|
Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"
Dieser Bereich der "alten
RRK-Homepage" im Vintage-Look enthält auch Inhalte wie Berichte von 2000
bis 6/2018, |
>>> Zur neuen RRK-Homepage <<< >>>Datenschutzerklärung<<< >>>Impressum<<< |
Links |
Was ist denn Rüsselsheim für Euch? Kraft: Ich kann für mich sagen, warum Theater hier wichtig ist. Rüsselsheim ist in gesamtgesellschaftlichen Prozessen bundesweit sehr repräsentativ. Es ist so eine komische Stadt im Herzen einer der wachstumsstärksten Regionen in ganz Europa. Du hast hier genau die Probleme, die bundesweit von Belang sind: Was läuft mit Integration, wie können wir mit Überalterung von Gesellschaft umgehen, was ist mit Bildung? Du musst ja in Deutschland die nächsten Jahre gesamtgesellschaftlich Lösungen finden. Wohin geht die Reise? Und das ist in Rüsselsheim halt auch der Fall, nur mit kürzeren Wegen, und das macht es transparenter. Und das dann mit Theater in Verbindung zu bringen, sich damit auseinanderzusetzen, das finde ich geil. Rüsselsheim ist ein hochspannendes Pflaster. Was macht das aus, das spannende Pflaster? Kraft: Wie formuliere ich das jetzt, dass es nicht so böse wirkt. Das es einerseits mitten in so einer wachstumsstarken Region liegt und alle Möglichkeiten hat und andererseits verharrt in so einer kompletten Identitätslosigkeit. Auf der einen Seite hast du die alten Rüsselsheimer. Auf der anderen Seite hast du eine komplett neue Gesellschaft, die da drunter steht, auch mit Menschen mit Migrationshintergrund, und das steht sich relativ unversöhnlich gegenüber und blockiert sich momentan. Das ist eine neue Qualität, die hatte man vor zehn, 15 Jahren so noch nicht. Es gibt keinen der sagt: "Ich komme aus Rüsselsheim, ich find das geil." Friemel: Obwohl, ich habe da so einen blöden Stolz. Auf der einen Seite gibt es teilweise diese gewisse kleinstädtische, intellektuelle Begrenztheit, die ich klar zum Kotzen finde, auf der anderen Seite, habe ich in der zweiten Klasse eine Massenschlägerei erlebt, die war filmreif, ich hab' auf dem Heimweg von der Schule regelmäßig auf die Schnauze gekriegt. Das war schon heftig. Jugend in Frankfurt etwa macht da nicht so einen richtigen Unterschied. Und Ihr reflektiert das in Euren Produktionen? Kraft: Jedenfalls versuchen wir das. Lösungen aufzeigen, können und wollen wir nicht. Das ist auch nicht die Aufgabe. So war Theater ja immer. Den Königen zeigen, so läuft das und so nicht, mal sehr, sehr vereinfacht ausgedrückt. Wir wollen dazu beitragen, dass die Leute denken, sich interessieren, sich verhalten. Kultur an sich ist ein Lösungsansatz, ein integratives Element, dazu zähle ich auch den Sport. Ich sehe das jetzt nicht so, dass man seiner Heimat was zurückgeben möchte. Das ist ein reiner Eigennutz. Ich kann hier arbeiten, kann mich auseinandersetzen und finde hier Publikum, das sich das sogar anguckt und sich damit auseinandersetzt. Wen wollt ihr denn ansprechen? Kraft: Wir wollen in Rüsselsheim gerade von der Begrifflichkeit weg, Theater ist Hochkultur, das verstehe ich nicht, da gehe ich nicht hin. Friemel: Das ist halt noch immer in den Köpfen, z.B. auch in Frankfurt. Da siehst du immer noch Jugendliche die ein schlechtes Sakko und billige Lederschuhe tragen – scheinbar eine art Kulturverkleidung – und dann ins Theater müssen. Und dann machen ja ganz viele Theater auch den Fehler, dass sie sich nicht aus der Hochkultur herauswagen, weil sie denken, das wäre ihr Ausverkauf. Sie begreifen sich viel zu wenig als Ort, an dem in erster Linie Kunst und Kultur gezeigt oder verkauft wird. Und da sollte immer Platz für alles sein. Also auf keinen Fall nur das was die meisten als Hochkultur verstehen. Die wenigsten gehen mit ihrem Programm in die Breite. Kraft: In den Großstädten mag das funktionieren, aber das hilft ja so mittelgroßen Nummern wie Rüsselsheim nicht weiter. Es ist im Prinzip ja so, dass das Theater in seiner Breite einen sehr blutigen Existenzkampf gerade führt. Und Modelle wie dieses hier, die sollen auch dazu beitragen, dass man das ein bisschen entzerrt. Friemel: Weil sich das Theater als Standort als kultureller Ort mit uns eine eigene Identität schaffen kann . Also nicht nur die Truppen, die hier durchgeschleust werden, sondern eben Leute von hier, die sich in irgendeiner Form vielleicht auch abstrakt mit Thematiken der Stadt auseinandersetzen. Kraft: Wenn Du es schaffst, dass bei solchen Veranstaltungen mal 80 Leute sitzen, und darunter zehn, die unter dreißig sind, davon fünf zum ersten mal im Theater und zwei sagen, "ich find das cool", wenn die sich mit dem Medium und dem Inhalt auseinandersetzen, dann hast du gewonnen. Und das haben wir schon mal erreicht. |