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Über Mitglieder des
RRK (1987)
Heinrich von Opel, Irmgard von Opel,
Dr. Heinz von Opel |
Gestüt
Westerberg
1912-1987
75 Jahre
Westerberg ‒ und Derby-Sieg im Jubiläumsjahr
Von "www.gestuet-westerberg.de"
Der 5. Juli in Hamburg wurde zum
großen Kulminationspunkt im Jubiläumsjahr: Mit dem Derby-Sieg des im Gestüt
Westerberg gezogenen Nebos-Sohnes Lebos gab es gewissermaßen das i-Tüpfelchen
anlässlich des 75jährigen Bestehens des Opelschen Gestüts in Ingelheim, wo der
jüngste Triumphator auf dem Horner Moor seine Jugendjahre verbracht hatte und
dann über die Jährlingsauktion in Baden-Baden unter neues Patronat gekommen war.
30.000 DM kostete der junge und vielversprechende Hengst den Stall Burg Windeck,
aber dessen Besitzer Dr. Manfred Fischer sollte die große Stunde an der Alster
nicht mehr erleben. Nach Dr. Fischers Tod kam Lebos in den Besitz des Solinger
Stalles Klingenstadt, für den der Westerberger in wenig mehr als zwei Monaten
zum großen Star seines Jahrgangs avancierte.
Lebos war der dritte Derby-Sieger,
der in Ingelheim aufgewachsen war, denn zuvor schon hatte Westerberg ‒ damals
als Heimstatt der Röslerschen Zucht ‒ mit Alarich und Lauscher zwei Gewinner im
wichtigsten Zuchtrennen für den Derby-Jahrgang gestellt. Als die Gebrüder
Rösler, deren Drahtwerke in Amern am Niederrhein ein blühendes Unternehmen
waren, ihrer Vollblutzucht in Westerberg eine feste Bleibe gaben, wurde die
lngelheimer Zuchtstätte zum Mittler ungewöhnlicher Erfolge. Das Orangerot der
Gebrüder Rösler, für die zunächst Max Schmidt und später Herbert Cohn
trainierten, war damals auf den westdeutschen Rennbahnen äußerst populär, zumal
beim Publikum ein wenig Lokalpatriotismus mitklang, wenn das westdeutsche
Unternehmen den großen Ställen, die in Berlin ihre Bleibe verloren hatten, so
kräftig Paroli bot. Unter Röslerschem Patronat sind damals aus Westerberg
unzählige Klassepferde in den Krefelder Rennstall gekommen, aber mit dem Tod der
Gründergeneration ist der Ruhm des Stalles Rösler bald vergangen.
In der Gründungsgeschichte
reicht Westerberg noch in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück, doch die
schweren Jahre von 1914 bis 1918 waren zunächst für die weitere Entwicklung der
jungen Zuchtstätte ein gewisser Hemmschuh, bis in den zwanziger und dreißiger
Jahren der endgültige Durchbruch gelang. Der populärste Westerberger in dieser
Aera war wohl der Fervor-Sohn Kairos, der ein ungewöhnlich hartes, vielseitiges
und immer mobiles Pferd war. Noch als Sechsjähriger gewann Kairos ein rundes
Dutzend Rennen, mit sieben Jahren brachte der Fervor-Sohn das Kunststück fertig,
innerhalb einer Woche in Frankfurt, wo die Westerberger häufig am Start waren,
Präsidenten-Preis, Ulrich-von-Oertzen-Rennen und Wäldchens-Rennen zu gewinnen.
Damals trainierte schon Albert Schladke die Westerberger und war Kurt Narr der
Stalljockey ‒ eine Verbindung, die über viele, viele Jahre hinweg Bestand hatte
und kaum je eine Trübung erfuhr.
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Große Erfolge hatten die
Westerberger vor allem zu Beginn der dreißiger Jahre. Der AnakreonSohn Enak war
schon ein sehr guter Zweijähriger, erfolgreich vor allem im Sierstorpff-Rennen,
und wurde später ein erstklassiger Flieger. In jenen Jahren war auf ähnlichen
Distanzen auch der Pergolese-Sohn Rochus ein Könner, Doppel-Sieger in der
Goldenen Peitsche, die damals ihre Heimat noch in Berlin hatte, sowie
erfolgreich in zahlreichen großen Rennen über kurze und mittlere Distanzen.
Wiederholt auch waren die Westerberger auf Derby-Kurs. Die größten Hoffnungen
hatte man wohl 1934, als der Prunus-Sohn Ehrenpreis nach einer dreifachen
Siegesserie in Hamburg zur engsten Favoritengruppe zählte, in einer knappen
Kampfankunft schließlich aber im Blauen Band hinter Athanasius, Blinzen und
Agalire erst auf dem vierten Platz landete. Vier Jahre später gab es die
berühmte Duplizität der Ereignisse. Diesmal zählte Irmgard von Opels Effner, der
eine dreifache Serie im Ulrich-von-Oertzen-Rennen eindrucksvoll gekrönt hatte,
zur Derby-Favoritengruppe ‒ und wieder kam für die Westerberger Farben hinter
Orgelton, Elbgraf und Majoran nur der vierte Platz heraus. Insofern haben
Alarich, Lauscher und vor allem Lebos in der jüngeren Epoche als Derby-Sieger
aus Ingelheim gewiss ein wenig ausgleichende Gerechtigkeit gebracht, aber auch
bewiesen, dass Westerberg als Zuchtstätte unverändert gute Reputation besitzt.
