Von Markus Jäger
(aus "Main-Spitze" vom 24.01.2020)
Im voll besetzten
Foyer des Stadttheaters beging der Eigenbetrieb Kultur123 seinen insgesamt 20.
Neujahrsempfang mit zahlreichen Gästen aus Kultur und Politik. Schauspieler
Holger Kraft plädierte dabei mit seinem flammenden Gastvortrag "Was ist das bloß
für eine Welt" für mehr Unterstützung von Theater und Kultur im Allgemeinen und
bezog deutlich Stellung gegen Rechtspopulismus.
Kraft, gebürtiger
Rüsselsheimer und Mitbegründer der hiesigen Kreativgruppe "sechzig90", zog
angelehnt an das diesjährige Fokusthema von Kultur123 "SpielRäume" als
Ensemblemitglied des Theaters in Bonn und ehemaliger Hockeyspieler des
Rüsselsheimer RK Parallelen zwischen Ensembletheater und Profi-Mannschaftssport.
Der entscheidende Unterschied liege allerdings in der Bezahlung. So habe ein
großer Teil seiner Theaterkollegen "die Armutsgrenze fest im Blick".
ZUR PERSON
Holger Kraft wurde 1971 in Rüsselsheim geboren und
studierte von 1996 bis 2000 an der Hochschule für Musik und Theater in
Leipzig. Seit 2016 gehört er zum festen Ensemble des Theaters in Bonn. Kraft
hat das Ensemble "sechzig90" mitbegründet. (maj) |
Generell
kritisierte Kraft, dass hierzulande Theater an den Rand der Handlungsunfähigkeit
gespart seien, dass meist reflexartig bei den Kulturausgaben gespart werde. Dies
sei höchst widersinnig, denn Kultur "ist die Basis unseres gesellschaftlichen
Miteinanders, das Fundament, auf dem wir stehen". "Den Wert, den wir Kultur
beimessen, ist der Wert, den wir uns selbst beimessen", betonte Kraft. Als
Schauspieler sehe er sich als "reflexives Element, zu einer Zeit in einer
Gesellschaft", was er als "größtes Privileg" seines Berufes empfinde. "Man muss
den Mut haben, die Welt besser zu machen", forderte Kraft.
Für Rüsselsheim,
das "überragend gute Voraussetzungen" habe, wünsche er sich, dass eine Vision
für das Leben in dieser Stadt entwickelt werde, die über die Kenntnis des
Verwaltungsrechts, jahrelanger Profilerstellung und des Brandschutzes
hinausgehe. Kein Verständnis zeigte er dafür, dass es Menschen gebe, die "alles
abschaffen wollen, was uns hier und heute zu dem macht, was wir sind", indem sie
eine "ganz und gar undemokratische Partei" wählen.
Bürgermeister und
Kulturdezernent Dennis Grieser (Grüne) hob in seiner Rede das Stadttheater und
das Kulturzentrum "das Rind" hervor, das am 16. Februar mit dem Kulturpreis 2019
des Kreises Groß-Gerau ausgezeichnet wird. Mit rund 1,35 Millionen Besuchern in
50 Jahren sei das Rüsselsheimer Schauspielhaus "ein wichtiger kultureller
Anziehungspunkt im Rhein-Main-Gebiet, gestern wie heute".
Ausgerechnet bei
seinem letzten Neujahrsempfang als Betriebsleiter von Kultur123 war es Eckhard
Kunze aufgrund einer Halsentzündung nicht möglich, seine Rede zu halten, was für
ihn Musikschulleiter Thomas Müller übernahm. "Kultur123 wird auch im Jahr 2020
mit seinem Angebot dazu beitragen, dass die soziale Schere in dieser Stadt nicht
größer, sondern kleiner wird", lautete ein Versprechen des Betriebsleiters.