Aus "SüdhessenWoche"
vom 14. September 2013
(rea). Maulwurf,
Frosch und Eisbär, die Helden von René Mariks Puppenbühne, gehen zum Film. Unter
dem Titel "Geld her oder Autsch'n" läuft er jetzt in Kinos der Region. Der
Rüsselsheimer Schauspieler Holger Kraft spielt darin eine Hauptrolle.
Im "Cabaret Toujour"
rollt der Rubel. Superstar Kalle sorgt für ein volles Haus. Doch dann wird Kalle
entführt, Theaterleiter Falkenhorst ist in Aufruhr: Er kann das Lösegeld nicht
zahlen, weil der Zaster verjubelt ist. Und wer ist Schuld? Der Rüsselsheimer
Holger Kraft. Er spielt in René Mariks Puppenfilm "Geld her der Autsch'n" den
Theatermanager Richy, der sämtliche Einnahmen in Kalles Kokainsucht gesteckt hat
und in die eigene gleich mit.
Der Film
ergreift Partei für das Theater
Seit Donnerstag
läuft der Film n den Kinos. Neben Holger Kraft als Richy spielen Christoph Maria
Herbst ("Stromberg") und Dorka Gryllus ("Soul Kitchen") die Hauptrollen. Und
auch "Maulwurfn", der kurzsichtige Publikumsliebling mit dem ausgeprägten
Sprachfehler, ist dabei, trägt allerdings zum Geschehen nicht allzu viel bei.
Das mag die Fans enttäuschen, räumt Holger Kraft ein, doch wolle der Film nicht
einfach an bewährten Maschen weiterstricken, sondern eine Botschaft für das
Theater, an dem das Herz so sehr hängt, senden. Er ist eine Allegorie auf eine
Gesellschaft, die ihre Theater nach und nach dichtmacht und meint, sie brauche
das alles nicht mehr", sagt Holger Kraft. "Theater verkommt zur reinen
Unterhaltung, es ist finanziell so unter Beschuss, dass sämtliche Facetten
verschwinden."
Holger Kraft und Christoph Maria Herbst |
Facetten des
Theaters zeigt "Geld her oder Autsch'n" viele. Hinter der Entführung Kalles
stecken Kasper, Seppel, Gretel, Großmutter und Krokodil, deren Bühne "Theater
der Freude" vor dem Ruin steht. Der Vermieter reibt sich schon die Hände, denn
ein Investor will ein Einkaufszentrum dort hinbauen. Kasper und sein Ensemble
brauchen dringend 50.000 Euro, um ihre Schulden zu bezahlen, sonst wird das Haus
abgerissen. So kommen sie auf den verwegenen Plan, der dann allerdings von
Drogendealer Spec (Christoph Maria Herbst), einem richtig üblen, cholerischen
Bösewicht, durchkreuzt wird. Denn ihm schuldet wiederum Richy noch Geld.
Gedreht wurde im
Dezember und Januar in Budapest. Ein straffes Programm in nur 30 Drehtagen.
Eiskalt war es − "blöd, wenn man als Leiche ewig in einem Kofferraum liegt und
man den Atem nicht sehen darf. Ich bin fast erstickt", erzählt Holger Kraft.
Budapest sei momentan beliebt als Drehort wegen der niedrigen Kosten. Auch
Prominenz aus Hollywood sieht man dort. "Die Maskenbildnerin hat vorher Daniel
Craig geschminkt", berichtet Kraft. Für den Rüsselsheimer, der seine allerersten
Rollen in der Theater-AG der Max-PlanckSchule spielte, war es die erste so
große Begegnung mit dem Medium Film − und dann auch noch mit Puppen als
Gegenüber. Er habe zusehen müssen, dass er die Puppen als Figuren ernst nimmt
und nicht wie putzige kleine Wichte behandelt. Und dass er die Puppenspieler
ausblendet, die überall unter den Tischen und hinter den Schränken saßen. "Das
Publikum vergisst dagegen nach spätestens 30 Sekunden, dass es Puppen sind",
glaubt er.
Dem Theatermann
fehlt die Chronologie
Der
Hauptunterschied bei der Arbeit aber sei die Chronologie: "Die Szene, in der ich
zusammengeschlagen werde, drehten wir als erste", sagt der gelernte
Theaterschauspieler. "Ohne die zeitliche Abfolge muss man sich ganz anders in
die Handlung hineinarbeiten." Stunden- und tagelang habe er die Einstellungen
geprobt, allein in der Taunusstraße, dem Domizil des Theaterhauses "sechzig90"
in Rüsselsheim. Der Berliner Puppenspieler und der Rüsselsheimer Darsteller des
Losers Richy kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit in Jena. 2000 bis 2004 waren
sie dort am Schauspiel engagiert. Beide kamen frisch aus der Ausbildung, Kraft
von der Schauspielschule aus Leipzig, Marik hatte Puppenspiel studiert in
Berlin. Auch Sophie Basse und This Maag gehören zu dieser Truppe. Nach ihrem
Weggang aus Jena beschlossen sie alle, weiter zusammen Theater zu machen. Sie
gründeten in Rüsselsheim das Theaterhaus "sechzig90". Außerdem verbindet sie ein
ähnlicher Humor, eine ähnliche ironische und vielleicht ein ganz kleines
bisschen bittere Sicht auf die Dinge. "Das hat einfach von Anfang an gepasst",
meint Kraft.
Geht er jetzt zum
Film? "Na, wer weiß. Hat schon Lust gemacht auf mehr. Aber das Theater werde ich
nie lassen."