Am 04. November 1967 wird der Neubau des RRK-Bootshauses im Rahmen
eines feierlichen Festaktes seiner Bestimmung übergeben.
Vorsitzender Günter Schmitt spricht bei seiner Begrüßung die Hoffnung aus, daß
der gelungene Bau der Jugend neue Impulse verleihen und sie darin bestärken
werde, sich allen verderblichen Bestrebungen im Sportleben zu widersetzen und an
den hohen Idealen festzuhalten, die gerade im Rudern und Hockey noch groß
geschrieben würden. "Die Jugend und ihr Eifer sind unsere Hoffnung."
Architekt Beckenhaub berichtet vor der Schlüsselübergabe über das naturgemäß
nicht immer leichte Bestreben aller Beteiligten, dem Bau die schönste und
zweckmäßigste Gestalt zu geben. "Dieses Haus soll nicht nur eine Stätte des
Sports, sondern auch ein Haus des gesellschaftlichen Lebens sein."
Schatzmeister Hans Eisen zeichnet in originellen, oftmals von leichter
Selbstironie gefärbten Worten ein Bild von der Geschichte des Klubs, das nie zum
trockenen Protokoll wird, sondern sich an den wesentlichen Triebkräften im
Wandel der Zeiten orientiert. Immer wieder von Beifall unterbrochen, erinnert
Eisen an die Bemühungen der Gründer, die oft in krassem Gegensatz zu ihren
Möglichkeiten gestanden hätten. In einem alten Band der "Main-Spitze" hatte sich
der Schatzmeister Vergleichzahlen geholt, die mehr als tausend Worte beweisen,
welches Maß an Opferbereitschaft die Mitglieder der ersten Stunde geleitet habe.
Sie hätten die Gegenleistung von sieben Pfund Fisch oder drei Stunden Arbeit als
Mitgliedsbeitrag oder Anteilschein für die erste Halle dem Verein zur Verfügung
gestellt, während die gleichen Leistungen für den Verein heute durch den Wert
von zwei Pfund Fischen oder einer Arbeitsstunde kompensiert würden. Eisen nennt
das erste, notdürftig untergebrachte Boot eine Arche Noah, vier Zentner schwer
und von den ersten Aktiven in Wikingermanier auf das Wasser des Mains gebracht .
Der Festredner versteht es vortrefflich, die einzelnen Phasen der RRK-Geschichte,
beginnend vom Bau der ersten Halle und des ersten Bootshauses am heutigen Platz
in eine Beziehung zum Wesen der jeweiligen Epoche zu bringen und meint, vom
Schmunzeln der Zuhörer begleitet, beim Hinweis auf die Tatsache, daß damals nur
19 Prozent der Bausumme aus Eigenkapital aufgebracht worden seien: "Da brauche
ich heute im Blick auf unser Projekt wahrlich kein schlechtes Gewissen zu
haben." Auch Albert Meeser und seine manchmal sehr nachdrückliche Art, wie er
damals für die Belange des Klubs um Geld geworben habe, stünden in keinem
Vergleich zu der Verhaltensweise in unseren Tagen.
Wenn man bedenke, daß in den 20er Jahren 33 Prozent aller Mitglieder Aktive
gewesen seien, werde einem die gesunde Struktur des Vereins deutlich. Mit
besonderer Sorgfalt widmet sich Eisen den Jahren nach dem Krieg: "Die Zeit, als
wir im "Löwen" unser Domizil aufgeschlagen hatten, ist für mich auch heute noch
die schönste Zeit geblieben. Wer damals fünf Minuten zu spät zu einer Sitzung
kam, mußte sich einen Stuhl aus der Gaststätte mitbringen, wenn er noch einen
Platz haben wollte." In diese Zeit falle auch die große Erfolgsserie der Ruderer
und Hockeyspieler. Damals habe man gespürt, wie sehr die Mitglieder ihr Wirken
im Verein als Ausgleich und Äquivalent für die Mühsal des Alltags aufgefaßt
hätten. Eingehend befaßt sich Eisen in seinem trotz freier Rede geschliffenen,
von Spontaneität erfüllten Vortrag mit der Vorgeschichte zu dem Neubau. Er
begründet, warum sich die Verantwortlichen zu einem so großen Einschnitt in die
Entwicklung hätten entschließen müssen. Es habe ihm und seinen Freunden viel
daran gelegen, daß der RRK mit diesem von den Linien der neuen Ausdrucksform
bestimmten Bau ein Bekenntnis zur Zukunft ablege, ohne das Alte dabei zu
vergessen, das sich in dem seitherigen Bau im Anschluß an das neue Haus
sinnfällig bewahrt sehe.
"Wir haben dieses Haus in das Jahr 1967 mit all seinen Problemen
hineingestellt." Eisen warnt aber davor, die Jugend heute noch mit all den
unvergeßlichen idealistischen Taten der Alten ansprechen zu wollen. "Wir müssen
mit ihrer Sprache vor sie hintreten." Der Schatzmeister untersucht die Gründe,
die zu der Gefährdung der Werte im Sport geführt hätten und erinnert an das Wort
Robert Kennedys, nach dem der dritte Weltkrieg schon begonnen habe, vorerst aber
noch auf den Sportfeldern ausgetragen werde. Der Sport sei in einer Abwandlung
des Satzes von Clausewitz im Begriff, die Politik mit anderen Mitteln
fortzusetzen. Wenn man den Deutschen 1936 vorgeworfen habe, die Olympiade für
die Zurschaustellung ihres Staates mißbraucht zu haben, so könne man dies
ebensogut auch auf den Staatsamateurismus der Ostblockländer anwenden. Beispiele
wie die Verschiebung im Leistungsvermögen der Ruderer und anderer Sportler
bewiesen, wie tief der Gegensatz zur Einstellung des Sportes zwischen Ost und
West sei. Wenn Avery Brundage, Präsident des IOC, dies alles nicht zugeben
wolle, verschließe er sich entweder vor den Tatsachen oder nehme zu einer
frommen Lüge Zuflucht. Der Osten sei dabei, den Sport für das Prestige des
Staates zu benutzen, während im Westen die Gesellschaftsordnung anders über
seinen Wert denke. Männer wie Rudertrainer Adam und Hockeytrainer Budinger
hätten durch ihr System vermocht, den besseren Bedingungen im anderen Teil der
Sportwelt entgegenzuwirken mit zum Teil erstaunlichen Erfolgen.
"Wir stehen heute am Scheideweg des Sports, aber ich habe die Hoffnung, daß die
Jugend - besonders im Hockey- und Rudersport - nicht alles dem eigenen
Karrierestreben und der Gewinnsucht unterordnet, sondern auch an andere Dinge
denkt, die es in der Welt des Sports immer gegeben hat und geben muß."
Eisens Dankesworte gelten, stellvertretend für alle anderen Mitglieder,
Friedrich Traiser, der im Laufe der Jahrzehnte Erstaunliches geleistet habe; sie
gelten dem anwesenden Landrat Alfred Schmidt, Bürgermeister Dr. Storsberg, dem
Ersten Stadtrat August Schilling, aber besonders dem hessischen Innenminister
Schneider, der seinen baldigen Besuch zugesagt habe. "Wenn dieses Haus zu einer
Art Leuchtturm in einer von vielen Gefahren bedrohten Zeit im Rahmen unseres
Sports und Vereins wird, hat es einen guten Dienst zu erfüllen."