers 1995?
Wir hatten damals
eine Gesetzeslücke entdeckt, die es uns im Zuge des Projektes "Nichtkommerzielle
Lokalradios" ermöglichte, eine Sendefrequenz zu beantragen. Zuvor hatte es ja
bundesweit bereits einige Piratensender gegeben. Die Vereinsgründung war
notwendig, um überhaupt eine Frequenz zu erhalten. Wir hatten schon extrem Lust
darauf, weil wir das Medium toll fanden. Jörg Hemp hat dann in Rekordzeit seine
Garage zu einem Sendestudio umgebaut. Der Nachteil war, dass wir während der
acht Wochen aufgrund der großen Hitze darin zerflossen sind. Inhalt unseres
Programms waren neben kulturpolitischen Themen auch Rüsselsheimer
Musikgeschichte und Sport. Grundsätzlich wollten wir jedem Rüsselsheimer die
Gelegenheit bieten, sich zu beteiligen.
ZUR PERSON
Holger Kraft wurde 1971 in Rüsselsheim geboren und
legte seine Abiturprüfung an der Immanuel-Kant-Schule ab.
Seit Abschluss seines Studiums an der Hochschule für
Musik und Theater in Leipzig ist Kraft als Schauspieler tätig und seit der
Spielzeit 2016/2017 festes Ensemblemitglied am Theater Bonn.
Im Jahr 2007 gründete der 49-Jährige schließlich
gemeinsam mit anderen Künstlern in seiner Heimatstadt Rüsselsheim das
Theaterhaus "sechzig90". (maj) |
Wie würden Sie
die Stimmung unter den Beteiligten, zu denen auch Ihr "sechzig90"-Kollege Georg
Otto sowie der "K2R"-Vorsitzende Axel Heydekamp gehörten, in der Anfangszeit
beschreiben?
Wir waren damals
eine Gruppe von etwa 30 bis 35 Personen, unter denen einfach eine unfassbare
Einvernehmlichkeit und Euphorie geherrscht hat, das hat eine spezielle Energie
freigesetzt. Das war damals ein Spiegelbild von einem Selbstverständnis der
Stadtgesellschaft. Sowas lief nur über die Solidargemeinschaft. Gefreut hat
mich, dass unser Radioprojekt damals von der Politik sehr wohlwollend
wahrgenommen wurde und wir eine große mediale Präsenz erfahren haben. Generell
habe ich den Eindruck, dass man heute individueller und nicht mehr so viel im
Kollektiv agiert.
Können Sie sich
noch an besondere Geschichten aus der Anfangszeit erinnern?
Davon gab es
tatsächlich einige. Da eine Bedingung für den Erhalt der Sendefrequenz war, dass
wir 24 Stunden am Tag senden, haben wir in einem freundschaftlichen Wettbewerb
versucht, uns darin zu überbieten, wer länger am Stück senden kann. Um halb vier
nachts habe ich aufgeben müssen. Um Werbung für unser Veranstaltungsradio zu
machen, sind wir auch im Vorfeld des Kultursommers in meinem roten E-Kadett mit
großen Boxen und Megafon um die Rüsselsheimer Schulen gefahren. Toll fand ich
auch, dass uns das Autohaus Fröhlich damals für sechs Wochen zu Werbezwecken
einen Opel Tigra kostenfrei zur Verfügung gestellt hatte, den wir mit
K2R-Aufklebern beklebt hatten, der dann aber doch die meiste Zeit nur rumstand.
Welchen
Stellenwert hat das Radio im Allgemeinen für Sie persönlich?
Für mich ist das
Radio das unterschätzteste Medium im Land, weil du die Leute beiläufig
erreichst. Ich träume ja von einem Radiosender, der gleichzeitig informiert und
unterhält. Wichtig ist meiner Meinung nach, dass du eine Plattform für junge
Leute bietest.
Wie würden Sie
ihr Verhältnis zum Sender heute beschreiben?
Da ich 1996 zum
Studieren nach Leipzig ging und erst 2006 wieder in die Region zurückgekehrt
bin, habe ich die Umstellung vom Veranstaltungsradio zum regulären Sender nicht
mehr mitbekommen. Heute habe ich, ehrlich gesagt, keinen Bezug mehr zu dem
Sender. Aber so weit ich das beurteilen kann, machen die das sehr gut. Ich hatte
mir lange gewünscht, mit unserer Theatergruppe sechzig90 mal eine Sendung zu
machen, aber daraus ist leider nie etwas geworden. Dass es den Sender heute noch
gibt, freut mich sehr. Ich habe den Eindruck, dass die Strukturen innerhalb des
Senders etwas starrer als damals sind, aber das ist wahrscheinlich auch der
Grund, weshalb es den Sender heute noch gibt. Für die Zukunft wünsche ich dem
Sender alles Gute, nochmal 25 Jahre und mehr.
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