Der breiteren Öffentlichkeit ist
Ingelheim vor allem durch seine guten Weinlagen bekannt. Die Redensart, dass
dort, wo gute Reben gedeihen, auch das Vollblut eine erfolgversprechende
Heimstatt haben muss, ist mehrfach schon erhärtet worden. Bereits 1928 lobte
Hans Müller in Robert Bunsows berühmter "Rundschau für Vollblutzucht und
Rennsport" das Gestüt Westerberg: "Dicht bei Ober-Ingelheim auf rebenumkränzter
Höhe gelegen, also im Herzen des rheinischen Weinbaues, ist die landschaftliche
Umgebung märchenhaft schön. Ich liebe die mittelrheinische Landschaft, deren
einzigartigen Zauber zu schildern immer nur ein schwacher Versuch bleibt. Dessen
wird man erst so recht inne, wenn man an einem schönen Sommerabend von der
Terrasse des ehrwürdigen Gutshauses Westerberg auf das sich an sanftem Hang
hinziehende friedliche Ober-Ingelheim blickt, das mit dem zu beiden Seiten der
alten rheinischen Landstraße gelegenen Nieder-Ingelheim zu einem der
wohlhabendsten rheinischen Weinorte verschmilzt. Weiter gleitet der Blick über
den Strom und hinüber zu den traubenschimmernden Hängen des Rheingaues, dem
Paradiese Deutschlands. Ein Bild, in dem Anmut, Schönheit und Größe sich zu
vollendeter Harmonie vereinen und das den Beschauer immer wieder auf das
stärkste in seinen Bann zieht."
Zweifellos hat sich seit den
zwanziger Jahren auch im Rheingau manches geändert, Westerberg aber ist als
Heimstatt des Vollbluts und der Reben der alten Tradition verbunden geblieben,
wobei mittlerweile drei Generationen der Familie von Opel aktiv geworden sind.
Die Grundlagen sind das Werk von Heinrich von Opel, der auch noch die
ersten großen Erfolge seiner auf Lebenszeit eingetragenen Farben "rot, blaue
Ärmel, Gürtel und Kappe" miterleben konnte. Irmgard von Opel hat die
große Aera der dreißiger Jahre mitgestaltet, aber auch durch ihre im
Spring-Derby-Sieg gipfelnden Erfolge im Turniersport weit über die Grenzen des
Landes hinaus einen hohen Bekanntheitsgrad gehabt. Ihr ist auch zu danken, dass
Westerberg aus den Wirren des letzten Weltkrieges heraus zu neuer Blüte bei
veränderter Konzeption gekommen ist. Das Gestüt, das ursprünglich rein privaten
Charakter hatte, wurde mehr und mehr auch zum Pensionsgestüt und zur Heimat
namhafter Beschäler, die bei mittlerweile verkleinertem eigenen Stutenbestand
überwiegend von anderen Züchtern berücksichtigt werden. Im letzten Jahr ist
Irmgard von Opel im Alter von 79 Jahren gestorben, doch zuvor schon hatte die
alte Dame die Regie in Westerberg an Dr. Heinz von Opel übergeben. Für
den nunmehrigen Gestütsherrn ist in dem Bemühen, alte Tradition zu wahren und
mit neuem Leben zu erfüllen, der Derby-Sieg von Lebos sicher gute Ermunterung
gewesen.
Die veränderten Ziele haben es
mit sich gebracht, dass die Westerberger Farben heute nur noch gelegentlich auf
den Rennbahnen vertreten sind. In der Nachkriegszeit war wohl die gute
Ticino-Tochter Esplanade in eigenen Farben das beste Pferd. Die Halbschwester
des Wiener Derby-Siegers Ericson ‒ übrigens aus einer der ältesten Westerberger
Familien ‒ gewann vor allem die Silberne Peitsche, aber damals war das Opelsche
Gestüt bereits einer der Hauptlieferanten für den Jährlingsmarkt. Irmgard von
Opel zählte auch zu den Initiatoren, die in den sechziger Jahren die
Jährlingsauktion von Baden-Baden aus der Taufe gehoben haben. Von den vielen
Westerbergern, die seither in Iffezheim den Besitzer gewechselt haben und oft
genug auch gute Galoppierer geworden sind, ist Lebos nun natürlich der
vorläufige Höhepunkt geworden.
In diesem Jahr wird
Gestütsleiter Hans-Heinrich Grünhagen ein Quartett in den Auktionsring von
Baden-Baden schicken ‒ darunter eine von Orofino stammende Halbschwester des
jüngsten Derby-Siegers, deren gemeinsame Mutter Lirty zugleich die hippologische
Brücke zur Rösler-Aera in Westerberg schlägt. |