Von Martin Krieger
(aus "Main-Spitze" vom 15. Dezember 2018)
Die Liste
spielstarker und größtenteils länderspielerprobter "Töchter und Söhne", die der
Hockeysparte des Rüsselsheimer RK verloren gegangen sind, ist umfangreich. Was
anno 1989 mit Anke Wild (zum Berliner HC) begann und vor wenigen Wochen mit
Charlotte Steiner (zum Münchner SC) vorläufig endete, hat nahezu überall dazu
geführt, dass bundesweit verteilt andere Erstligisten durch die hessischen
Zugänge aufgewertet worden sind. Den Weg zurückgefunden indes hat so gut wie
niemand, und deshalb ist die Freude am Untermain groß, vor dieser Hallenrunde
eines der vielen abgewanderten Talente wieder begrüßen und an diesem Samstag
gegen den Münchner SC in der Großsporthalle nun auch erstmals vor heimischem
Publikum präsentieren zu können.
Der Gegner dürfte
bei Rückkehrerin Helena Faust durchaus gemischte Gefühle hervorrufen. Vor mehr
als vier Jahren hatte die seinerzeit 23-Jährige ihre Zelte nach 13 Jahren beim
RRK abgebrochen, um in Augsburg ihr spezielles Masterstudium im Bereich Politik-
und Sozialwissenschaften voranzutreiben und nebenbei für den etwa 80 Kilometer
entfernten MSC zum Schläger zu greifen. "Ich habe ein Probetraining mitgemacht,
aber da ich kein Auto hatte, wäre ich hin und zurück jeweils locker anderthalb
Stunden unterwegs gewesen", sagt die gebürtige Mainzerin. Stattdessen ging es
für rund ein Jahr ins Mixed-Seniorentraining beim TSV Schwaben Augsburg, danach
dann doch nach München, aber zum TuS Obermenzing. "Deren Anlage war relativ nahe
am Bahnhof, und wir sind zweimal aufgestiegen", erzählt Faust, "aber als es dann
auch gegen den RRK ging, habe ich versucht, dem aus dem Weg zu gehen."
Kontakt zum
Ruderklub habe sie auch von Augsburg aus stets gehalten ‒ "vor allem mit Petra Ankenbrand, mit der ich in der Jugend ja schon zusammengespielt habe." Die
Stürmerin und Torjägerin, selbst einige Jahre nicht in Rüsselsheim am Ball, war
es auch, die mitbekam, dass Fausts Tage in Augsburg nach dem Studienabschluss
Ende 2016 gezählt waren. An einer privaten Hochschule in Karlsruhe hatte sich
ein Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin aufgetan, wobei sie aufgrund der
Entfernung zeitweilig bei ihrer Schwester Lisa in Landau unterkam. Obwohl ihr
das Studienprojekt "interkulturelle Öffnung von Sportvereinen in. Thüringen"
gefällt, reifte zunehmend der Entschluss, zusätzlich ein Zweitstudium zu
beginnen. Gesagt, getan: An der Uni Landau läuft es in den nächsten drei Jahren
nun auf Grundschullehrerin für Französisch und Englisch heraus.
Mit der
Neuorientierung einherging der Umzug nach Hause in die Mainzer Neustadt. Von
dort war auch der Weg zurück zum RRK nicht mehr weit. Irgendwann klingelte das
Telefon, und Trainer Norman Hahl war dran. "Dass man gewollt ist, ist ein
schönes Gefühl", sagt Helena Faust, die 2012 an einem AKader-Lehrgang
teilgenommen hatte und in einem Testländerspiel gegen China zum Einsatz gekommen
war. Dass sie von diesen Grundlagen trotz einer Schulteroperation 2017 noch
immer zehrt, wurde rasch offenkundig. "Ich war etwas erstaunt, wie schnell ich
mich wieder an das höhere Tempo gewöhnt habe", erklärt die Aufbauspielerin. Dies
wohl auch deshalb, weil sie trotz der beruflichen Zweigleisigkeit unbedingt alle
drei Trainingseinheiten pro Woche mitmachen will.
Vor dem ersten
Punktspiel beim Nürnberger HTC sei sie dann aber trotzdem ziemlich aufgeregt
gewesen. "Aber ich bin einfach froh, dass ich noch mal die Chance bekommen habe,
mich auf diesem Niveau zu beweisen", sagt Faust. Dem ersten Tor beim
2:2-Auftaktremis in Franken folgten zuletzt zwar die beiden unglücklichen
Niederlagen in Mannheim, "aber wir können mit unseren Leistungen wirklich
zufrieden sein. Die Stimmung und der Wille werden immer besser, und es wäre
schön, wenn wir uns am Wochenende mal belohnen könnten."
Am persönlichen
Ehrgeiz wird es nicht mangeln: "Das aktuelle Team ist eines der stärksten, in
dem ich bislang gespielt habe. In der Halle ist das Viertelfinale unser aller
Ziel, und im Freien würde ich schon gerne in die Bundesliga aufsteigen." Das
wird nicht nur Trainer Hahl gefallen, der schon nach wenigen Wochen genau weiß,
was er an der technisch versierten Rückkehrerin hat. Ein Faust-Treffer gegen den
Münchner SC an diesem Samstag würde passen, wie die berühmte Faust aufs Auge.